Künstliche Intelligenz im Arbeitsverhältnis – Ein Überblick

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​​​​​​​​​veröffentlicht am 9. Oktober 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die Digitalisierung bis hin zur künstlichen Intelligenz (KI) wird die Arbeitswelt in vielerlei Hinsicht – positiv wie negativ – revolutionieren. Sei es dadurch, dass eine künftige KI die Position des Arbeitgebers übernimmt und Arbeitsanweisungen erteilt, Arbeitsabläufe optimiert werden oder gänzlich neue Arbeitsplätze entstehen und bekannte Arbeitsplätze wegfallen. Der Fantasie scheinen technisch keine Grenzen gesetzt. ​​​​



Allgemeine rechtliche und regulatorische Voraussetzungen​

Konträr zur technischen Realisierbarkeit sind dem Einsatz von KI aus (arbeits-)rechtlicher Perspektive naturge­​mäß sehr wohl Grenzen gesetzt. Arbeitsrecht war und ist nämlich in erster Linie Arbeitnehmerschutzrecht. 

In der Praxis stehen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (nachfolgend „Arbeitgeber“) in diesem Kontext – wie grundsätzlich im Arbeitsrecht – allerdings zunächst vor der Herausforderung, dass dem Einsatz von KI kein einheitliches „KI-Arbeitsrecht“ zugrunde gelegt wird. Insoweit kommt hinzu, dass dem Themenfeld KI zwar nach allgemeinem Verständnis immenses Potenzial innewohnt, es jedoch bisher ebenfalls kein allgemein gültiges Verständnis dahingehend gibt, was KI eigentlich ist. Vielmehr begegnen Arbeitgebern eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen und Begriffe. Dies vorangestellt konturiert der Beitrag ausgewählte Fragen, die beim Einsatz von KI virulent werden könnten. 

Ausübung des Direktionsrechtes durch KI

Zunächst kann KI beispielsweise einen Teil der originären Rechte und Pflichten des Arbeitgebers, nämlich die Anweisung zur Ausführung eines bestimmten Verhaltens, übernehmen. Mit anderen Worten ist es bereits zum jetzigen Zeitpunkt technisch möglich, dass eine Maschine das Verhalten der Arbeitnehmer steuert und diesen Anweisungen gibt. Der Einsatz von KI zur Steuerung des Arbeitnehmerverhaltens ist umfassend möglich und die KI kann jederzeit auf den individuellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend „Arbeitnehmer“) einwirken. In der englischsprachigen Literatur wurde hierfür der Begriff „algorithmic management“ geprägt. Eine solche Übertragung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes an einen Algorithmus ist grundsätzlich zulässig. Sie muss jedoch auch dann den Anforderungen des § 106 der Gewerbeordnung (GewO) genügen, mithin insbesondere verhältnismäßig sein. 

Aspekte des (Beschäftigten-)Datenschutzes

Ferner korreliert der Einsatz von KI zwangsläufig mit einer steigenden Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer. Während der Arbeitgeber technische und organisatorische Maßnahmen für die Arbeit in Präsenz unproblematisch treffen kann, sind diese insbesondere im Kontext einer etwaigen mobilen Arbeit entsprechend anzupassen und arbeitgeberseitig sind dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Datensicherheit zu treffen. 

Beim Einsatz von KI wird regelmäßig auch die Frage der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit zu stellen sein. Möglich erscheint hierbei die gemeinsame Verantwortlichkeit zusammen mit dem Anbieter der KI und dem Arbeitgeber, die Auftragsdatenverarbeitung sowie die alleinige Verantwortlichkeit des Arbeitgebers. Dies hängt maßgeblich von der technischen Ausgestaltung ab und lässt sich nicht einzelfallunabhängig prognos­​tizieren. Außerdem ist zu prüfen, ob es einer Datenschutzfolgeabschätzung bedarf. Die globale Verteilung der Mitarbeiter und auch der Standort der Server geht datenschutzrechtlich mit der Frage der Zulässigkeit der Übermittlung in Drittstaaten einher. Im Rahmen des Beschäftigtendatenschutzes wird zudem auch die Frage der Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung zu beantworten sein.  

Beteiligung des Betriebsrates bei der Einführung und dem Einsatz von KI​

Führen Arbeitgeber KI in Ihrem Betrieb ein, in dem ein Betriebsrat gebildet wurde, so ist die Einführung von KI in aller Regel gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) mitbestimmungspflichtig. Diese Norm statuiert, dass dem Betriebsrat bei der Anwendung von technischen Einrichtungen ein Mitbe­​stimmungs­​recht zusteht, wenn diese zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer objektiv geeignet sind. Dies wird im Kontext des Einsatzes von KI häufig der Fall sein. 

