Die Zukunft der Lieferketten-Compliance in der EU: Sind Synergien bei der Umsetzung möglich?

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​​​​ veröffentlicht am 25. Oktober 2023 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Die Weltwirtschaft steht vor beispiellosen Herausforderungen in Bezug auf Nach­haltigkeit und soziale Verantwortung in der Lieferkette. Unternehmen sind einem wachsenden Druck ausgesetzt, soziale und umweltfreundliche Praktiken in ihren Geschäftsprozessen zu integrieren. Neben dem deutschen Lieferkettensorgfalts­pflichtengesetz (LkSG) fordert die EU-Regulatorik, darunter die Corporate Sustain­abi­lity Due Diligence Directive (CS3D), die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Minimum Safeguards der EU-Taxonomie, erweiterte Lieferketten-Compliance. In diesem Artikel werden wir die Gemeinsamkeiten und Synergien bei der Umsetzung dieser Regelwerke genau untersuchen.


 


Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D): Einheitliche Europäische Lösung

Die CS3D, die sich derzeit in der Gesetzgebung befindet, soll künftig die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden gegenüber dem deutschen LkSG weiter verschärfen.

Das Europäische Parlament hat am 1. Juni dieses Jahres einen weitreichenden Beschluss zur Ausrichtung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CS3D) gefasst. Durch diesen wird der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission vom Februar 2022 an vielen Stellen verschärft. Die Trilog-Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Rat und dem Parlament laufen bereits. Bis zum Ende dieses Jahres soll eine endgültige Fassung der Richtlinie verabschiedet werden, die dann schrittweise bis 2026 in Kraft treten soll.

Die Anwendungsbereiche von LkSG und CS3D werden erheblich voneinander abweichen. Nach dem letzten Vorschlag des Europäischen Parlaments sollen die Schwellenwerte sowohl für EU-Unternehmen als auch für ausländische Unternehmen von 500 auf 250 Vollzeitarbeitskräfte und von 150 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro Umsatz herabgesetzt werden. Darüber hinaus wird eine Zurechnung zur Muttergesellschaft eingeführt. Der Anwendungsbereich wurde auch auf Personengesellschaften wie OHGs und KGs erweitert.

Wie das deutsche LkSG setzt die CS3D den Schwerpunkt auf die Wertschöpfungskette, allerdings geht das Europäische Parlament weiter und dehnt diesen Begriff aus. Zum einen werden sowohl direkte als auch indirekte Geschäftsbeziehungen erfasst, ohne die Beschränkung auf „etablierte Geschäftsbeziehungen“. Diese Erweiterung verursacht die meisten Fragen bei der Umsetzung und Durchsetzung der Pflichten. Zum anderen wird die Wertschöpfungskette nun in zwei Richtungen erweitert, sowohl vor- als auch nachgelagert. Die nach­gelagerte Wertschöpfungskette umfasst neben Verkauf, Vertrieb, Transport, und Lagerung auch die Abfall­be­wirt­schaf­tung der eigenen Produkte durch Dritte.

Im Vergleich zum LkSG sind in der CS3D erweiterte menschenrechtliche und vor allem umweltbezogene ge­schütz­te Rechtspositionen vorgesehen. Dazu gehören unter anderem das Recht auf existenzsichernde Ein­kom­men für Selbstständige und Kleinbetriebe, erweiterte Rechte indigener Völker, Ziele zur Reduzierung der Treib­haus­gas­emissionen gemäß dem Pariser Abkommen, Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt und zur Bekämpfung der Verschmutzung der Meere.

Auch die Durchsetzung und die vorgesehenen Sanktionen der CS3D sind schärfer als im LkSG. Ein Höchstsatz von mindestens 5 Prozent des Jahreskonzernumsatzes (statt 2 Prozent im LkSG) wurde vorgeschlagen. Der wohl erheblichste Unterschied zum LkSG ist jedoch der zivilrechtliche Haftungstatbestand der CS3D auf Verstöße gegen jede Pflicht. Dieser soll von prozessualen Erleichterungen begleitet werden, darunter eine Ver­jährungs­frist von mindestens 10 Jahren, die Möglichkeit für Gewerkschaften und NGOs Prozessstandschaft zu übernehmen, sowie ein Eilverfahren.

Was bedeutet die neue CS3D für deutsche Unternehmen? Unternehmen, die bereits Maßnahmen zur Ein­hal­tung des LkSG implementiert haben oder zurzeit in der Durchführung sind, werden für die Umsetzung der CS3D gut vorbereitet sein. Die Due Diligence Prozesse nach LkSG und CS3D sind zwar ähnlich, allerdings werden Unternehmen ihre Lieferketten-Compliance an einigen Stellen nachschärfen müssen.


Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD): Verbindliche Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen

Die CSRD zielt darauf ab, durch die Schaffung eines verbindlichen einheitlichen Standards (ESRS), eine verein­heitlichte europäische Berichterstattung zu etablieren. Unternehmen sind ab 2024 verpflichtet, umfassende Berichte zu sozialen, ökologischen und Governance-Aspekten zu erstellen und zu veröffentlichen. Das nach­hal­tige Lieferkettemanagement ist eines der großen Themen, das nach ESRS offengelegt werden muss. Im Ver­gleich zum LkSG und zur CS3D, die sich implizit mit den Due Diligence Prozessen in der Lieferketten beschäf­ti­gen und von Unternehmen ein aktives Handeln fordern, sind Unternehmen im Rahmen der CSRD lediglich ver­pflich­tet darüber zu berichten. Dennoch weisen die Anforderungen des LkSG und der ESRS einige Gemein­sam­kei­ten auf und überschneiden sich in mehreren (vor allen sozialen) Schlüsselbereichen:
 


Sowohl das LkSG als auch die ESRS fordern von Unternehmen, über wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen sowie ihr Zusammenspiel mit der Strategie und dem Geschäftsmodell zu berichten. Das LkSG konzentriert sich dabei auf Menschenrechts- und Umweltrisiken in vorgelagerten Lieferketten, während die ESRS ein breiteres Spektrum von Risiken abdecken, einschließlich der Auswirkungen auf die eigene Beleg­schaft ESRS S1, Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette ESRS S2, betroffene Gemeinschaften ESRS S3 und Verbraucher & Endnutzer ESRS S4.

