Urheberrechtliche Zulässigkeit von Adblockern – was der BGH dazu sagt

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 26. Juni 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Die Debatte um Adblocker geht in die nächste Runde: Nachdem bereits 2018 höchst­richterlich über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Adblockern entschieden wurde, steht nun das Urheberrecht im Fokus. Am 25. Juli 2024 verhandeln die Karlsruher Richter über mögliche Ansprüche aufgrund der unberechtigten Umarbei­tung eines Computerprogramms im Sinne des § 69c Nr. 2 UrhG durch den Einsatz von Adblockern.


 

Hintergrund des Verfahrens

Der Rechtsstreit zwischen den Entwicklern von „Adblock Plus“ und einem großen Verlagskonzern beschäftigt die deutschen Gerichte bereits seit über acht Jahren. 
 
Werbeblocker wie „Adblocker Plus“ sind – meist – kostenlose Browser-Erweiterungen, die speziell für Content-Filtering und Werbeblockierung entwickelt wurden. Die Software blockiert Pop-Ups, Werbevideos und sonstige Werbebanner und bietet dabei optional die Möglichkeit, sogenannte „Acceptable Ads“ anzuzeigen bzw. sog. Whitelists zu erstellen. 
 
Konkret sorgt „Adblock Plus“ in zwei Varianten dafür, dass als Werbung erkannte Elemente nicht auf dem Bildschirm des Nutzers er​scheinen:
  1. Der Abruf von Inhalten von Adservern wird nicht durch den Browser ausgeführt, d.h. die Ausführung von Anweisungen der Webseitenprogrammierung an den Browser wird verhindert.
  2. Beim „Element Hiding“ wird ein in den Arbeitsspeicher des Nutzers geladenes Werbeelement nicht auf dem Monitor angezeigt.
  
Betroffene kritisieren daran auch das kostenpflichtiges „Whitelist“-Verfahren. Es würde sich bei dem Geschäft mit den Werbeblockern um „erpresserische Praktiken“ handeln, die den Online-Journalismus insgesamt gefähr­den. Vor Gericht hatten die Verlagskonzerne mit ihren wettbewerbsrechtlichen Argumenten bislang jedoch wenig Erfolg. Auch eine gegen das Urteil des OLG Köln (OLG Köln, Urteil v. 24.06.2016 – 6 U 149/15) eingelegte Revision beim BGH blieb erfolglos. In seiner Entscheidung „Werbeblocker II“ bestätigte der BGH nicht nur die Rechtmäßigkeit der Adblock-Software, sondern hob auch die Einstufung des Whitelisting als „aggressive Praktik“ auf. Die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) und Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) änderten nach Ansicht des BGH nichts daran, dass keine wettbewerbsrechtlich Behinderung bestehe. Eine daraufhin einge­legte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht erst gar nicht zur Entscheidung ange­nommen, sodass sich der Verlagskonzern nun stattdessen auf die urheberrechtliche Zulässigkeit konzentriert – anstatt sich, wie vom BGH zuvor empfohlen, „den Herausforderungen des Marktes zu stellen“.

Urheberrechtliche Zulässigkeit von Adblockern

Was ist dran an der vermeintlichen urheberrechtlichen Unzulässigkeit von Adblockern? Konkret geht es darum, ob die Adblock-Software die jeweilige Webseitenprogrammierung umarbeitet bzw. vervielfältigt und damit gegen Urheberrecht verstößt.
 
 
Die maßgeblichen Vorschriften lauten auszugsweise: 

§ 69a Abs. 1 und 2 UrhG
(1) Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.
​(2) Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundelie­genden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt. […]
§ 69c Nr. 2 UrhG
Der Rechtsinhaber hat das ausschließliche Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten: […]
2. die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse. Die Rechte derjenigen, die das Programm bearbeiten, bleiben unberührt; […]
 
 
Die Klägerin argumentiert, dass es sich bei der Programmierung ihrer Webseiten um Computerprogramme im Sinne des § 69a Abs. 1 UrhG handele, an denen ausschließlich ihr selbst Nutzungsrechte zustünden. Durch den Einsatz von Adblockern würden die Programmiercodes von Webseiten verändert und damit direkt ihr rechtlich geschütztes Verlagsangebot eingegriffen. Die Beeinflussung der Datenstrukturen durch Adblocker sei eine unberechtigte Umarbeitung eines Computerprogramms i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG. 
 