Ferner sind an die in § 90 BetrVG, § 92 BetrVG niedergelegten Unterrichtungs- und Beratungsrechte, das Mitbestimmungsrecht gemäß § 95 Abs. 2a BetrVG  ebenso zu berücksichtigen, wie das gemäß § 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG verbriefte Recht des Betriebsrates, nach näherer Vereinbarung einen Sachverständigen zur Beurteilung der KI hinzuzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrates erforderlich ist.

Bewerberauswahl, Kündigung und Leistungsbewertung durch KI​

Ein weiterer relevanter Aspekt ist die Anwendung der am 1. August 2024 in Kraft getretene Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz (Gesetz über künstliche Intelligenz (KI-VO)). Diese folgt dem Konzept der DSGVO und verfolgt einen risikobasierten Ansatz. Unter Berücksichtigung dieses risikobasierten Ansatzes clustert die KI-VO die verschiedenen KI-Systeme in Abhängigkeit des vom System ausgehenden Risikos für die Grundrechte und die Sicherheit der Arbeitnehmer, namentlich in verbotene KI-Systeme/KI-Praktiken, KI-Hochrisikosysteme, KI-Systeme mit geringem Risiko und sonstige Systeme.  

Aus der arbeitsrechtlichen Perspektive betrachtet, ist insoweit insbesondere Art. 6 Abs. 2 KI-VO i.V.m. Anhang III Ziffer 4 zur KI-VO relevant, der statuiert, dass KI immer dann als Hochrisiko-KI (laut KI-VO „Hochrisiko-KI-System“) gilt, wenn 
  • Sie zur Einstellung oder Auswahl natürlicher Personen verwendet werden sollen, insbesondere zur Schaltung gezielter Stellenanzeigen, zur Analyse und Filterung von Bewerbungen und zur Bewertung von Bewerbern; oder 
  • dazu bestimmt ist, Entscheidungen zu treffen, die sich auf die Bedingungen von Arbeitsverhältnissen, die Förderung oder Beendigung von Arbeitsvertragsverhältnissen auswirken, Aufgaben auf der Grundlage von individuellem Verhalten oder persönlichen Eigenschaften oder Merkmalen zuzuweisen oder die Leistung und das Verhalten von Personen in solchen Verhältnissen zu überwachen und zu bewerten.
Art. 6 Abs. 3 KI-VO sieht allerdings eine Ausnahmeregelung für Hochrisiko-KI-Systeme dergestalt vor, dass ein solches nicht als risikoreich gilt, „wenn es kein erhebliches Risiko der Beeinträchtigung in Bezug auf die Ge­sund­​heit, Sicherheit oder Grundrechte natürlicher Personen birgt, indem es unter anderem nicht das Ergebnis der Entscheidungsfindung wesentlich beeinflusst.“ Ob das der Fall ist, müssen Arbeitgeber im Einzelfall prüfen. Handelt es sich dennoch um eine Hochrisiko-KI, so müssen Arbeitgeber insbesondere, jedoch nicht aus­schließ­lich, ein Risikomanagementsystem einrichten und die technische Belastbarkeit und die Cybersicherheit dieser KI sicherstellen. 

Haftung und KI-Verhaltensrichtlinien​

In Anbetracht der Tatsache, dass der Einsatz von KI im Arbeitsverhältnis regelmäßig als Hochrisiko-KI zu qualifizieren ist, besteht gemäß Art. 99 - 101 KI-VO ebenfalls ein hohes Risiko, dass bei Verstößen Sanktionen sowie individuelle Geldbußen gegenüber dem Arbeitgeber verhängt werden. Auch Schadensersatzansprüche können entstehen. Entsprechendes kann aus der rechtswidrigen Verarbeitung personenbezogener Daten nach Maßgabe der DSGVO folgen. Korrelierend dazu ist es die originäre Aufgabe einer jeden Geschäftsleitung, die Einhaltung interner und externer Normen zu gewährleisten. 

