Beteiligungsbewertung bei Family Offices

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veröffentlicht am 7. Februar 2023 / Lesedauer ca. 4 Minuten

Herausforderungen bei der Analyse von Unternehmensplanungen in stürmischen Zeiten

Die Asset-Klasse „Private Equity/Venture Capital" gewinnt für Family Offices neben den „klassischen" Kapitalmarkt-Anlagen an Bedeutung. Das regelmäßige Reporting zu Unternehmenswerten von Direktinvestments ist Grundlage für die Erfolgs- und Risikokontrolle des Family Office. Unabhängig von dem angewendeten Regelwerk ist die Bestimmung von Zeitwerten in Krisenzeiten besonders schwierig. Gerade bei die Erstellung und Plausibilisierung von Unternehmensplanungen als Basis für die Zeitwertbestimmung sind die derzeitigen Herausforderungen hoch. 

  

  

Bewertung anhand anerkannter Standards

Eine erste Orientierung zum Umgang mit den erhöhten Risiken können Bewertungsstandards und Verlautbarungen von Standardsettern geben. Hilfestellung bieten z.B. die Guidelines der „European Private Equity and Venture Capital Association" (EVCA), die „International Private Equity and Venture Capital Valuation" (IPEV)-Guidelines sowie in Deutschland die „Verlautbarungen und Praxishinweise des Fachausschusses für Unternehmensbewertung" (FAUB) des Instituts der Wirtschaftsprüfer oder das „Fachgutachten KFS/BW 1" in Österreich.

 

So bezieht sich bspw. die letzte Aktualisierung der IPEV-Guidelines aus Dezember 2022 auch auf aktuelle Entwicklungen und erweitert die Empfehlungen auf Bewertungen von Unternehmen in notleidenden Märkten.

Nachfolgend werden aktuelle Analysefelder bei Unternehmensplanungen von Portfoliounternehmen als Basis für fundamentalanalytische Bewertungsmethoden und Multiplikatorverfahren skizziert. Dabei wird auch Bezug auf Empfehlungen in Standards wie dem IPEV, auf Stellungnahmen des FAUB vom IDW in Deutschland sowie des Fachgutachtens KFS/BW 1 in Österreich genommen. 

 

Auswirkungen aktueller Unsicherheiten auf Unternehmensplanungen

Die aktuelle Situation unterscheidet sich in ihrem Ausmaß von der Covid-19-Krise: Sie hatte u.a. gesundheitspolitische Auswirkungen und eine kurz- bis mittelfristige Erholung vieler Branchen auf das Vor-Corona-Niveau wurde erwartet. Einige Branchen haben sogar von Covid-19 profitiert, z.B. der Onlinehandel, Logistikunternehmen, Lieferdienste und Softwareunternehmen. Allerdings ergeben sich nun in Kombination mit dem Ukrainekrieg geopolitische sowie makro- und mikroökonomische Auswirkungen in größerem Ausmaß.

Nicht nur Unternehmen mit Geschäftsaktivitäten in Russland, in der Ukraine und/oder in Belarus sind von den aktuellen Entwicklungen betroffen, sondern es resultieren auch noch systemische Risiken bspw. aus

  • Engpässen in der Beschaffung aufgrund einer Beeinträchtigung von Lieferketten,
  • dem historisch höchsten Anstieg der Inflation nach dem zweiten Weltkrieg in weiten Teilen der Welt u.a. mit Preissteigerungen auf Energie und Rohstoffpreise in zweistelliger und teilweise dreistelliger Höhe,
  • Steigerungen des Zinsniveaus und der Refinanzierungskonditionen aus Veränderungen von Wertschöpfungsketten mit Anpassungen von Absatz- und Beschaffungsmärkten,
die sich auf viele Branchen in vielen Ländern in unterschiedlicher Intensität auswirken.
Die Bandbreite der möglichen Ausprägungen künftiger Zahlungsströme nimmt dadurch deutlich zu. Die Aussagen von Standardsettern wie das Fachgutachten KFS/BW 1 oder der FAUB des IDW sind eindeutig: Solche Unsicherheiten sind demnach in den Unternehmensplanungen und nicht über pauschale Risikozuschläge in den Kapitalkosten abzubilden.
 
Dabei ist einerseits zwischen kurzfristigen und mittelfristigen Effekten, bspw. den direkten Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und den unmittelbaren Wirtschaftssanktionen der westlichen Länder gegen Russland (und teilweise gegen Belarus), sowie den mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die globale Wirtschaftsordnung andererseits zu unterscheiden.
 
