Prozessführung in der Slowakei

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veröffentlicht am 4. Mai 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten




Internationale Zuständigkeit

Verordnungen gehören neben den Gründungsverträgen zum Primärrecht der EU und sind daher direkt wirksam und anwendbar ohne weitere spezifische Legislative erlassen zu müssen. Aus dem Grund ist die Verordnung Nr. 12015/2012 in der Slowakei direkt wirksam, wobei die Verordnung Nr. 12015/2012 bei Auseinandersetzungen von Subjekten in der EU in zivilrechtlichen und handelsrechtlichen Fragen Anwendung findet.


Die Verordnung Nr. 12015/2012 bezieht sich auf Subjekte, die ihren Wohnsitz im Gebiet der EU haben. Die Staatsangehörigkeit ist dabei irrelevant. Des Weiteren unterscheidet die Verordnung Nr. 12015/2012 besondere Zuständigkeiten, Zuständigkeiten für Versicherungssachen, Arbeitsrecht, Verbrauchersachen, ausschließliche Zuständigkeiten, Vereinbarung über Zuständigkeit usw.


Da die Verordnung Nr. 12015/2012 EU-weit gilt und daher nicht für die Slowakei spezifisch ist, werden wir nachfolgend nicht auf die Verordnung Nr. 12015/2012 näher eingehen. Wichtig ist, dass die Verordnung Nr. 12015/2012 in der Slowakei gilt und wirksam ist.


Aufbau Gerichtsbarkeit und Gerichtswege

Die Gerichtsbarkeit wird in der Slowakei durch 1) allgemeine Gerichte und 2) das Verfassungsgericht ausgeübt.


Allgemeine Gerichte werden wie folgt gegliedert

  • Bezirksgerichte: Bezirksgerichte sind Gerichte der ersten Instanz, in zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sachen.
  • Kreisgerichte: Kreisgerichte sind Gerichte der zweiten Instanz in zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sachen, in denen die Bezirksgerichte entschieden haben. In manchen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sachen sind Kreisgerichte Gerichte erster Instanz. Kreisgerichte entscheiden in erster Instanz über Verwaltungsklagen.
  • Spezialisiertes Strafgericht: Das Gericht entscheidet in manchen strafrechtlichen Sachen.
  • Oberstes Gericht: Oberstes Gericht entscheidet i) in zweiter Instanz über Entscheidungen der Kreisgerichte und des Spezialisierten Strafgerichts, ii) über außerordentliche Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Bezirksgerichte, Kreisgerichte und des Spezialisierten Strafgerichts, iii) ist für die Harmonisierung der Rechtsprechung und der Rechtsauslegung zuständig.

Verfassungsgericht

Das Verfassungsgericht übt seine Gerichtsbarkeit gemäß der Verfassung aus. Für die Zwecke des Beitrags sind folgende Befugnisse des Verfassungsgerichts wichtig:

  • das Verfassungsgericht entscheidet über den Einklang der Gesetze mit der Verfassung und über den Einklang anderer rechtlicher Vorschriften mit den Gesetzen und der Verfassung,
  • das Verfassungsgericht entscheidet über Verfassungsklagen, durch die die Kläger Verletzungen der Menschenrechte einklagen. Eine Verfassungsklage kann i.d.R. nach Erschöpfung anderer Rechtsmittel eingereicht werden.

Prozesskosten

Als Prozesskosten verstehen sich alle Ausgaben, die im Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Geltendmachung oder Wahrung der Rechte entstehen. Unter Prozesskosten versteht man insbesondere: Gerichtsgebühren, Beweiskosten, Kosten der Rechtsvertretung (Anwaltskosten), usw.


Kostentragungspflicht/Kostenerstattungspflicht

Grundsätzlich muss jede Partei ihre Prozesskosten tragen.


Das Gericht muss beim Verfahren über Ersatz der Prozesskosten entscheiden. Grundsätzlich muss die unterlegene Partei der Partei, die Erfolg im Verfahren hatte, die Prozesskosten erstatten. Beim Teilerfolg wird der Ersatz der Prozesskosten einer Partei verhältnismäßig zum Erfolg zugesprochen oder das Gericht kann entscheiden, dass keine Partei Anspruch auf Ersatz der Prozesskosten hat.


