Pillar 2: Die Mindestbesteuerung ist nun Realität!

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​​​veröffentlicht am 12. Januar 2024 | Lesedauer ca. 6 Minuten


 
Am 15. Dezember 2023 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung beschlossen. Die Verkündung des Gesetzes im Bundes­gesetz­blatt erfolgte schließlich am 27. Dezember 2023. Damit ist das deutsche Gesetz­gebungsverfahren abgeschlossen und die fristgerechte Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union vom 14. Dezember 2022 sichergestellt. Für Unternehmen führt somit nun endgültig kein Weg mehr an der Beachtung der neuen Mindeststeuerregeln vorbei.

 

 

Hintergrund

Der Gesetzentwurf zum Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde im August 2023 vom Bundeskabinett und am 10. November 2023 in der Fassung der Beschlussempfehlungen des Finanz­aus­schusses in dritter Lesung im Bundestag beschlossen. Mit dem Beschluss des Bundesrates am 15. Dezember 2023 und der darauffolgenden Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt am 27. Dezember 2023 wurde das Gesetzgebungsverfahren erfolgreich abgeschlossen. 

Mit dem im Gesetz enthaltenen Mindeststeuergesetz (MinStG) wird die Richtlinie (EU) 2022/2523 DES RATES zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union vom 14. Dezember 2022 umgesetzt (mehr zur Richtlinie). Die deutsche Mindeststeuer ist erstmalig für Geschäftsjahre mit Beginn nach dem 30. Dezember 2023 anzuwenden bzw. die sog. Sekundärergänzungssteuerregelung grundsätzlich erstmalig für Geschäftsjahre mit Beginn nach dem 30. Dezember 2024. Der Aufschub für die erstmalige Anwendung der Sekundärergänzungssteuerregelung auf 2025 gilt jedoch nicht für Unternehmensgruppen, deren oberste Muttergesellschaft in einem Mitgliedstaat belegen ist, der die Option nach Art. 50 Abs. 1 EU-Richtlinie ausgeübt hat (dies sind Estland, Lettland, Litauen, Malta und die Slowakei).


Eckpfeiler des Mindeststeuergesetzes auf einen Blick


Anwendungsbereich 

  • Der Mindeststeuer in Deutschland unterliegen alle im Inland ansässigen Geschäftseinheiten, die einer Un­ter­neh­mensgruppe angehören, die einen Umsatz von mehr als 750 Mio. Euro in ihrem Konzernabschluss ausweist. Konkret findet die Mindeststeuer in einem Geschäftsjahr dann Anwendung, wenn die Umsatzerlöse der Un­ter­neh­mensgruppe in mindestens zwei der vier diesem Geschäftsjahr unmittelbar vorausgehenden Geschäftsjahre die Umsatzgrenze überschreiten. 
  • Für Unterneh­mens­grup­pen mit untergeordneter internationaler Tätigkeit ist eine 5-jährige Steuerbefreiung zu Beginn ihrer Erfassung von der Mindeststeuer vorgesehen (§ 83). Diese setzt voraus, dass die Unternehmens­gruppe in nicht mehr als 6 Steuerhoheitsgebieten über Geschäftseinheiten verfügt und die materiellen Vermögenswerte eine bestimmte Grenze nicht übersteigen.


Mindeststeuerregeln 

  • Der Primärergänzungssteuerbetrag gem. der Primärergänzungssteuerregelung (PES) (§§ 8 – 10) betrifft die Muttergesellschaften einer Unternehmensgruppe, also die oberste Muttergesellschaft und ggf. vorhandene zwischengeschaltete bzw. in Teileigentum stehende Muttergesellschaften (sofern in Deutschland ansässig). Die PES folgt dem sog. „Top-Down-Ansatz”, d.h. betroffen ist grundsätzlich die in der Beteiligungshierarchie am höchsten stehende Muttergesellschaft. 
  • Der Sekundärergänzungssteuerbetrag nach der Sekundärergänzungssteuerregelung (SES) (§§ 11 – 14) kann grds. jede Geschäftseinheit betreffen und stellt eine Auffangregelung dar. Konkret findet die SES Anwendung in Fällen, in denen die Mindestbesteuerung nicht bereits durch die Anwendung einer PES (im Inland oder auf internationaler Ebene) sichergestellt wird.
  • Mit dem nationalen Ergänzungssteuerbetrag (§§ 90 – 93) (NES) enthält das Gesetz auch eine anerkannte qualifizierte Ergänzungssteuer im Sinne der EU-Richtlinie. Er kann ebenfalls grds. jede Geschäftseinheit betreffen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Deutsch­land in seltenen Fällen einer Niedrigbesteuerung im Inland das Mindeststeuerpotential inländischer niedrig besteuerter Geschäftseinheiten selbst und vorrangig vor anderen Staaten realisieren kann. 


