Aktuelle Entscheidung des OLG Koblenz zeigt: Widerruf von Einwilligung in die Nutzung persönlicher Bilder nur im Ausnahmefall möglich

PrintMailRate-it

​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 17. September 2024 |​​ Lesedauer​ ca. 4 Minuten​
   

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt das sogenannte Recht am eigenen Bild, wonach jedem die Verfügung über sein eigenes Bildnis zusteht. In die Nutzung durch Dritte kann der Abgebildete einwilligen. Ein Hinweisbeschluss des OLG Koblenz verdeutlicht, dass solche Einwilligungen nach dem Kunst-Urheberrechtsgesetz (KUG) grundsätzlich bindend sind. Hierbei prüfte es auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).​
  
 ​   ​  ​​​​
​Recht am eigenen Bild: Erlaubte Bildnutzung nach dem KUG und der DSGVO?​
Das sogenannte Recht am eigenen Bild ist eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das aus Art. 1 und 2 Grundgesetz (GG) abgeleitet wird. Es unterfällt damit als „sonstiges Recht“ auch dem Schutz des § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Weiterhin wird es durch §§ 22 ff. KUG geschützt, nach dem Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen.
  
Das Recht am eigenen Bild beruht auf dem Gedanken, dass nur dem Abgebildeten die Verfügung über das eigene Bild zustehen soll. Zu seinen geschützten Interessen gehört auch das vermögenswerte Interesse an der kommerziellen Verwertung seines Bildnisses. Dennoch besteht kein Anspruch darauf, nur so dargestellt zu werden, wie sich der Abgebildete selbst sieht oder gesehen werden möchte.
  
Zugleich sind Personenbildnisse als personenbezogene Daten auch von der DSGVO erfasst. Art. 6 DSGVO regelt, wann eine Datenverarbeitung, wozu auch die Nutzung von Personenbildnissen gehört, rechtmäßig ist. Art. 17 DSGVO sieht ein Recht auf Löschung bei Vorliegen der dort genannten Gründe vor. Weitere Rechte sind in den Art. 12-23 DGSVO geregelt.
  
DSGVO und KUG enthalten jedoch unterschiedliche Voraussetzungen der rechtmäßigen Nutzung, sodass sich die Frage stellt, welches Gesetz wann anwendbar ist. Im medienrechtlichen Bereich – also beispielsweise bei der Veröffentlichung von Bildnissen in Zeitungsartikeln – gelten die Vorschriften des KUG vor denen der DSGVO (Art. 85 Abs. 2 DSGVO). Unklar ist allerdings, ob diese Vorschrift so auszulegen ist, dass der Vorrang des KUG auch bei Bildveröffentlichungen zu anderen Zwecken gilt, z. B. der Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung von Unternehmen. Wenn nicht, ginge die DSGVO vor und das KUG müsste in Bezug auf diese Zwecke an die DSGVO angepasst werden, was Rechtsunsicherheit und Abgrenzungsprobleme zur Folge hätte. Dies spricht dafür, dass das KUG die DSGVO auch in solchen Fällen verdrängt. Der kürzlich ergangene Hinweisbeschluss des OLG Koblenz enthält ähnliche Erwägungen. Eine abschließende Entscheidung durch den EuGH bleibt jedoch abzuwarten.
   

OLG Koblenz: Kein wirksamer Widerruf von Einwilligung in YouTube-Veröffentlichung​

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hat die Beklagte mehrere Videos auf ihrem YouTube-Kanal veröffentlicht, in dem der Kläger zu sehen ist. Zum Zeitpunkt des Entstehens der Videos standen die Parteien in einer Geschäftsbeziehung zueinander. Im Rahmen eines Seminars der Beklagten unterzeichnete der Kläger eine Einwilligungserklärung zur Nutzung des Bildnisses seiner Person, insbesondere zu Werbezwecken im Internet und den sozialen Medien. Im darauffolgenden Jahr widerrief der Kläger diese Einwilligungserklärung aufgrund des nunmehr zwischen den Parteien bestehenden wesentlichen Konkurrenzverhältnisses und forderte die Beklagte zur Löschung der YouTube-Videos auf. Als die Beklagte dem nicht nachkam, reichte er eine entsprechende Klage ein.
  
Nach dem nunmehr vom OLG Koblenz erlassenen Hinweisbeschluss beabsichtigt dieses, die Klage mangels Widerrufsmöglichkeit zurückzuweisen (OLG Koblenz, Hinweisbeschluss v. 31.07.2024 – 4 U 238/23):
  
Es nahm neben der unterzeichneten Einwilligungserklärung auch eine konkludente Einwilligung des Klägers an, die sich aus den Gesamtumständen ergebe. Trotz Kenntnis der Geschäftspraxis der Beklagten, Gespräche mit Kunden auf Veranstaltungen auf ihrem YouTube-Kanal zu veröffentlichen, habe der Kläger sich auf ebendiesen filmen und interviewen lassen.
  
