Nutri-Score: Farb-Hilfe zur informierten Lebens­mittel­auswahl trifft auf komplexe rechtliche Fragestellungen

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veröffentlicht am 11. November 2020 | Lesedauer ca. 9 Minuten

  

„Nutri-Score“ bezeichnet ein System zur Kennzeichnung des Nährwertprofils eines Lebensmittels auf der Verpackungsvorderseite mit Buchstaben und Ampelfarben. Während dieses Logo in anderen Mitgliedstaaten wie Frankreich, Belgien und Spanien bereits seit einigen Jahren verwendet wird, sind in Deutschland erst jetzt durch die erste Verordnung zur Änderung der Lebensmittelinformations-Durchführungsverord­nung vom 21. Oktober 2020 die Voraussetzung für eine rechtssichere Verwendung dieses Nährwertkenn­zeichnungs­modells geschaffen worden. Der Artikel gibt zunächst einen Überblick über die Ausgangslage und die Funktionsweise des Nutri-Score-Labels, der deutschen Regelung und befasst sich anschließend mit verschiedenen rechtlichen Fragen – insbesondere zu den marken- und lauterkeitsrechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten und Rechtsfolgen bei Verstößen durch die Verwender (i.d.R. Hersteller) selbst oder durch Dritte (z.B. Händler).



Ausgangssituation und Funktionsweise

Die Nährwertkennzeichnung ist für nahezu alle vorverpackten Lebensmittel EU-weit verpflichtend (siehe Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, LMIV) und erfolgt in Form der Nährwerttabelle. Darin werden der Brennwert sowie der Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz pro 100 g/100 ml angegeben. Zudem besteht die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis Nährwertinformationen im Hauptsichtfeld der Verpackung (i.d.R. auf der Vorderseite, daher „front of pack“) entweder pro 100 g/ml oder pro Portion zu wiederholen (Art. 30 Abs. 3, Art. 34 Abs. 3 lit. a) LMIV). Außerdem kann man diese Angaben noch auf die Referenzmengen für die Zufuhr von Energie und den genannten Nährstoffen beziehen und mittels Prozent­angaben den Anteil ausdrücken, den ein Lebensmittel in Bezug auf die Referenzmengen enthält (Art. 32 Abs. 4 LMIV). Zusätzlich zu den in der Nährwertdeklaration enthaltenen Angabe- und/oder Darstellungsformen dürfen auch andere z.B. grafische Formen oder Symbole verwendet werden – vorausgesetzt sie beruhen auf fundierten und wissenschaftlich haltbaren Erkenntnissen der Verbraucherforschung und sind nicht irreführend (siehe zu den weiteren Bedingungen Art. 35 Abs. 1 LMIV). In den vergangenen Jahren haben öffentliche Einrichtungen, im Gesundheitsbereich tätige NRO und/oder die Privatwirtschaft vielfältige solcher „front of pack“-Systeme entwickelt (z.B. Keyhole-Label, NutrInform-Batterie, Herz-/Gesundheitslabel). Laut dem im Mai 2020 veröffen­tlichten Bericht der Europäischen Kommission hat diese Art der Kennzeichnung das Potenzial, Verbrauchern bei einer gesundheitsbewussten Lebensmittelauswahl zu helfen. Im Zuge dieser Entwicklung gibt es nun auch in Deutschland ein freiwilliges, visuell arbeitendes Nährwertkennzeichen: den Nutri-Score®. Der Bundesrat hat dem diesbezüglichen Regelungsentwurf am 9. Oktober 2020 zugestimmt. Die erste Verordnung zur Änderung der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung vom 21. Oktober.2020 wurde am 5. November 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 6. November 2020 in Kraft. 

Nutri-Score® ist beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) als Unionskollektivmarke eingetragen (Verordnung (EU) 2017/1001, UMV). Markeninhaberin ist die dem französischen Gesundheits­ministerium nachgeordnete Behörde Santé publique France (SPF). Das Nutri-Score-Kennzeichen unterscheidet sich insofern von der Pflichtkennzeichnung und den oben erwähnten Optionen, als es keine Angaben zu Energie/Brennwert und den genannten Nährstoffen macht, sondern eine Bewertung der Zusammensetzung des Lebensmittels mittels einer fünf-stufigen Farb- und Buchstabenskala, wobei A mit dunkelgrüner Farbe die beste und E mit dunkelroter Farbe die schlechteste Kategorie darstellt.