Berechnungsgrundlagen 

  • Die Berechnung der Mindeststeuer entspricht der international vereinbarten länderbezogenen Berechnung des Steuererhöhungsbetrags unter Zugrundelegung eines Mindeststeuersatzes von 15 Prozent.
  • Sie erfolgt auf Basis der handelsrechtlichen Rechnungslegung unter Vornahme bestimmter erforderlicher Anpassungen. Auch für die NES wird vollumfänglich auf diese Berechnungsgrundlagen abgestellt.


Safe Harbours 


Im Mindeststeuergesetz wurden Safe Harbour Regelungen entsprechend der OECD Richtlinien für Safe Harbour-Regelungen aus Dezember 2022 (dazu mehr) übernommen. Diese Regelungen ermöglichen es, dass der Steuerpflichtige bei ihrer Erfüllung von der vollen Anwendung der Mindeststeuerregeln befreit wird. Hinzuweisen ist auf das dritte Paket administrativer Leitlinien der OECD vom 18. Dezember 2023, das den Staaten erneut Hinweise für die Anwendung der Safe Harbours gibt. Die neuen administrativen Leitlinien sind im Gesetz noch nicht berücksichtigt.

    • Der temporäre CbCR-Safe-Harbour (§ 84) ermöglicht es, dass der Steuererhöhungsbetrag in einem Steuer­hoheitsgebiet auf 0 Euro festgesetzt wird, wenn einer von drei Tests erfüllt ist. Für die Durchführung dieser Tests sind keine umfassenden GloBE-Berechnungen erforderlich, sondern die Prüfung erfolgt auf Basis qualifizierter Daten aus dem Country by Country Report („CbCR-Daten”) und der Finanzberichterstattung. Der erste Test ist erfüllt, wenn der jeweils nach CbCR-Regeln ermittelte Umsatz bzw. Gewinn unterhalb der Schwelle von 10 Mio. Euro bzw. 1 Mio. Euro liegt. Der zweite Test ist erfüllt, wenn der nach vereinfachten Grundsätzen ermittelte effektive Steuersatz (§ 87 Nr. 6) eine bestimmte, zeitlich gestaffelte, Mindestgrenze erreicht oder übersteigt. Der dritte Test ist erfüllt, wenn nach Abzug des substanzbasierten Freibetrags (§§ 58 – 62) keine überschüssigen Gewinne verbleiben. Der temporäre CbCR-Safe-Harbour gilt übergangsweise für Geschäfts­jahre, die bis einschl. 31. Dezember 2026 beginnen und spätestens zum 30. Juni 2028 enden.
    • Der Safe Harbour für vereinfachte Berechnungen (§§ 79 und 80) ermöglicht es, dass bei unwesentlichen Geschäftseinheiten der Steuererhöhungsbetrag in einem Steuer­hoheits­gebiet auf 0 Euro fest­gesetzt wird, wenn einer von drei Tests erfüllt ist. Die vorgesehenen Tests weisen systematisch wesentliche Parallelen zu den temporären CbCR-Safe-Harbours auf, stellen allerdings – statt auf CbCR-Daten – grundsätzlich auf vereinfachte Berechnungsmaßgaben nach GloBE Grundsätzen für die Einkommens-, Umsatz- und Steuer­berechnungen ab. Die drei Tests werden im Rahmen des Safe Harbours für vereinfachte Berechnungen definiert als Routinegewinn-Test, Wesentlichkeits­grenze-Test und Effektiv­steuersatz-Test. Der Routine­gewinn-Test ist für ein Steuerhoheitsgebiet erfüllt, wenn der vereinfacht berechnete Mindeststeuer-Gewinn nicht den substanzbasierten Freibetrag übersteigt. Der Wesentlichkeits­grenze-Test ist erfüllt, wenn sowohl der vereinfacht berechnete durchschnittliche Mindest­steuer-Gesamtumsatz weniger als 10 Mio. Euro als auch der Mindeststeuer-Gesamtgewinn weniger als 1 Mio. Euro beträgt. Der Effektiv­steuersatz-Test ist erfüllt, wenn der vereinfacht berechnete effektive Steuersatz in dem Steuerhoheitsgebiet mindestens 15 Prozent beträgt. Die vereinfachten Berechnungsmaßgaben für die Anwendung der Tests sollen vom Inclusive Framework noch in gesonderten administrativen Leitlinien veröffentlicht werden (in den Leitlinien aus Dezember 2023 noch nicht enthalten). Daher fehlen im Gesetz noch Details zu den vereinfachten Berech­nungs­maßgaben. Diese dürften zu einem späteren Zeitpunkt durch Öffnungsklauseln Einzug finden.
    • In § 80 wird geregelt, dass bei unwesentlichen Geschäftseinheiten auch nach Ende der befristeten Safe Harbours weiterhin die vereinfachten Berechnungen auf Grundlage des länderbezogenen Berichts (CbCR) erfolgen.
    • Der Safe Harbour bei anerkannter nationaler Ergänzungssteuer (§ 81) ermöglicht es, dass auf Antrag der Steuererhöhungsbetrag für einen Teil der Unternehmensgruppe auf 0 Euro reduziert werden kann, wenn im relevanten Steuerhoheitsgebiet für das Geschäftsjahr eine anerkannte nationale Ergänzungssteuer erhoben wird. Dies gilt, wenn die Steuererhebung den festgelegten Rechnungslegungs-, Konsistenz- und Adminis­trations­standards entspricht.
    • Nach dem temporären Sekundärergänzungssteuerbetrag-Safe Harbour (§ 89) kann der Sekundärer­gänzungs­steuer­betrag in dem Steuerhoheitsgebiet der obersten Mutter­gesell­schaft auf 0 Euro reduziert werden, wenn in dem Steuerhoheitsgebiet ein Körperschaft­steuer­satz von mindestens 20 Prozent vorliegt. Der Safe Harbour gilt übergangsweise für Geschäfts­jahre, die am oder vor dem 31. Dezember 2025 beginnen und vor dem 31. Dezember 2026 enden.


Besteuerungsverfahren 

    • In der sog. Mindeststeuergruppe werden sämtliche Ergänzungssteuern, die auf die Geschäftseinheiten entfallen, dem Gruppenträger als alleinigem Steuerschuldner zugerechnet. Die Geschäftseinheiten, deren Ergänzungssteuern vom Gruppenträger getragen wurden, sind dem Gruppenträger jedoch zivilrechtlich zum Ausgleich verpflichtet.
    • Die Deklarationspflichten bestehen zum einen aus der Abgabe eines Mindeststeuerberichts für Zwecke des Internationalen Informationsaustauschs und zum anderen aus der Steuererklärungspflicht (Steuer­anmeldung).
    • Für die Mindeststeuererklärung, in der der Gruppenträger die Grundlagen für die Erhebung der Ergänzungs­steuer aller Geschäftseinheiten darlegen muss, besteht eine Frist von 15 Monaten nach Abschluss des Wirtschaftsjahres, im Erstjahr verlängert auf 18 Monate. Die erste Erklärung muss damit im Regelfall (Anwendung für Wirtschaftsjahr 2024) bis spätestens 30. Juni 2026 eingereicht werden.
    • Der Mindeststeuerbericht muss im Gegensatz zur Mindeststeuererklärung grundsätzlich von jeder steuer­pflichtigen Geschäftseinheit separat eingereicht werden. Eine Ausnahme besteht, wenn der Mindest­steuer­bericht von der obersten Muttergesellschaft oder einer anderen beauftragten Geschäftseinheit im jeweiligen Belegenheitsstaat übermittelt wird.
    • Die Sanktionshöhe bei Verstößen gegen das MinStG wird in § 98 Abs. 2 MinStG auf bis zu 30.000 Euro festgelegt. Gem. § 101 Abs. 3 MinStG sollen für die Abgabe des Mindeststeuerberichts im sog. Übergangs­zeitraum (bis einschl. 2027) jedoch Sanktionen unterbleiben, sofern der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass angemessene Maßnahmen zur rechtzeitigen, vollständigen bzw. fehlerfreien Erfüllung der Verpflich­tungen aus dem MinStG unternommen wurden.