Das Landgerichts Hamburg hat die Klage zunächst abgewiesen (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 14. Januar 2022 - 308 O 130/19). Nach Ansicht der 8. Zivilkammer liege weder eine unberechtigte Vervielfältigung i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG noch eine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG vor. Wer eine Webseite bereitstelle – so das LG Hamburg – erkläre sich damit einverstanden, dass die entsprechenden Programme von den Servern des Webseitenbetrei­bers abgerufen und im Arbeitsspeicher des Nutzers abgespeichert würden. Zwar greife der Adblocker in die Darstellung der Inhalte ein, die übertragenen HTML-Dateien selbst würden bei dem Prozess allerdings nicht geändert. Lediglich die vom Browser daraus erzeugten Datenstrukturen würden anders dargestellt als vom Urheber beabsichtigt. Dies stelle einen Eingriff in den Programmablauf, nicht jedoch einen Eingriff in die Programmsubstanz – und damit keine Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG – dar. Eine Auslegung, die bereits eine Veränderungen des Programmablaufs als Umarbeitung i.S.d. § 69c Nr. 2 UrhG wertete, würde letztlich dazu führen, dass jede durch Dritte vorgenommene Steuerung der Softwarefunktionen zustimmungsbedürftig wäre. Dem steht das von der Richtlinie 2009/24/EG (Erwägungsgrund 15) verfolgte Ziel entgegen, die Verbindung und das Zusammenwirken aller Elemente eines Computersystems zu ermöglichen. Solange ein Nutzer die Programmsubstanz nicht verändere, stehe es ihm frei zu entscheiden, ob und wie er ein legal erworbenes Programm ausführe (so auch schon OLG Köln, Urteil v. 24.06.2016 – 6 U 149/15). 
 
Das OLG Hamburg sah dies ähnlich – die Berufung gegen das Urteil des LG Hamburg hatte damit ebenfalls keinen Erfolg (OLG Hamburg, Urt. v. 24.08.2023 – 5 U 20/22). Das Gericht bestätigte, dass mangels Eingriffs in die Programmsubstanz keine Verletzung des Urheberrechts vorliege. Es sei bereits fraglich, ob die beim Abrufen einer Internetseite an den Nutzer übermittelten Dateien überhaupt als Computerprogramme im Sinne von § 69a UrhG zu betrachten sind. Jedenfalls erfolge bei der Nutzung eines Adblockers keine unberechtigte Vervielfälti­gung im Sinne von § 69c Nr. 1 UrhG, da die HTML-Dateien und weitere Elemente mit (konkludenter) Zustim­mung des Webseitenbetreibers in den Arbeitsspeicher des Nutzer geladen würden. Ebenfalls erfolge durch die Nutzung eines Adblockers auch keine Umarbeitung der im Arbeitsspeicher gespeicherten Daten, da der Adblo­cker lediglich Auswirkungen auf den Programmablauf habe, nicht aber in die Programmsubstanz eingreife. 
 
Damit folgt das OLG Hamburg den bislang ergangenen Entscheidungen zum Thema Adblocker. Final verloren ist das Verfahren für den Verlagskonzern jedoch noch nicht. Nun hat erstmals der I. Zivilsenat des Bundesge­richtshofs über die Sache zu entscheiden. 
 
Klar ist: Hätte die Klage vor dem BGH dieses Mal Erfolg, wäre mit erheblichen Auswirkungen auf die derzeitige Nutzung des Internets insgesamt zu rechnen. Denn von der urheberrechtlichen Unzulässigkeit könnten dann nicht nur Adblocker, sondern auch jede Anti-Tracking Software oder sonstige Privacy-Tools betroffen sein.
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