Quelle: Erste Verordnung zur Änderung der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung vom 21. Oktober 2020


Hierdurch sollen Verbraucher „auf einen Blick“ das ernährungsphysiologisch günstigste Lebensmittel innerhalb eine Produktgruppe erkennen können.

Die Bewertung erfolgt mittels eines Algorithmus, der „Pluspunkte“ für ernährungsphysiologisch günstige Bestandteile von Lebensmittel (Ballaststoffe, Proteine, Obst, Gemüse oder Nüsse) sowie Minuspunkte für Inhaltsstoffe, deren übermäßige Zufuhr mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden ist (gesättigte Fettsäuren, Salz und Zucker) vergibt. Die dadurch ermittelte Gesamtpunktzahl wird wiederum in eine bestimmte Farbe der an einer Ampel angelehnten Nutri-Score-Kennzeichnung umgesetzt. Wie die Gesamt­bewertung zu Stande kommt, wird auf der Packung allerdings nicht erklärt. Abgebildet wird lediglich das so berechnete Kennzeichen. Unweigerlich suggeriert die unterschiedliche Farb- und Buchstabengebung dem Verbraucher aber schon, ob das Lebensmittel nun nährwertbezogen „gut“ oder „schlecht“ ist, auch wenn das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft immer wieder darauf hinweist, dass der Nutri-Score keine Auskunft darüber biete, ob ein Lebensmittel gesund oder ungesund sei, da überhaupt nur gesundheitlich unbedenkliche Lebensmittel  in Verkehr gebracht werden dürfen. Unbestritten sein dürfte allerdings, dass der Nutri-Score keine Orientierung über die Ausgewogenheit der gesamten Ernährung gibt (im Gegensatz bspw. zu den DGE-Ernährungsempfehlungen). Es muss daher in der Tat hinterfragt werden, ob eine bloße kommentar­lose Farb- und Buchstaben-Skala wirklich dem Ziel einer gesunden Ernährung dienen kann.


Übersicht zum Inhalt der Neuregelung in § 4a Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung

In der Tat ist die Einführung dieses zusätzlichen Kennzeichnungssystems in Deutschland gerade vor dem Hintergrund der steigenden Übergewichtigkeit in der Bevölkerung und dem damit verbundenen Risiko für Folgeerkrankungen zu sehen. Um dem entgegenzuwirken, war es das Bestreben der Bundesregierung, die Nährwert­kenn­zeichnung weiterzuentwickeln, um einfach und verständlich über die ernährungsphysiologische Beschaffenheit eines Lebensmittels zu informieren. Zur Debatte standen verschiedenste Modelle (z.B. Keyhole-Label, Modell der Lebensmittelwirtschaft). Beim Entscheidungsprozess erfolgten Stakeholder-Konsultationen, eine ernährungs­wissenschaftliche Bewertung durch das Max-Rubner-Institut sowie eine repräsentative Verbraucherforschung durch die Info-GmbH zu vier zuvor ausgewählten Modellen mit dem Ergebnis: der Nutri-Score sei wissenschaftlich valide und werde von Verbrauchern am besten wahrgenommen und verstanden.

Die Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung (LMIDV) wurde daher um einen neuen § 4a ergänzt. Danach dürfen Unternehmer Lebensmittel mit dem Nutri-Score-Kennzeichen auf dem deutschen Markt in den Verkehr bringen (Art. 4a Abs. 1 LMIDV neu). Die konkreten Verwendungsbedingungen inklusive benutzungs­befugte Personen (grundsätzlich sämtliche Hersteller und Händler von Lebensmitteln in der EU) und Sanktionen im Fall eines Verstoßes sind in der entsprechenden Markensatzung festgelegt. Sie stellt u.a. klar, dass das Nutri-Score-Logo als zusätzliche Darstellung zur verpflichtenden Nährwertdeklaration auf der Produktetikette sowie zum Zwecke der allgemeinen Kommunikation oder der Werbekommunikation für ein Produkt verwendet werden kann. Eine solche ausdrückliche Regelung im deutschen Recht zu schaffen, wurde für die rechtssichere Verwendung des Nutri-Score-Kennzeichens als unerlässlich angesehen. Denn zumindest die grünen Kategorien des Nutri-Score-Kennzeichens (d.h. die offensichtlich positiven Kategorien dunkelgrün A und hellgrün B) können durchaus als nährwertbezogene Angaben i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (HCVO) angesehen werden, deren Verwendung auf EU-Ebene einem Verbot mit Erlaubnisvor­behalt unterliegt (Art. 8 HCVO). Daher war die Neuregelung in § 4a LMIDV vor Verabschiedung auch gem. Art. 23 HCVO auf EU-Ebene notifiziert worden, was zudem eine etwaige Sperrwirkung für bestimmte Formen der freiwilligen Nährwertkennzeichnung beseitigte.