Der Kläger habe diese Einwilligung nicht wirksam widerrufen. Einwilligungen nach § 22 S. 1 KUG seien nur dann ausnahmsweise nicht bindend, wenn sich die innere Einstellung des Betroffenen nachweislich geändert habe und dadurch dem Persönlichkeitsrecht Vorrang gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit und Vertragstreue einzuräumen sei. Dann müssten aber wichtige Gründe für den Einwilligungswiderruf vorliegen. Solche seien hier nicht vorgetragen worden. Die Berufung auf ein nunmehr bestehendes Konkurrenzverhältnis der Parteien ließ das Gericht nicht ausreichen.
  
Das Recht auf Löschung personenbezogener Daten nach Art. 17 Abs. 1 lit. b DSGVO bestehe ebenfalls nicht, da es neben der – im Übrigen nicht wirksam widerrufenen – Einwilligung mit Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b DSGVO eine weitere Rechtsgrundlage für diese Verarbeitung gebe., Das Gericht sah in der hiesigen Geschäftsbeziehung, in deren Zusammenhang die Videos produziert und veröffentlicht worden waren, ​eine Verarbeitung für die „Erfüllung eines Vertrags“.
  
Im Übrigen spreche die Einheitlichkeit der Rechtsordnung dafür, dass das KUG den Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO auch in Fällen ohne konkreten medienrechtlichen Bezug verdränge.
  
Ansprüche aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 2 BGB kämen indes aufgrund des abschließenden Charakters der DSGVO bei Regeln gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht in Betracht.​
  

Key Points:

  • Die Einwilligung des Abgebildeten zur Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung von Bildnissen (§ 22 S. 1 KUG) kann auch konkludent erteilt werden.
  • Diese Einwilligung ist nur ausnahmsweise bei wichtigem Grund widerrufbar.
  • Dies ergibt sich aus dem Prinzip der Rechtssicherheit und Vertragstreue. Ein wichtiger Grund kann vorliegen, wenn dem Persönlichkeitsrecht Vorrang gegenüber diesem Prinzip einzuräumen ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sich die innere Einstellung des Betroffenen nachweislich geändert hat.
  • Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b DSGVO, nach der Daten zur „Erfüllung eines Vertrages“ verarbeitet werden dürfen, ist weit auszulegen: Erfasst sind jedwedes rechtsgeschäftlich oder rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis und auch vertragsähnliche Konstellationen (z. B. Geschäftsbeziehungen).
  • Die Einheitlichkeit der Rechtsordnung spricht dafür, dass das KUG den Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO auch in Fällen ohne konkreten medienrechtlichen Bezug verdrängt.
  • Die DSGVO ist abschließend, sodass bei Regeln gegen die Verarbeitung ​
  

Vorsicht bei der Einwilligung in Bild-, Video- und Tonaufnahmen​​​

Der Hinweisbeschluss verdeutlicht die Bindungswirkung von Einwilligungserklärungen in Bezug auf das Recht am eigenen Bild. Beachtet werden sollte dabei insbesondere, dass solche Einwilligungen auch stillschweigend erteilt werden können und keine schriftliche Unterzeichnung benötigen.
  
Unternehmen sollten deshalb stets darauf achten, ob ihnen bei Bild-, Video- oder Tonaufnahmen, die sie anfertigen oder nutzen, eine schriftliche Einwilligung des Abgebildeten vorliegt oder jedenfalls konkludente Einwilligung angenommen und begründet werden kann. Besondere Vorsicht sollte man bei Abbildungen von Mitarbeitern walten lassen, hier ist eine schriftliche Dokumentation einer wirksamen Einwilligung essentiell.
  
Sollten Abgebildete einer Verwertung ihrer Bildnisse widersprechen, sind Unternehmen gehalten, die Rechtsfolgen sorgfältig zu prüfen, um sich nicht einer Abmahnung oder Klage des Abgebildeten ausgesetzt zu sehen.
  
Aus Sicht des Rechtsinhabers sollte die Aufnahme des eigenen Bildnisses vermieden oder einer Verwertung ausdrücklich widersprochen werden, wenn eine rechtmäßige Veröffentlichung verhindert werden soll. Wird eine Aufnahme dennoch veröffentlicht, sollten sich Betroffene dagegen zur Wehr setzen.
Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu