Auslandseinsätze im Spannungsfeld der Rechtsgebiete

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veröffentlicht am 25. April 2019
von Susanne Hierl


Grenzüberschreitende Mitarbeitereinsätze sind für international agierende Unternehmen ein unerlässliches Steuerungsinstrument – sei es zum Austausch von Expertisen, dem Aufbau eines weiteren Standorts oder der Erfüllung von Verträgen mit Kunden im Ausland. Dabei gilt es, verschiedene Rechtsgebiete zu beachten. Das ist in Bezug auf den Mitarbeiter nicht nur das Aufenthalts-, sondern auch das Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht. Und das u.U. sowohl im Heimat- als auch im Einsatzland.


  

Den Überblick über die zu beachtenden Rechtsgebiete und die im Vorfeld zu treffenden Maßnahmen zu behalten war schon immer komplex, erhielt aber durch verschiedenste Änderungen auf nationaler und europäischer Ebene eine weitere Dimension – z.B. durch die Alpenrind Entscheidungen des EuGH (Urteil vom 6. September 2018, Az. C-527/16), die das sog. Ablöseverbot zum Gegenstand hatten. Dazu hatte der EuGH entschieden, dass das Ablöseverbot derart auszulegen ist, dass ein Verstoß auch bei einer Entsendung durch verschiedene Arbeitgeber vorliegt. Das Verbot ist nicht eingeschränkt auf einen Arbeitgeber zu verstehen, der wiederholt einen Arbeitsplatz im Ausland mit wechselweise entsandten Arbeitnehmern besetzt. Der EuGH hält es allein für maßgeblich, ob ein entsandter Arbeitnehmer einen anderen entsandten Arbeitnehmer ablöst und beide für die gleiche Tätigkeit eingesetzt werden.

In diesen Fällen zeigte sich, dass die meisten Unternehmen inzwischen sowohl die Beantragung von A1 Bescheinigungen ab dem ersten Tag der Auslandsreise als auch die Meldepflichten bei grenzüberschrei­tenden Mitarbeitereinsätzen gut in ihre Compliance-Struktur integrieren und interne Prozesse zur Sicherstellung der Einhaltung dieser gesetzlichen Anforderungen geschaffen haben. Dennoch besteht nun ein neues Themenfeld, das erhöhter Aufmerksamkeit bedürfen wird.


Neuerungen durch die Entsenderichtlinie und deren Auswirkungen auf die Praxis

Eine weitergehende Zersplitterung zwischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht als es bisher der Fall war, wird innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz in Kürze zu beobachten sein – dann, wenn die neue Entsenderichtlinie 2018/957/EU 8 umgesetzt wurde. Stichtag dafür ist der 30. Juli 2020. Nach Umsetzung der Richtlinie in nationales Gesetzesrecht wird auf einen im Ausland eingesetzten Mitarbeiter für die Dauer von zwölf Monaten, höchstens verlängerbar um weitere sechs Monate, noch das Arbeitsrecht des Heimatlandes Anwendung finden. Nach Ablauf der 18 Monate gilt dann das Arbeitsrecht des Einsatzlandes. Im Hinblick auf den Verbleib im heimatlichen Sozialversicherungssystem gelten bei einer Entsendung gem. Art 12 der VO (EG) 883/2004 max. 24 Monate die Sozialversicherungsvorschriften des Heimatlandes. Nach Ablauf der 18 Monate kann es also dazu kommen, dass ein im Ausland eingesetzter Mitarbeiter dann zwar noch den Vorschriften der heimatlichen Sozialversicherung (Entsendung), nicht aber dem heimatlichen Arbeitsrecht unterfällt.

Ausgenommen sind davon die Vorschriften zu Verfahren, Formalitäten und Bedingungen für den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrages einschließlich Wettbewerbsverboten sowie zusätzliche betrieb­liche Altersversorgungssysteme. Hier verbleibt es bei den Bestimmungen des heimischen Arbeitsvertrages.

Für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in Deutschland einsetzen wollen, bedeutet die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts im Grundsatz mithin auch, dass der Arbeitsvertrag an den Maßstäben der §§ 305 ff. zu messen ist und der sog. AGB-Kontrolle standhalten muss. Selbstverständlich gilt die Anwendung des Arbeitsrechts des Einsatzlandes nicht schrankenlos. Sie findet dort ihre Grenze, wo die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des jeweiligen Arbeitsvertrags günstiger sind. Pauschale Betrachtungen verbieten sich also an dieser Stelle und werden zu großen Herausforderungen für die mit der Planung der Auslandstätigkeit befassten Abteilungen werden.

Um missbräuchliche Umgehungen des Geltungszeitraums zu verhindern, sieht die Richtlinie ebenfalls ein dem Art. 12 der VO (EG) 883/2004 entsprechendes Instrument des Ablöseverbots vor. Das bedeutet, dass, wenn ein Mitarbeiter einen anderen ersetzt und dieser die gleiche Tätigkeit am gleichen Ort ausführt, beide Entsende­zeiträume zusammengerechnet werden müssen. In der Konsequenz heißt das für jedes Unternehmen, dass der Einsatz von Mitarbeitern noch zielgerichteter überwacht werden muss, um entsprechend planen, reagieren und die Einhaltung der Verpflichtungen sicherstellen zu können. Insbeson­dere der Einsatz von Monteuren wird besonders kritisch überwacht werden müssen.