§ 4a Abs. 2 LMIDV neu dient der Klarstellung, dass die Kennzeichnung freiwillig ist. Die Freiwilligkeit der Verwendung der Nutri-Score-Kennzeichnung ergibt sich bereits aus dem EU-Recht (Art. 35 Abs. 1 LMIV); eine verpflichtende Verwendung wäre mit dem EU-Recht unvereinbar (insbesondere Warenverkehrsfreiheit). Ferner stellt § 4a Abs. 3 LMIDV neu klar, dass der verantwortliche Lebensmittelunternehmer bei der Verwendung des Nutri-Score die in der Markensatzung geregelten Bedingungen einhalten muss und eine Registrierung bei der Markeninhaberin Santé publique France erforderlich ist. Sie erfolgt online. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Verwendung des Nutri-Score-Logos kostenfrei ist. Der Verordnungsgeber hat bewusst darauf verzichtet, die Markensatzung im nationalen Recht wiederzugeben, denn einerseits wollte man das reine Abschreiben vermeiden, andererseits würden mögliche künftige Änderungen der Markensatzung zwingend eine Änderung der nationalen Verordnung erfordern. Schließlich ermöglicht § 4a Abs. 4 LMIDV neu zwecks Hilfestellung für die Wirtschaftsbeteiligten dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Bundesanzeiger Musterformulare für die erforderlichen Einwilligungen des Markeninhabers Santé Publique France bereitzu­stellen und die Kontaktaufnahme mit ihm durch deutsche Übersetzungen von Eingabemustern oder -daten zu ermöglichen.


Marken- und lauterkeitsrechtliche Problemstellungen im Fall von Verstößen

Die Einführung des Nutri-Score wirft eine Reihe von rechtlichen Fragen auf. So handelt es sich wie gesagt um die Verwendung einer Kollektivmarke mit der Funktion, über die ernährungsphysiologische Beschaffenheit des so gekennzeichneten Lebensmittels zu informieren und dient gleichzeitig auch der Unterscheidung gegenüber Produkten, die keinen Nutri-Score aufweisen. Die zusätzliche Nährwertkennzeichnung erfolgt ausdrücklich freiwillig. Entsteht aber möglicherweise die Pflicht eines Lebensmittelunternehmers für den Fall, dass er sich dazu entscheidet den Nutri-Score zu verwenden, alle unter derselben (Dach-)Marke vertriebenen Lebensmittel damit zu kennzeichnen? Hierzu ist ein Blick in die Markensatzung sinnvoll. Dort ist geregelt, dass die Regi­strierung zwecks Berechtigung zur Verwendung des Nutri-Score-Logos auch die Verpflichtung beinhaltet, es für alle Produkte zu verwenden, die der Antragsteller unter der/den von ihm registrierten Marke/n auf den Markt bringt. Sowohl die FAQ zum Nutri-Score als auch das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in seinem Merkblatt gehen daher davon aus, dass ein Unternehmen, das sich für die Verwen­dung des Nutri-Score freiwillig angemeldet hat, sich gleichzeitig verpflichtet, nach einer Übergangszeit alle Lebensmittel mit dem Nutri-Score zu versehen. Das stellt freilich die grundsätzlich in Art. 35 LMIV und in § 4a Abs. 1 LMIDV statuierte Freiwilligkeit in Frage. Und was passiert, wenn sich ein registriertes Unternehmen dennoch die Freiheit herausnimmt und im Einzelfall entscheidet, ob es das freiwillige Kennzeichen für ein bestimmtes Produkt verwenden will oder nicht?

