Pillar 2: EU setzt Signal zur weltweiten Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung

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zuletzt aktualisiert vam 9. März 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Es ist geschafft! Die EU-Mitgliedstaaten haben am späten Abend des 12. Dezember 2022 der RICHTLINIE DES RATES zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen (EU Nr. 8778/22) vom 25. November 2022 in der Union zugestimmt. Inzwischen ist auch das schriftliche Umlaufverfahren zur Zustimmung abgeschlossen. Damit wird weltweit der ersten Umsetzung der zweiten Säule (Pillar 2) des OECD-Zwei-Säulen-Konzepts der Weg bereitet. 


  

  

Inkrafttreten

Die Richtlinie tritt 2022 in Kraft. Die 26 EU-Mitgliedstaaten inkl. Deutschland müssen die Richtlinie bis zum 31. Dezember 2023 in nationales Recht umsetzen. Die Mindeststeuer nach der Income Inclusion Rule (IIR) wird erstmalig erhoben für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2023 beginnen. Die Mindeststeuer nach der Undertaxed Profit Rule (UTPR) soll erstmalig erhoben werden für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2024 beginnen.

  

Entscheidungsprozess

Der erste Entwurf der Richtlinie war am 22. Dezember 2021 unmittelbar nach Veröffentlichung der Model Rules der OECD vorgestellt worden. In verschiedenen ECOFIN-Sitzungen stand die Annahme der Richtlinie auf der Tagesordnung, konnte aber wegen der in Steuerfragen erforderlichen Einstimmigkeit vor dem Hintergrund des Vetos zunächst Polens und anschließend Ungarns nicht realisiert werden. Zuletzt wollten sich die EU-Mitgliedstaaten am 6. Dezember 2022 auf der Sitzung des ECOFIN-Rates abermals bezüglich der Richtlinie abstimmen, jedoch wurde dieser Tagesordnungspunkt kurzfristig von der Agenda der Sitzung gestrichen. In der am Abend des 12. Dezember 2022 erfolgten erneuten Abstimmung hat sich Ungarn schließlich enthalten. Da eine Enthaltung im ECOFIN-Rat als Zustimmung gewertet wird, konnte der Beschluss einstimmig gefasst werden. 

   

Internationale Entwicklung

Es wird also ab 2024 in der gesamten EU einen Mechanismus geben, durch den die Steuerbelastung für die Gewinne großer international tätiger Gruppen sowie auch großer rein inländischer Gruppen mit EU-Bezug (mindestens eine Geschäftseinheit in der EU) in allen Tätigkeitsländern auf mindestens 15 % gehoben wird. Bei der OECD und im Bundesfinanzministerium (BMF) wird davon ausgegangen, dass die EU-weite Einführung der globalen Mindestbesteuerung die „kritische Masse" generieren wird, die auch alle anderen wichtigen Staaten dazu bewegen wird, ihrerseits eine Mindestbesteuerung einzuführen. Damit wäre das Ziel erreicht, ein „Level Playing Field" bezüglich der Steuerbelastung zu erreichen und das von den Staaten gefürchtete „race to the bottom", einen anhaltenden Wettlauf um das niedrigste Steuerniveau, aufzuhalten.

Allerdings scheint außerhalb Europas beim Engagement für die Mindestbesteuerung die Handbremse noch angezogen zu sein. Das Vereinigte Königreich, die Schweiz und Südkorea haben jeweils einen Gesetzentwurf vorgelegt. Staaten wie Kanada, Südafrika, Australien, Neuseeland und Malaysia befinden sich in nationalen Konsultationsverfahren zur Umsetzung. Honkong und Indonesien haben ihre Bereitschaft zur Einführung einer Mindestbesteuerung bekräftigt und Singapur denkt zumindest über die Einführung eines „Minimum ETR Regime" nach. Von wichtigen Playern wie China und Indien ist noch keine Positionierung bekannt. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Aktivitäten jetzt, nachdem die EU die Rolle des First Movers übernommen hat, deutlich anziehen werden.

 

Die Rolle der USA

Eine Sonderrolle kommt den USA zu. Die Biden-Regierung bekennt sich zum Inclusive Framework und bekundet wiederholt ihren Willen zur Umsetzung von Pillar 2. Aufgrund der speziellen Entscheidungsstrukturen in den USA konnte das bisher politisch noch nicht erreicht werden. Seit dem Ausgang der Zwischenwahlen mit dem Verlust der Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus erscheint es nunmehr fraglich, ob sich hierfür in der laufenden Präsidentschaft überhaupt noch einmal ein politisches Moment finden wird. Zwar kennt das US-Steuersystem mit der GILTI und der durch den Inflation Reduction Act erst kürzlich eingeführten Corporate Alternative Minimum Tax Elemente einer Mindestbesteuerung. Nach aktuellem Sachstand ist aber davon auszugehen, dass beide Regime nicht die Anerkennung als qualified IIR i.S.d. Model Rules der OECD erhalten werden. Amerikanische Konzerne sehen sich daher jetzt mit der Situation konfrontiert, dass sie die Mindestbesteuerung ihrer weltweiten, niedrigbesteuerten Aktivitäten durch die EU-Staaten dulden müssen.

