EU-India FTA – Zähes Ringen oder Aufwind?

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veröffentlicht am 5. Mai 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten
 

Im Rahmen des am 8. Mai 2021 stattgefundenen EU-India Summit 2021 beschlossen die EU und Indien bereits die Wiederaufnahme der seit 2013 ruhenden Verhandlungen über ein europäisch-indisches Freihandelsabkommen. Nun, so scheint es, soll ein erster gemeinsamer Arbeitsentwurf folgen. In Zeiten erhöhten Protektionismus ein Hoffnungsschimmer für den freien Welthandel. Deutschland könnte der EU-Mit­glied­staat sein, welcher den größten Zuwachs bei Ex- und Importen mit Indien verzeichnen würde.[1]

 

 
 

Status quo – Was bisher geschah

Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen lagen seit 2013 brach. Der Grund hierfür waren ins­be­son­dere unterschiedliche Positionen im Bereich des Arbeitsmarktzugangs für indische Arbeitskräfte in der EU und hohe durch Indien erhobene Zölle auf Produkte wie Autos, alkoholische Getränke und Käse. Eine erneute An­näherung und beabsichtigte Wiederaufnahme und Intensivierung der europäisch-indischen Gespräche auf politischer Ebene zeigte sich erst wieder auf dem 15. Gipfeltreffen der beiden Partner im Jahr 2020. Anschlie­ßend betonten beide Seiten während des EU-India Summit 2021 nunmehr umso überzeugter, dass Indien und die EU natürliche Partner seien.
 
Indien, als größte Demokratie der Welt sieht sich hierbei zurecht als natürlicher Partner westlicher Demo­kra­tien. Nachdem es im Anschluss jedoch zumindest in der Öffentlichkeit ruhig um die Bekanntgabe nächster Schritte wurde, scheint es nunmehr konkreter zu werden. Übereinstimmenden Berichten zufolge seien sich die EU und Indien darin einig, noch in diesem Jahr im Rahmen von drei Treffen ein Grundkonzept zu erarbeiten auf dessen Basis man dann versuchen wird einen Deal und damit ein Freihandelsabkommen zu schließen.[2] 
 

Europäische Präsenz in Indien – Zahlen, Fakten und Hoffnungen

Insgesamt sind ca. 4500 europäische, wovon ca. 1700 deutsche, Unternehmen auf dem indischen Markt tätig und schaffen damit ca. 6 Millionen direkte und indirekt Arbeitsplätze.[3] Ein Schwerpunkt europäischer An­stren­gungen liegt hierbei in der Planung und Durchführung von Projekten zur Verbesserung der indischen Infra­struk­tur. Werden diese bisher vornehmlich auf nationaler Ebene durchgeführt, ist für die Zukunft eine Bündelung der Vorhaben auf europäischer Ebene geplant. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es hierzu: „Die EU-Indien-Konnek­tivitätspartnerschaft wird geschlossen als Teil der EU-Asien-Konnektivitätsstrategie, mit der die EU regelba­sier­te und nachhaltige Vernetzung in Europa und Asien fördert“.[4] Umso mehr stößt die zeitgleiche Ankündigung Verhandlungen über ein separates Investitionsschutzabkommen, sowie ein Abkommen zum Schutz geo­gra­fi­scher Herkunftsangaben zu beabsichtigen, auf hohe Erwartungen. Die EU ist bereits jetzt größter Auslands­in­ves­tor Indiens. Eine Ratifizierung der angestrebten Abkommen dürfte das bestehende Investitionsvolumen daher weiter anwachsen lassen. Eine Verdoppelung des bilateralen Handelsvolumens auf 220 Milliarden Dollar sei möglich.[5] Laut einer Studie des EU-Parlaments aus dem 2020 Jahr könnte ein Handelsabkommen mit einem Abbau von rund 90 Prozent der Zölle für beide Seiten einen Mehrwert von 8 Mrd. bis 8,5 Mrd. Euro bedeuten.[6] 
 

Warum die plötzliche Eile?

