EU-Qualitätsregelungen – Die neue Verordnung über geografische Herkunftsangaben

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 9. Oktober 2024 | Lesedauer ca. 4​ Minuten


Die EU-Qualitätsregelungen für Lebensmittel, Wein und Spirituosen schützen Erzeug­​nisse mit einzigartigen Produktmerkmalen in Bezug auf ihre geografische Herkunft. Unter anderem dienen sie dem Verbraucherbedürfnis nach besonderer Produktqualität und geografischer Herkunftsauthentizität.


Mit der neuen „geografischen Angaben“-Verordnung aus Mai 2024 soll das „Sammel­​​​​​​​surium“ an Regelungen für geografische Herkunftsangaben so weit wie möglich in einem einheitlichen Rechtsrahmen gefasst werden. Unter anderem führt sie eine Verfahrensbündelung ein, stärkt den Schutz gegenüber (Nachahmer- / Anlehnungs-) Marken und erfasst auch neue Aspekte wie Nachhaltigkeit und Online-Marketing.



Regelungssystematik und Kontinuitäten​

Zentral regelt die Verordnung (EU) 2024/1143 über geografische Angaben für Wein, Spirituosen und landwirt­​schaftliche Erzeugnisse und über garantiert traditionelle Spezialitäten und fakultative Qualitätsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse (g. A.-VO 2024/1143) eine Vereinfachung durch die Bündelung der Verfahren (Eintragung, Änderung, Löschung) für alle geografischen Angaben (Wein, Spirituosen und landwirtschaftliche Erzeugnisse / Lebensmittel) in einem einzigen Rechtsinstrument mit harmonisierten Verfahrensvorschriften. 

Zugleich bleibt die Systematik der materiellen Vorschriften mit den Regelungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse / Lebensmittel in der g. A.-VO 2024/1143 selbst und für Wein in der GMO-Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 sowie für Spirituosen in der Verordnung (EU) 2019/787 erhalten.

Die g. A.-VO 2024/1143 behält dabei auch die klassische Schutzeinteilung der geografischen Herkunftsangaben von „geschützte Ursprungsbezeichnung“ (g. U.), „geschützte geografische Angabe“ (g. g. A.) und „geografische Angabe“ (g. A.) bei. Daneben bleiben die Kategorien der „garantiert traditionelle Spezialität“ (g. t. S.) sowie der „fakultativen Qualitätsangabe“ erhalten.

Einheitliches Eintragungsverfahren​

Die verschiedenen Vorschriften zu den Verfahren und zum Schutz geografischer Herkunftsangaben in den drei Sektoren (landwirtschaftliche Erzeugnisse / Lebensmittel, Wein und Spirituosen) werden in einem einzigen, vereinfachten Eintragungsverfahren zusammengefasst. Ob die angestrebte Präzisierung und Vereinfachung der Regelungen an sich und die Straffung der Verfahren (Eintragung, Änderung, Löschung) tatsächlich Früchte trägt, bleibt abzuwarten. Immerhin findet sich diese Zielsetzung aber nicht nur in den Erwägungsgründen, sondern konkret in der g. A.-VO 2024/1143 selbst. Dort wird „eine effiziente und nutzerfreundliche Eintragung von geografischen Angaben unter Berücksichtigung eines angemessenen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums [..]“ als Ziel gesetzt. Konkret wird z. B. die Entscheidungsfrist bei Eintragungsanträgen mit 6 Monaten festgelegt („darf nicht überschreiten“).

Nachhaltigkeit der Produkte​

Auch nimmt die g. A.-VO 2024/1143 den übergreifenden Nachhaltigkeitsansatz der jüngeren EU-Regulierung zur ESG-Compliance auf (siehe zu den ESG-Compliance-Anforderungen auch hier). Erzeuger bzw. konkret Erzeuger­​vereinigungen können bestimmte nachhaltige Praktiken bzw. Verfahren für ihre Erzeugnisse verbindlich vo​r­schrei­​ben. Dies gilt ausdrücklich nicht nur für die eigentliche Erzeugung der Produkte, sondern auch für die Durchführung anderer Tätigkeiten im Produktionsprozess.