 

Inhalt der Richtlinie

Der Rat hatte den Richtlinienvorschlag mehrmals überarbeitet und verschiedene Kompromissfassungen vorgelegt, um Fehlerkorrekturen, Verbesserungen und Klarstellungen vorzunehmen sowie Änderungswünschen der Mitgliedstaaten nachzukommen. Die letzte Kompromissfassung, die nunmehr auch der Verabschiedung der Richtlinie zugrundliegt, stammt vom 25. November 2022 und brachte insbesondere in der deutschen Sprachfassung eine dringend notwendige sprachliche und begriffliche Präzisierung.

Gegenüber dem ursprünglichen Richtlinienvorschlag wurden im Rahmen der o.g. mehrfachen Überarbeitungen insbesondere folgende materiellen Änderungen vorgenommen:

  • Zeitliche Verschiebung der erstmaligen Anwendung der IIR auf 2024.
  • Erleichterung für Staaten mit wenigen obersten Muttergesellschaften: sie können für einen Übergangszeitraum von 6 Jahren auf die Umsetzung der IIR und UTPR verzichten. Die EU-weite Mindestbesteuerung wird in diesen Fällen durch die Anwendung der UTPR in den anderen EU-Mitgliedstaaten sichergestellt.
  • Wegfall bindender Sanktionsvorgaben für die EU-Mitgliedstaaten.
  • Mit diversen Regelungen wird versucht, dem im Verlauf der weltweiten Umsetzung sicher auftretenden Anpassungsbedarf zu entsprechen. Ein solcher Anpassungsbedarf könnte sich ergeben z.B. vor dem Hintergrund des noch unveröffentlichten Implementation Framework der OECD, das insbesondere Vereinfachungen in einem Übergangszeitraum und Safe Harbours für die Anwendung bestimmen soll. Trotzdem bleibt hier das Problem der Inflexibilität einer einmal beschlossenen EU-Richtlinie bestehen, da die Richtlinie zukünftig nur noch mit Einstimmigkeit geändert werden kann.
  

So geht es in Deutschland weiter

Im BMF sind die Arbeiten an einem deutschen Umsetzungsgesetz zu Pillar 2 schon weit fortgeschritten. Ursprünglich war mit einem ersten Entwurf noch im Jahr 2022 gerechnet worden. Aktuell wird die Veröffentlichung im März 2023 erwartet. Das ist zu begrüßen, weil so noch die Regelungen des Implementation Framework berücksichtigt werden können, dessen Veröffentlichung durch die OECD noch im Dezember 2022 erwartet wird. Das gilt ebenso für die in jüngster Zeit noch einmal angebrachten dringenden Vereinfachungsvorschläge aus Fachkreisen und der Wirtschaft. Seitens des BMF wird ein „Diskussionsentwurf" erarbeitet, zu dem ausdrücklich die Stellungnahmen und Verbesserungsvorschläge aller Betroffenen eingeholt und diskutiert werden sollen. Die Eröffnung des offiziellen Gesetzgebungsverfahrens wird im Sommer 2023 angestrebt, sodass mit der Verabschiedung des Umsetzungsgesetzes Ende 2023 gerechnet werden kann.

 

Fazit

Pillar 2 tritt mit der Verabschiedung der EU-Richtlinie in seine „heiße" Phase ein. Es führt jetzt kein Weg mehr daran vorbei, sich in der eigenen Unternehmensgruppe mit den Mindeststeuerregelungen zu befassen. Während viele Großunternehmen längst mit der Vorbereitung und Implementierung begonnen haben, steht das einigen familiengeführten Unternehmen noch bevor. Dabei handelt es sich um ein anspruchsvolles Projekt, in das viele Beteiligte eingebunden und koordiniert werden müssen, wie bspw. die interne Steuerabteilung, Accounting, Compliance Management und IT, sowie erforderliche externe Dienstleister, wie bspw. Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Eine weitere Herausforderung sind die Identifizierung und Beschaffung der notwendigen Daten, die oftmals in den Reporting-Systemen noch nicht vorhanden sind, sowie die Anpassung der internen Prozesse und IT-Systeme an die sehr komplexen Anforderungen der neuen Steuerwelt.

Rödl & Partner hat hierfür einen modularen Ansatz entwickelt, welcher auf den fünf Säulen von Pillar 2 basiert. Im Rahmen von Workshops wird basierend auf Checklisten eine Fit-/Gap Analyse vorgenommen, werden Datenpunkte identifiziert und Prozesse im Unternehmen zur Erhebung und Dokumentation dieser Daten entwickelt. 


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Diese Herangehensweise erlaubt es, die Betroffenheitsanalyse direkt zu verbinden mit der Pillar 2 Modellierung und der Erarbeitung einer Pillar 2 Governance zur Erfüllung der verschiedenen Meldeprozesse gegenüber der deutschen und ausländischen Finanzverwaltung. Ohne technische Lösungen wird die Umsetzung und Einhaltung dieser Verpflichtungen nicht möglich sein. Hierfür stehen, je nach bereits vorhandenem Setup, SAP basierte Lösungen oder auch Lösungen unter Nutzung bestehender Steuerreporting Tools sowie individuelle Ansätze zur Verfügung.

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