Indien war in der Vergangenheit durchaus dafür bekannt – trotz der Bemühungen Indien zu einem Global Manufacturing Hub auszubauen, sowie ausländische Investitionen zu erleichtern – im Prinzip weiterhin eine eher protektionistische Haltung einzunehmen, was den heimischen Markt anbelangt. Die jetzige „Öffnung“ zum Abschluss eines Freihandelskommen dürfte in der Gesamtschau durch drei wesentliche Faktoren beeinflusst worden sein:
  1. Die Supermacht: Insbesondere die immer hervorgehobenere Rolle Chinas auf dem Weltmarkt dürfte als treibende Kraft für die gezeigten Bemühungen anzusehen sein. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei sicherlich Chinas Seidenstraße-Initiative, durch die weltweit Großvorhaben finanziert und unterstützt werden. Welchen wirtschaftliche Einfluss dies auf dem Weltmarkt hat zeigt ein Vergleich der Handelsvolumen. Das derzeitige Handelsvolumen der EU mit Indien beträgt 65 Milliarden Euro. Beachtlich, aber um ein vielfaches weniger als die 586 Milliarden Euro Handelsvolumen zwischen der EU und China.[7] Das auch die EU dieser Entwicklung nicht nur positiv gegenüber steht zeigt die europäische Initiative „Global Gateway“, die als europäische Antwort auf die Chinesische Seidenstraße geplant ist.[8]
  2. Das ehemalige Mitglied: Auch Großbritannien verhandelt derzeit mit Indien über ein Freihandelsabkommen. 2020 betrug das Handelsvolumen zwischen Großbritannien und Indien 23 Milliarden Pfund.[9] Das Ziel sei es dies bis 2030 zu verdoppeln. Großbritannien steht vor den gleichen Hürden wie die EU – Immigration und Zölle. Sie scheinen beim Thema Immigration gewillt zu sein sich Indien anzunähern. Die EU auch? Das zumin­dest lässt das abschließende Joint Statement[10] des EU-India Summit unter Punkt 24 annehmen, in dem die Kooperationsabsicht in verschiedenen Migrationsrelevanten Bereichen erklärt wird.
  3. Das gesteigerte Interesse Indiens: Indien verhandelte in der Vergangenheit nicht nur mit der EU und mit Großbritannien über Freihandelsabkommen, sondern auch mit Kanada, Israel, dem Golfkooperationsrat, den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Australien. Aufgrund des gegenseitigen Entgegenkommens wurden die Verhandlungen mit zwei Partnern bereits abgeschlossen. Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (CEPA)[11] wurde im Februar 2022 und mit Australien (IndAus ECTA)[12] Anfang April erfolgreich ein Freihandelsabkommen geschlossen. Interessant für die EU dürfte hierbei sein, dass im Rahmen des ECTA auch niedrigere Import­zölle auf australischen Wein vereinbart wurden. Die hohen Einfuhrzölle auf europäischen Alkohol waren 2013 einer der Streitpunkte gewesen. Man könnte also vorsichtig optimistisch von einem veränderten indischen Ansatz sprechen, wenn es um den bisherigen indischen Protektionismus geht. 
 

Ungewisser Ausgang

Das Indien und die EU erneut einen weiteren Schritt hin zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes gegangen sind ist vielversprechend und lässt hoffen, dass das bestehende „ungenutzte Potenzial“, wie Kommissions­prä­si­dentin von der Leyen anmerkte, ausgeschöpft werden wird. Erste Projekte sollen hierbei im Bereich der Entwicklung künstlicher Intelligenz stattfinden.[13] 
 
Es bleibt abzuwarten ob die damaligen Differenzen einer erneuten Lösung, für noch immer bestehende Fragen, wie der Regelung gegenseitigen Marktzugangs und dessen Hürden entgegenstehen werden. Wie verhält sich zum Beispiel das Regierungsprogramm „Make in India“ oder die 2020 eingeführte Kampagne „Atmanirbhar Bharat“, mit einer vereinfachten Öffnung der indischen Märkte für nicht indische Produkte? Ob eine Um­set­zung der gemeinsamen Ziele in diesem „Zweiten Anlauf“ erfolgen wird, wird sich zeigen. Auch die zeitliche Komponente dürfte hierbei Interessant sein. Eine Absicht zu bekunden ist eine Sache. Viele spanender ist die Frage, wann und wie die tatsächliche Umsetzung erfolgen wird. 
 

Aussichten für deutsche Unternehmen

Deutschland, schon jetzt wichtigster Handelspartner Indiens in der EU, könnte hierbei mit einem potenziellen Wohlfahrtsgewinn von bis zu 2,2 Milliarden Euro rechnen und führt das Feld der EU-Staaten an, wenn es um den zu erwartenden Anstieg von Ex- und Importen geht.[14] 
 
Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung[15] wird ein potenzielles Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien nicht auf alle EU Mitgliedsstaaten und Sektoren gleich gute Auswirkungen haben. Eine Steigerung des deutschen Bruttoinlandsprodukts um bis zu 4 Milliarden Euro erscheint hiernach aber möglich. Die bereits jetzt stark vertretenen Branchen der Automobilindustrie und des Maschinenbaus dürften Ihre führende Rolle daher behalten. 
 
Das Indien grundsätzlich daran interessiert ist deutsche Unternehmen, insbesondere deutsche mittelständige Unternehmen nach Indien zu holen zeigt die Initiative „MIIM – Make in India Mittelstand“. 
 
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