 

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Änderungen in anderen Gesetzen

Abgabenordnung 

Die Vorschriften der Abgabenordnung zum Verspätungszuschlag werden dahingehend angepasst, dass bei verspäteter Abgabe der Mindeststeuererklärung keine automatische Festsetzung eines Verspätungszuschlags erfolgt. Somit steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei verspäteter Abgabe der Mindeststeuer­erklärung vollumfänglich im Ermessen des Finanzamts. 


Aussensteuergesetz

    • Der Niedrigsteuersatz bei der Hinzurechnungsbesteuerung wird von 25 Prozent auf 15 Prozent abgesenkt und damit an den Mindeststeuersatz angeglichen. Erstmalige Anwendung ab 1. Januar 2024.
    • Im Außensteuergesetz erfolgt eine weitere Anpassung, die unabhängig von der Mindeststeuer ist. Konkret wird die Re­ge­lung zum Weg­fall der Stun­dung der Weg­zugs­steuer bei Wegzügen vor dem 1. Januar 2022 ver­schärft (§ 21 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AStG). Nach der Neufassung können auch in diesen Altfällen sub­stan­zi­elle Ge­winn­aus­schüttun­gen und/oder eine Ein­la­genrück­gewähr von mehr als 25 Prozent des gemeinen Wertes der Anteile zum Zeitpunkt des Wegzugs zur Fällig­keit der Weg­zugs­steuer führen. Diese Regelung gilt für solche Altfälle, in denen die Gewinnausschüttung/Einlagenrückgewähr nach dem 16.8.2023 erfolgt (Kabinettsbeschluss über das Gesetz). Damit wird die Rechtslage für Altfälle derjenigen für Neufälle angeglichen.

 

Einkommensteuergesetz 

Auch im Rahmen der Lizenzschranke gem. § 4j EStG wird nunmehr die Niedrigsteuergrenze auf 15 Prozent abgesenkt.

 

HGB 

Im HGB (§ 274) wird eine verpflichtende Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern im Jahres- und Konzernabschluss geregelt. Das betrifft solche latenten Steuern, die sich aus dem deutschen oder einem ausländischen, der EU-Richtlinie bzw. den OECD-Mustervorschriften entsprechenden, MinStG ergeben. Eine gewisse Transparenz wird jedoch durch die Einführung neuer Angabepflichten im Anhang erreicht.


Fazit

Mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wird die Mindestbesteuerung ab dem 1. Januar 2024 in Deutschland zur Realität. Dies gilt aufgrund der EU-Richtlinie grundsätzlich auch für alle anderen EU-Staaten. Eine Ausnahme gilt lediglich für Estland, Lettland, Litauen, Malta und die Slowakei, die von der Möglichkeit nach Art. 50 EU-Richtlinie Gebrauch machen konnten, die erstmalige Anwendung der IIR und UTPR zu verzögern, mit erstmaliger Anwendung auf Wirtschaftsjahre, die am oder nach dem 31. Dezember 2029 beginnen.

 

Neben der Auseinandersetzung mit den neu eingeführten Regelungen wird es auch in Zukunft von entschei­dender Bedeutung sein, die Entwicklungen im Bereich der Mindeststeuer aufmerksam zu verfolgen. Weitere Anpassungen und Klarstellungen zu den Mindeststeuerregeln sind zu erwarten. Es ist zu hoffen, dass diese dazu beitragen werden, mehr Klarheit und Rechtssicherheit bei der Anwendung der Mindeststeuerregeln zu schaffen.

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