Nachfolgend sind wesentliche Analysefelder aufgeführt, die bei der Beurteilung von Cash Flow-Planungen in mehr oder weniger größerem Ausmaß von Relevanz sein könnten: 
 

   

Insbesondere die Auswirkungen der hohen Kosteninflation betreffen derzeit weite Teile der Wirtschaft. Eine Einschätzung zur Fähigkeit der Portfoliounternehmen, Preissteigerungen an Kunden und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen weitergeben zu können, die sog. „Pricing Power", sollte daher Bestandteil einer jeden Unternehmensbewertung sein (vgl. hierzu auch Meitner/Prengel Bewertungspraktiker 04/22 S. 106 ff.).

 

Analysen zur Pricing Power können neben fundamentalanalytischer Techniken wie strukturierten Managementinterviews, Kunden- und Lieferantenvertragsanalysen u.a. auch mittels quantitativer Techniken erfolgen. Die einfachsten quantitativen Analysen zur Kosten-Umsatz-Verbindung betreffen die Höhe der Bruttomarge im Branchenvergleich (umso höher, umso größer der Pricing Power) und die Stabilität der Bruttomarge, gemessen anhand der historischen Volatilität im Branchenvergleich (ebenfalls umso höher die Bruttomarge bzw. je geringer die Volatilität, umso größer der Pricing Power). Ebenso einfach ist ein reiner Vergleich der operativen und der Bruttomargen zwischen dem Jahr 2019 (dem letzten Pre-Corona Jahr) und dem Jahr 2021 bzw. sofern möglich „Last Twelve Months" (LTM)-Margen für aktuelle Zeitpunkte. Seit 2019 hat sich auf breiter Basis das wettbewerbliche und das inflatorische Umfeld verändert. Entwicklungen der operativen und Bruttomarge über die Zeit sind ein Indikator für die Fähigkeiten des Unternehmens zur Überwälzung von Inputkostenanstiegen.

 

Anwendung von Szenario- und Simulationsrechnungen

Unabhängig von den getroffenen Annahmen zur Bestimmung künftiger Cash Flows sollten nicht nur einwertige Planungen zur Bestimmung von Erwartungswerten zur Anwendung kommen. Insbesondere Szenariotechniken helfen, mögliche Bandbreiten von Zukunftsentwicklungen zu modellieren und Planungen zu Erwartungswerten zu verdichten. So empfehlen der FAUB des IDW in ihrem fachlichen Hinweis vom 20. März 2022 zu den Auswirkungen des Ukraine Kriegs auf Unternehmensbewertungen und die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in dem fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf Unternehmensbewertungen vom 20. April 2022 die Anwendung von Szenarioanalysen.

 

Es bietet sich an, bei Unternehmen mit unmittelbarem Russland/Ukraine oder Belarus Bezug, Szenarien zum weiteren Verlauf der Sanktionen sowie zur militärischen und politischen Entwicklung auszuarbeiten. Die Szenarien können von einer Enteignung bzw. Liquidation der Geschäftsaktivitäten bis hin zu einer Fortführung, unter der Annahme von sich mittelfristig wieder beruhigenden politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, reichen. Darüber hinaus können auch Szenarien im Hinblick auf eine mögliche Entflechtung dieser Märkte mit der Folge der Abbildung neuer Wertschöpfungsketten bspw. neuer Beschaffungs- oder Absatzmärkte modelliert werden.

 

In den Fällen, in denen das Portfoliounternehmen keine direkten Verbindungen mit der Ukraine und Russland hat, sind ggf. mittelbare Effekte zu analysieren, die sich u.a. in steigenden Rohstoff- und Energiepreisen, dem Grad der Überwälzbarkeit von Preissteigerungen bzw. Annahmen zur Pricing Power, Zins- und Wechselkursschwankungen und einem sich ändernden Konsumentenverhalten sowie Lieferantenstrukturen manifestieren können. Dafür bieten sich neben Szenarioanalysen auch simulationsbasierte Bewertungsansätze an. Hierbei werden Zukunftsszenarien abgebildet, bei denen kritische Parameter, bspw. die Entwicklung von Energiepreisen oder der Grad der Überwälzbarkeit von Preissteigerungen anhand von Verteilungsannahmen, variiert und auf der Basis Erwartungswerte modelliert werden. Auch Insolvenzrisiken können unmittelbar berücksichtigt werden.

 

Eine vereinfachende Herangehensweise könnte auch darin bestehen, ausgehend von der letzten Bewertung des Portfoliounternehmens vor Beginn des Ukrainekriegs, Abschläge vom Unternehmenswert in Form von Szenariorechnungen festzulegen, indem eine Gewichtung eines Ausfallszenarios und eine Gewichtung des Ausgangswertes vorgenommen wird. Die Abschläge vom Ausgangswert können dann auch über Marktwertveränderungen börsennotierter Vergleichsunternehmen seit dem 31. Dezember 2021 plausibilisiert werden (vgl. analog hierzu den Vorschlag von IPEV bei der Festlegung von Multiplikatoren in Zeiten von Marktverwerfungen, vgl. IPEV Valuation Guidelines 2022, S.49). 

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