Letzteres betrifft das allgemein spannende Thema der Rechtsfolgen und deren Durchsetzung bei Verstößen gegen die Nutzungsvorgaben für das Nutri-Score-Label. Weitere Fälle mit rechtlicher Relevanz sind z.B. die Nutzung des Kennzeichens ohne vorherige Registrierung bei der Markeninhaberin und die unzutreffende Kennzeichnung von Produkten mit dem Nutri-Score-Logo – so insbesondere mit einer besseren Buchstaben- und Farbkennung auf Grundlage einer „geschönten“ Berechnung der Nährwerteigenschaften eines bestimmten Produkts. Zu beachten ist allerdings, dass gerade den Wettbewerbern, die an einer Verfolgung solcher Verstöße grundsätzlich interessiert sein dürften, nicht immer die geeigneten Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. Markenrechtlich stellt die Verwendung trotz Nicht-Anmeldung eine Verletzung der eingetragenen Unionsmarke dar, wogegen in erster Linie die Santé Publique France als Markeninhaberin vorgehen kann. Andere zur Benutzung der Nutri-Score-Kennzeichnung befugten, da registrierten Lebensmittelunternehmer können markenrechtliche Ansprüche hingegen nur geltend machen, wenn die Santé publique France als Markenin­haberin zustimmt (mangels genereller Zustimmung in der Markensatzung individuelle Zustimmung notwendig, Art. 80 Abs. 1, Art. 25 Abs. 3 S. 1 UMV). Im Namen der Benutzungsberechtigten könnte darüber hinaus nur die Santé publique France Schadensersatz für die aus der unberechtigten Markenbenutzung fordern (Art. 80 Abs. 2 UMV). Auch nicht registrierte Lebensmittelunternehmer können grundsätzlich interessiert daran sein, insbesondere gegenüber Wettbewerbern Rechtsbehelfe geltend zu machen, wenn sie nicht zur Nutzung berechtigt sind oder eine „geschönten“ Buchstaben- und Farbskala des Nutri-Score Zeichens verwenden. Aus markenrechtlicher Sicht sind sie hingegen nicht aktivlegitimiert.

Für solche Fälle und die unzutreffende Kennzeichnung in Folge einer „geschönten“ Berechnung kommen wettbewerbsrechtliche Ansprüche in Betracht. Insbesondere im letzteren Fall liegt i.d.R. ein Verstoß gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot vor (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Denn die unzutreffende Kennzeichnung ist eine Irreführung über die ernährungsphysiologische Beschaffenheit des so gekennzeichneten Produkts.  Die Verwendung des Nutri-Score-Logos ohne vorherige Registrierung ist darüber hinaus eine irreführende Berechtigungsbehauptung i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Andere Lebensmittelunternehmer, insbesondere diejenigen, die das Nutri-Score-Label berechtigterweise verwenden, können daher Unterlassungs- sowie ggf.  Schadensersatzansprüche gegen die unberechtigte Verwendung geltend machen, soweit sie in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen (§ 8 Abs. 3 Nr. 3, § 9 UWG); ebenso aktivlegitimiert für Unterlassungs­ansprüche sind Wettbewerbs- und Verbraucherverbände sowie Industrie-, Handels- und Handwerkskammern (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG). Die Markeninhaberin ist in beiden Fällen mangels Wettbewerber­eigenschaft hingegen nicht aktivlegitimiert.

Lebensmittelunternehmen, die den Nutri-Score verwenden, sollten sich zudem darüber im Klaren sein, dass Verstöße gegen die Benutzungsbedingungen vertragliche Konsequenzen (Unterlassungs- oder Schadenersatz­ansprüche) haben können, da davon auszugehen ist, dass mit der Registrierung ein Vertrag mit Santé publique France zustandekommt. Ob die französische Behörde tatsächlich solche Ansprüche geltend machen und rechtlich durchsetzen würde, ist fraglich.