Wie oben erwähnt, bestehen die Prozesskosten auch aus Kosten der Rechtsvertretung, d.h. Anwaltskosten. Anwaltskosten werden gemäß der Verordnung über Anwaltsvergütung (nachfolgend nur „VuAV”) berechnet. Grundsätzlich werden die Anwaltskosten nach Wert des Gegenstands des Gerichtsverfahrens berechnet. Die Berechnung der Anwaltskosten gemäß VuVA bezieht sich nur auf die Prozesskosten, wie sie vom Gericht für die Zwecke der Entscheidung über Prozesskosten hochgerechnet werden. Die tatsächliche Vergütung des Anwalts im jeweiligem Gerichtsverfahren ist Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Anwalt und dem Mandanten, d.h. dass die Vergütung, auf die dem Anwalt aufgrund der individuellen Vereinbarung mit dem Mandanten Anspruch entsteht, von den Kosten gemäß VuAV abweichen kann.


Durchschnittliche Verfahrensdauer

Gemäß der Statistik des Justizministeriums, beläuft sich die durchschnittliche Dauer der Gerichtsverfahren in handelsrechtlichen Sachen auf ungefähr 20 Monate. Die Tendenz ist steigend. D.h. im Kalenderjahr beträgt die durchschnittliche Dauer der Gerichtsverfahren nur 14 Monate.


Auf die tatsächliche Dauer eines Gerichtsverfahrens haben aber verschiedene Faktoren Einfluss, insbesondere kann die Dauer des Gerichtsverfahrens wesentlich von der Komplexität der Sach- und Rechtslage abhängen. Die Beweislage, bzw. die Notwendigkeit Beweise sicherzustellen (Vorladung von Zeugen, Sachverständigengutachten usw.) wirkt sich ganz wesentlich auf die Dauer des Gerichtsverfahrens aus. Nach der Beendung des Gerichtsverfahrens in erster Instanz muss man auch mit eventueller Berufung und Verhandlung in zweiter Instanz rechnen. In bestimmten Fällen werden außerordentliche Rechtsmittel eingelegt; dann endet die Sache beim Obersten Gericht. Vor dem Hintergrund kann festgestellt werden, dass manche Verfahren wirklich Jahre in Anspruch nehmen können.


Einstweiliger Rechtsschutz

Gemäß der Zivilprozessordnung (ZPO) unterscheidet man zwischen unaufschiebbaren und sicherstellenden Maßnahmen.


Unaufschiebbare Massnahmen

Unaufschiebbare Maßnahmen können nur dann angeordnet werden, wenn der Zweck durch sicherstellende Maßnahmen nicht erreicht werden kann.


Eine unaufschiebbare Maßnahme kann durch das Gericht angeordnet werden, falls es notwendig ist, die Umstände ohne Aufschub zu regeln oder falls die Vollstreckung bedroht ist.


Durch eine unaufschiebbare Maßnahme kann einer Partei insbesondere Folgendes auferlegt werden:

  • Zahlung eines Teils des Gehalts, falls es sich um arbeitsrechtliche Streitigkeiten handelt,
  • Einzahlung eines bestimmten Geldbetrags in Gerichtsverwahrung,
  • Verbot über Sachen oder Rechte zu verfügen,
  • Anordnung etwas zu tun bzw. zu unterlassen,
  • Eintrittsverbot,
  • Verbot mit einer bestimmten Person zu kommunizieren oder Verbot sich einer bestimmten Person zu nähern,
  • Anordnung, bestimmte Handlungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums zu unterlassen.

Sicherstellende Massnahmen

Durch sicherstellende Maßnahmen kann das Gericht ein Pfandrecht auf Sachen oder andere Sachwerte zum Zweck der Sicherstellung der Forderung des Gläubigers errichten, falls die Befürchtung besteht, dass die Vollstreckung bedroht sein könnte.


Anerkennung und Vollstreckung

Die Vollstreckung der Urteile sowie Schiedsurteile wird bei der Exekutionsordnung geregelt. Sie erfolgt durch registrierte Gerichtsvollzieher.


Vollgestreckt werden auch anerkannte Urteile ausländischer Gerichte/Organe, die in der Exekutions­ordnung als fremde Exekutionstitel definiert werden.


Auf die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Entscheidungen im Rahmen der EU bezieht sich die Verordnung Nr. 12015/2012, d.h. die Urteile von EU-Ländern werden grundsätzlich anerkannt und können vollstreckt werden.


Allgemein

Alle oben behandelten Themen beziehen sich auf die Problematik des Zivil- und Handelsrechts sowie auf die Zusammenhänge zwischen der Slowakei und den Ländern der EU. Eine Analyse der Beziehungen zu Nicht-EU-Ländern würde den Rahmen des Aufsatzes sprengen.

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