Das deutsche Nachweisgesetz verlangt, dass einem länger als einen Monat im Ausland eingesetzten Mitarbeiter eine Niederschrift über bestimmte Arbeitsbedingungen gegeben werden muss. Dazu gehören auch zusätzliches, mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes Arbeitsentgelt und damit verbundene zusätzliche Sachleistungen. Nachdem die Richtlinie nicht mehr nur von Mindestentgelten spricht, sondern zur Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping künftig insgesamt auf die Vergütung abstellt, sind im Vorfeld eines Auslandseinsatzes die Arbeitgeber noch mehr in der Pflicht, sich über die im Ausland geltenden Vergütungsstrukturen zu informieren. Gelingen soll der Informationszugang, indem die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet wurden, alle zur Einhaltung der Bestimmungen erforderlichen Informationen zentral im Internet zu veröffentlichen. Dabei müssen die Entgeltbestandteile in transparenter Weise dargestellt und deren Bedeutung erläutert werden. Für die Vertragsgestaltung bedeutet das damit grundsätzlich bei länger­fristigen Einsätzen, dass auch die im Einsatzland geltenden Vergütungen sowie anzuwendende Rechtsvorschriften darzulegen sein werden.

Dabei wird der Informationszugang voraussichtlich erst mit Ablauf der Umsetzungsfrist möglich sein, sodass aktuell eine Vorbereitung noch ausscheidet.


Änderungen für die Lohnabrechnung

Die Notwendigkeit, die Vergütung schon im 1. Schritt korrekt zu bestimmen, um die richtige Besteuerungs­grundlage für die Besteuerung der Einkünfte zu bestimmen, wird aus deutscher Sicht insbesondere dadurch zu einem zentralen Thema, als das BMF-Schreiben vom 14. März 2017 für auf alle nach dem 31. Dezember 2018 endenden Lohnzahlungszeitraum anzuwenden ist.

Dabei geht es um die Grundsätze der Aufteilungen des Arbeitslohns, wenn ein Arbeitnehmer während des Kalenderjahres im In- und Ausland tätig ist und insbesondere auch um die Aufteilung von Arbeitslohn, der nicht direkt der in- oder ausländischen Tätigkeit zuordenbar ist, wie z.B. Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Hier sind nach derzeitigem Rechtsstand ggf. erforderliche Korrekturen nur noch vor Übermittlung der Lohnsteuer­bescheinigung an das Finanzamt zulässig. Zu einer Herausforderung kann das dann werden, wenn bspw. auf Grund des Ablöseverbots für einen Monteur schon nach wenigen Wochen bzw. Monaten eine ausländische Rechtsordnung anzuwenden ist, die eine Zahlung von Weihnachtsgeld zum Dezember vorsieht. Das muss von der Lohnabrechnung noch im Kalenderjahr zutreffend berücksichtigt werden. Ist der Monteur dabei auf einer ertragsteuerlichen Betriebsstätte eingesetzt, ist er ab dem ersten Tag im Ausland steuerpflichtig.

Der Gesetzgeber lässt daher entsprechend den BMF-Schreiben im Lohnsteuerabzugsverfahren unterjährig vier Alternativen zur Ermittlung des nicht direkt zuordenbaren Arbeitslohns in einen steuerfreien und steuer­pflichtigen Anteil zu. Insbesondere ermöglicht das dem Arbeitgeber, mit Prognosewerten zu arbeiten und die Aufteilung des Arbeitslohns z.B. nach vereinbarten Arbeitstagen vorzunehmen. Wird sich für eine Alternative entschieden, muss sie während des gesamten Kalenderjahres beibehalten werden. Am Ende des Kalenderjahres bzw. am Ende des Beschäftigungsverhältnisses hat der Arbeitgeber den unterjährig durchgeführten Lohn­steuer­abzug zu überprüfen und notfalls bei Abweichungen Korrekturen durchzuführen. Die Aufteilung des nicht direkt zuordenbaren Arbeitslohns hat nun ausschließlich nach den tatsächlichen Arbeitstagen im In- und Ausland zu erfolgen, da spätestens ab diesem Zeitpunkt dem Arbeitgeber die tatsächlichen Arbeitstage vorliegen.

Eine Korrektur über die Einkommensteuererklärung scheidet dann aus.


Verschärfte Prüfungspraxis

Es ist festzuhalten, dass das Thema Auslandstätigkeit einer verschärften Prüfung – insbesondere in lohnsteuerlichen aber auch sozialversicherungsrechtlichen Prüfungen – unterliegt und hier auch Spezialisten agieren. Wurde die A1 Bescheinigung in der Vergangenheit teilweise noch vernachlässigt, mehren sich nun die Fälle, in denen eine fälschliche oder unterbliebene Zuordnung der Vergangenheit zu Tage gefördert wird und im schlimmsten Falle zum Verlust von Ansprüchen führt. Daher ist dringend anzuraten, den Fokus auch auf diese Themen zu legen und bei der Planung für künftige Strukturen ggf. auch Altfälle kritisch zu hinterfragen.


Zusätzlicher Verwaltungsaufwand

Für die Zukunft wird es daher erforderlich sein, die bisherige Überwachung der Expatriates noch zielgerichteter voranzutreiben, um sicherzustellen, dass die jeweils gültigen Vorschriften eingehalten werden. Abzuwarten bleibt insbesondere, ob die Bereitschaft zur Auslandstätigkeit sinken wird, wenn ausländische arbeitsrechtliche Normen anzuwenden sein können. Hier wird es den zuständigen Fachabteilungen obliegen, Klarheit zu schaffen, was das tatsächlich bedeutet, um Vorbehalte abzubauen und so den notwendigen Einsatz von Mitarbeitern im Ausland weiter voranzubringen.

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