Handlungsmöglichkeiten beim „aufgezwungenen“ Nutri-Score

In den Fällen, in denen ein Lebens­mittel­unternehmer nicht selbst entscheidet, die Nutri-Score-Kennzeichnung auf seinem Produkt anzubringen, sondern Dritte (z.B. Online-Plattformen oder der Lebensmittelhandel) die Kennzeichnung unabhängig vom Willen des Herstellers angeben (sog. aufgezwungener Nutri-Score), stellt sich die Frage der Haftung bei Verstößen. Bei nicht gewerblich genutzten Online-Plattformen, die lediglich Informationen über Lebensmittel für Verbraucher bereitstellen, fehlt bereits ein Handeln im geschäftlichen Verkehr, sodass eine Haftung aus Marken- oder Lauterkeitsrecht ausscheidet. Es ist anzunehmen, dass die Markeninhaberin ohnehin nicht von sich aus gegen eine ggf. sogar von ihr finanzierte Plattform vorgeht. Es bleiben lediglich deliktsrechtliche Ansprüche, wenn die Nutri-Score-Kennzeichnung aufgrund einer falschen Berechnung unzutreffend ist, was durchaus passieren kann, wenn der Händler die genauen Nährwerteigen­schaften des betreffenden Produkts nicht kennt und dadurch ein Schaden entsteht. Anders ist es im Falle des Lebensmittelhandels, denn hier kommt zum einen eine Irreführung i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG in Betracht, weil der Eindruck erweckt wird, der Hersteller selbst verwende die Nutri-Score-Kennzeichnung, zum anderen eine Herabsetzung (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 UWG) und/oder Irreführung bei falscher Berechnung der Nährwerteigenschaften und damit unzutreffender Nutri-Score-Kennzeichnung (§ 5 Abs. 1 UWG).


Ausblick

Die Einführung des Nutri-Score-Logos in Deutschland verfolgt das Ziel, die ernährungsphysiologische Vergleichbarkeit von Lebensmitteln innerhalb einer Produktgruppe zu ermöglichen und so die Lebensmittel­wahl für Verbraucher leichter zu gestalten. Gleichzeitig bietet das Label Lebensmittelunter­nehmern die Chance, ihre Produkte verbraucherfreundlicher zu gestalten, wobei im Falle einer positiven Farb- und Buchstabenskala das Produkt zugleich mit „guten“ Nährwerteigenschaften beworben wird. Problematisch ist, wenn es tatsächlich verpflichtend sein sollte, das Logo für alle Produkte zu verwenden, die ein Lebensmittel­unter­nehmer unter der/den von ihm registrierten Marke/-n auf den Markt bringt und nicht alle Produkte eine positive Bewertung durch den Algorithmus erhalten.
 
Darauf hingewiesen sei schließlich, dass der freiwillige Charakter des neuen Labels in einigen Kreisen kritisch gesehen wird, denn dadurch sei der Erfolg oder Misserfolg der Kennzeichnung gewissermaßen von der Mit­wirkung der Lebensmittelbranche abhängig. Hinzu kommt, dass die Einführung des Nutri-Score in Deutschland noch keinen flächendeckenden Nutzen für den europäischen Binnenmarkt bringt, was aufgrund des stetig wachsenden grenzüberschreitenden Handels mit Lebensmitteln von großer Bedeutung wäre. Um eine europaweite Vergleichbarkeit von Lebensmitteln einer Produktgruppe zu erreichen, ist nicht ausgeschlossen, dass eine harmonisierte und möglicherweise sogar verbindliche „front-of-pack“ Nährwertkennzeichnung auf EU-Ebene eingeführt werden wird (siehe auch Bericht der Europäischen Kommission vom 20. Mai 2020 sowie die am gleichen Tag veröffentlichte „From-Farm-to-Fork“-Strategie). Die Kommission hat zudem bereits einen Vorschlag für eine unionseinheitliche erweiterte Nährwertkennzeichnung für das Quartal 4/2022 angekündigt. Die Bundesregierung unterstützt den Prozess und nutzt die am 1. Juli 2020 begonnene Ratspräsidentschaft, um die Diskussion um eine europaweit einheitliche erweiterte Nährwertkennzeichnung voranzubringen (siehe Drucksache 19/20990). Ob es tatsächlich ein, eventuell sogar verbindliches, europäisches Modell geben wird und welches es sein wird, bleibt jedoch abzuwarten.

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