Arbeitgebern ist mithin zwingend zu raten, die Einhaltung derartiger Pflichten als Bestandteil ihrer „normalen“ unternehmensinterne Verhaltenskultur (Compliance-Kultur) zu sehen, deren Gegenstand wiederum das regeltreue Verhalten eines jeden Mitarbeiters ist. Damit sich eine derartige Compliance-Kultur im Unternehmen etabliert, muss sie zunächst den Mitarbeitern nähergebracht werden. Das geschieht in der Praxis mit einem Code of Conduct, darauf aufbauenden Verhaltensrichtlinien und ent-sprechenden Schulungen der Mitarbeiter.

Der Inhalt der jeweiligen Regelungswerke variiert in Abhängigkeit von dem konkret anvisierten Regelungs-umfang. Typischerweise implementieren Unternehmen einen übergeordneten Code of Conduct, der primär – aber nicht zwingenderweise – allgemeine Anweisungen im Hinblick auf die Unternehmenskultur sowie das Miteinander statuiert und so eine gemeinsame „Corporate Identity“ schafft. Dem Code of Conduct unterge­​ordnet sind spezifische Verhaltensrichtlinien, die dem einzelnen Arbeitnehmer konkrete Handlungsaufträge vermitteln und überwiegend an spezifische gesetzliche Vorschriften anknüpfen. 

„Last but not least“ – Welche Aspekte sind noch relevant?​

Ein häufig vernachlässigter, jedoch durchaus relevanter Aspekt ist, dass KI immer auch das Risiko birgt, diskriminierend oder ausgrenzend für ältere oder behinderte Mitarbeiter zu sein. Bei der Auswahl der KI muss mithin berücksichtigt werden, dass gemäß § 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes AGG jede Form der Benachteiligung verboten ist. 

Arbeitgeber sind überdies verpflichtet, Arbeitnehmer im Kontext einer durch KI verursachten ständigen Erreichbarkeit zu schützen. Hier ist insbesondere zu beachten, dass durch die dauerhafte Verwendung von Technik eine Art unzulässige „Grauzone“ zwischen Arbeitszeit und Freizeit entstehen kann. Dieses Problem wird in der Literatur auch unter dem Begriff „Entgrenzung des Arbeitsverhältnisses“ diskutiert. In der Praxis wird dieses Problem exemplarisch durch unternehmensinterne Verhaltensrichtlinien eingegrenzt, mit denen Arbeitgeber konkrete Vorgaben zu Zeit und Nutzung der arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellten KI machen. Gehen Änderungen des Betriebsablaufs mit der Einführung neuer Technologien einher oder werden Arbeitnehmer hierdurch überwacht, sind diese ebenfalls mitbestimmungspflichtig.

Ständige Erreichbarkeit und die extensive Nutzung von Bildschirmen können sich zudem schädlich auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken. Diese Folgen müssen wiederum im Rahmen der Gefährdungsbeur­​teilung des Arbeitsplatzes berücksichtigt werden. Zudem hat der Arbeitgeber auch nach Einführung der Technologien eine ständige Anpassungspflicht zu beachten, um die kontinuierliche Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu sichern.  

Ausblick: Denkbare Auswirkungen der KI auf das Verständnis des Arbeitnehmerbegriffes​

Abschließend ist es wahrscheinlich, dass der voranschreitende Einsatz von KI zugleich mit einer Auflösung der Grenze zwischen persönlicher Abhängigkeit des Arbeitnehmers im „originären“ Arbeitsverhältnis einerseits und Selbstständigkeit andererseits korreliert. Es ist sehr gut denkbar, dass die Kategorisierung und gleichlaufend die unterschiedliche Bewertung der Rechtsverhältnisse in ihrer aktuell bekannten und gelebten Form nicht mehr möglich ist. 

Exemplarisch ist sehr gut denkbar, dass die eigentliche Arbeitsleistung zunehmend von Maschinen über­nommen wird, Arbeitnehmer jedoch gemäß § 613 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Zweifel zur höchst​­per­sön­li­chen Erfüllung ihrer Arbeitsleistung verpflichtet sind. Erwähnt sei in diesem Kontext nur die Digi­tali­sierung der Arbeitswelt mit ihren Trends zu ortsungebundener Aufgabenerledigung und der Entstehung von Plattformarbeit. 

Fazit

Künstliche Intelligenz bietet enorme Potenziale um die Arbeitswelt zu verändern und zu verbessern. Sie kann die Effizienz steigern, Arbeitsbedingungen verbessern und neue Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig müssen Arbeitgeber jedoch eine Vielzahl an Anforderungen berücksichtigen und sehr genau prüfen, welche Regelungen für welche KI virulent sind.
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