Hierbei kann auf eine Vielfalt von Nachhaltigkeitsaspekten abgezielt werden: z.B. Klimaschutz bzw. Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Ressourcennutzung und Schutz von Landschaften, Wasser und Böden, Ü​ber­g​ang zu einer Kreislaufwirtschaft, Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme, schonender Pestizideinsatz, Tierwohl, Förderung lokaler Strukturen, Erhaltung der traditionellen Land­wirt­schaft, Verbesserung von Einkommens- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft und Erzeug­​​nis­verar­bei­tung. 

Die Erzeuger können hierzu freiwillig auch einen überprüfbaren sogenannten “Nachhaltigkeitsbericht“ erstellen. Dieser wird zwar bereits zwingend durch die EU-Kommission öffentlich zugänglich gemacht, kann aber durch weitere Eigenveröffentlichungen die Absatzwerbung für die Erzeugnisse unterstützen. Auch kann, unter gewissen Voraussetzungen, die Werbung mit den einzelnen Nachhaltigkeitsaspekten (siehe auch unsere Artikelserie „Zulässige Green Claims oder unzulässiges Greenwashing?“​) selbst dazu dienen, Umwelt- und Nachhaltigkeitsaussagen als weiteren Wettbewerbsvorteil mit dem der geographischen Herkunft selbst zu verbinden.

Schutz geografischer Herkunftsangaben im Internet​

Die g. A.-VO 2024/1143 erfasst nun auch den Schutz von geografischen Herkunftsangaben im Internet, also Online-Marketing bzw. -Verkauf geschützter Erzeugnisse. Hier liegt eine besondere „neue“ Gefahr für irre­führen­de Praktiken gegenüber Verbrauchern sowie unlauterer Wettbewerbspraktiken mit potenziell großer Reichweite vor. Der Ansatzpunkt der g. A.-VO 2024/1143 ist dabei die Internet-Domain als Zugangspunkt für entsprechende Internetseiten bzw. Online-Plattformen. Diese sind bei Verstößen gegen geografische Angaben-Rechte technisch leicht zu überwachen und eine zeitnahe Sperrung ist ebenfalls möglich.

Schon bisher war ein Vorgehen aus geographischen Herkunftsangaben gegen Domains möglich. Aber die EU sieht vermehrt Risiken aufgrund einer „zunehmenden Nutzung“ von Domains durch Online-Vermittlungs­​dienste, insbesondere von Online-Plattformen, auf denen immer mehr Erzeugnisse mit geografischer Angabe verkauft werden und ermöglicht nunmehr, dass Domains, die unter Verstoß gegen den Schutz geografischer Angaben eingetragen wurden, gesperrt werden können. Damit ist es jetzt für Rechtsinhaber geographischer Angaben möglich, ihre Rechte u. a. bei der Denic geltend zu machen, indem sie etwa einen Dispute-Antrag stellen können. Dieses Recht gilt unionsweit.

Auch Online-Händler werden durch die g. A.-VO 2024/1143 bezüglich der Produkte auf ihrer Plattform in die Pflicht genommen. Verstöße gegen geografische Herkunftsangaben durch Produktwerbung und -verkauf stellen „rechtswidrige Inhalte“ im Sinne des Digital Services Act - VO (EU) 2022/2065​ dar. Somit treffen den Online-Diensteanbieter z. B. bei Kenntnis entsprechende Sperr- bzw. Entfernungspflichten bzw. er kann Adressat behördlicher Anordnungen zum Vorgehen gegen rechtswidrige Inhalte werden.

Schutz geografischer Herkunftsangaben als Zutaten​

Die g. A.-VO 2024/1143 verbessert den Zutaten-Schutz geografischer Herkunftsangaben bei Ver­arbeitungs­er­zeug­​nissen. Eine geografische Herkunftsangabe darf nur dann im Namen (Kennzeichnung, Werbematerial) verwendet werden, wenn
  • kein anderes vergleichbares Produkt enthalten ist (keine Aneignung der bzw. Anlehnung an die geografische Angabe),
  • der wesentliche Charakter durch ein ausreichendes Vorhandensein der Zutat sichergestellt und
  • der Prozentsatz der Zutat auf dem Etikett angegeben ist.

Schutz geographischer Herkunftsangaben und Markenrecht​

Auch im Markenrecht bringt die g. A.-VO 2024/1143 Änderungen und Anpassungen. Die Verordnung stärkt den Schutz geographischer Herkunftsangaben mit der Folge, dass Marken, die solche Angaben enthalten, noch strenger als bisher geprüft werden, damit sie den neuen EU-Vorgaben entsprechen. Im Rahmen der Prüfung der sogenannten absoluten Schutzhindernisse ist dabei zu klären, ob die geographische Herkunftsangabe in der Marke gegen Art. 31, 26 g. A.-VO 2024/1143 verstößt. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Markenbe­​standteil nicht unter die Eintragung der betreffenden älteren geographischen Angabe fällt, also deren Produkt­spezi­fika­tio­nen nicht erfüllt, sondern etwa auch, wenn nur eine Nachahmung oder Anspielung auf die geographische Angabe erfolgt. Dabei hilft es dem Markenanmelder nicht, wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses angegeben wird oder die geschützte Angabe nur als Übersetzung oder mit dem Zusatz wie „à la“, „Typ“, „Verfahren“, „hergestellt wie in“, „Nachahmung“, „Geschmack“ oder „wie“ verwendet wird. Die Prüfung der absoluten Schutzhindernisse ist damit eine hohe Hürde, Schutz für eine Marke mit einer geschützten geographischen Angabe zu erlangen.

Stärkung der Erzeugervereinigungen​

Erzeugervereinigungen und vor allem (mitgliedsstaatlich) anerkannte Erzeugervereinigungen sollen im Rahmen der kollektiven Selbstverwaltung gemäß der g. A.-VO 2024/1143 eine starke Stellung bei der Etablierung und Wahrung der Rechte der geografischen Herkunftsangaben spielen.  So können sie u. a. Nachhaltigkeitsberichte erstellen, Verfahrensanträge (Eintragung, Änderung, Löschung) stellen sowie bei der Gewährleistung des Schutzes geografischer Herkunftsangaben und der Bekämpfung von Verstößen (z.B. wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, Antrag auf zollrechtliche Sicherstellung) selbst tätig werden.

Wettbewerbsvorteile: Wie Ihr Lebensmittelunternehmen von neuen Chancen profitiert​

Die neue g. A.-VO 2024/1143 bietet besonders Lebensmittelunternehmen, die auf den Schutz regionaler Herkunft und traditioneller Produktionsmethoden fokussiert sind, entscheidende Wettbewerbsvorteile. Für Betriebe, die geografische Herkunftsangaben nutzen oder nachhaltig wirtschaften, vereinfacht die Verordnung den Eintragungsprozess erheblich. Das spart Zeit und reduziert bürokratische Hürden, sodass Sie ihre Produkte schneller und effektiver schützen können.

Unternehmen, die auf nachhaltige Praktiken setzen, haben nun noch mehr Möglichkeiten, diese hervorzu­​heben, was das Vertrauen umweltbewusster Kunden stärkt und den Marktwert der Produkte steigern kann. Zudem wird die Rolle der Erzeugergruppen gestärkt, was zu einer effizienteren kollektiven Markenführung führt, und den Unternehmen hilft, ihre regionalen oder traditionellen Produkte besser gegen größere Mitbewerber abzugrenzen.

Wenn Sie als Hersteller regionaler Spezialitäten oder nachhaltiger Lebensmittel den Schutz und die Vermark­tung Ihrer Produkte optimieren wollen, stehen wir Ihnen mit der Expertise von Rödl & Partner zur Seite.​
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