Der Begriff der Wertschöpfungskette in der CSRD/den ESRS ist, wie in der CS3D, wesentlich breiter als im deutschen LkSG gefasst. Eine Wertschöpfungskette gemäß ESRS umfasst sämtliche Aktivitäten, Ressourcen und Beziehungen, die von einem Unternehmen genutzt werden und auf die es sich bei der Herstellung seiner Produkte oder Dienstleistungen verlässt. Dies umfasst alles von der Konzeption über die Lieferung, den Ver­brauch bis zum Ende der Lebensdauer von Produkten oder Dienstleistungen. Innerhalb dieser Wertschöpfungs­kette sind verschiedene relevante Aktivitäten, Ressourcen und Beziehungen zu berücksichtigen:

  • Aktivitäten, die innerhalb des eigenen Unternehmens stattfinden, wie beispielsweise Personalmanagement und interne Prozesse.
  • Aktivitäten entlang der Liefer-, Marketing- und Vertriebskanäle des Unternehmens. Dies beinhaltet Aspekte wie die Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen sowie den Verkauf und die Lieferung von Pro­duk­ten und Dienstleistungen.
  • Zudem muss das finanzielle, geografische, geopolitische und regulatorische Umfeld, in dem das Unter­neh­men tätig ist, in die Betrachtung einfließen.


Die Berichtspflichten nach CSRD gehen deutlich weiter und decken mehr Themen als die CS3D und das LkSG ab. Zu den sozialen Themen in den ESRS gehören Menschenrechte, faire Arbeitspraktiken, Gesundheit und Sicher­heit am Arbeitsplatz, Lebensbedingungen, Vielfalt, Gleichberechtigung, Work-Life-Balance sowie Enga­ge­ment für die Gemeinde bzw. Gesellschaft. Wenn Unternehmen oder seine Mitarbeiter direkt an Korrup­tions­vor­fällen in der Wertschöpfungskette beteiligt sind, sind diese Vorfälle ebenso offenzulegen (ESRS G1).

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die CS3D etwa 10.000 in der EU tätige Unternehmen betrifft, während die CSRD rund 50.000 Unternehmen einschließt. Derzeit steht allerdings noch zur Debatte, dass Unternehmen, die der Berichtspflicht gemäß CSRD unterliegen, künftig von der zusätzlichen Berichtspflicht gemäß CS3D befreit werden (gemäß Artikel 11 der CS3D).


Minimum Safeguards der EU-Taxonomie

Unternehmen, die unter die CSRD fallen, sind ebenfalls verpflichtet, gemäß EU-Taxonomie Bericht zu erstatten.

Die Minimum Safeguards gem. Art. 18 EU-Taxonomie sind ein wichtiger Bestandteil der Verordnung. Sie sollen sicherstellen, dass unternehmerische Aktivitäten, die als „taxonomiekonform“ eingestuft werden, nicht nur Umweltstandards erfüllen, sondern auch bestimmte soziale Mindeststandards einhalten. Investitionen sollen dadurch nicht als nachhaltig gekennzeichnet werden können, wenn sie mit Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Steuerrechtsverletzungen oder unfairen Wettbewerb in Verbindung gebracht werden können.

Die Einhaltung der Minimum Safeguards wird insbesondere anhand von Indikatoren geprüft, welche auf eine Nichterfüllung dieser hinweisen. Ein Unternehmen wird als nicht konform mit den Anforderungen gem. Artikel 18 der Verordnung betrachtet, wenn:

  • Es keinen angemessenen HRDD-Prozess (Human Rights Due Diligence) für multinationale Unternehmen eingeführt hat.
  • Es Anzeichen dafür gibt, dass das Unternehmen HRDD nicht angemessen umgesetzt hat oder Menschen­rechts­ver­letzungen nicht beachtet hat. Das trifft zu, wenn das Unternehmen gegen Arbeitsgesetze oder Menschenrechte verstoßen hat oder keine Zusammenarbeit mit seinen Stakeholdern pflegt, wie beispiels­wei­se der Nationalen Kontaktstelle der OECD.


Ein Unternehmen wird so lange als nicht konform mit den Minimum Safeguards angesehen, bis es nachge­wiesen hat, beispielsweise durch eine externe Prüfung, dass es seine Prozesse verbessert hat. In Fällen, in denen das Unternehmen Menschenrechtsverletzungen verursacht oder dazu beiträgt, muss es auch sicher­stellen, dass eine Wiederholung dieser Verstöße unwahrscheinlich ist.

Für die Bereiche Korruption, Besteuerung und fairer Wettbewerb müssen ebenfalls Due Diligence Prozesse eingerichtet werden, jedoch in einem geringeren Umfang. Wenn Unternehmen unzureichende oder fehlende Due Diligence Prozesse in diesen Bereichen haben, bedeutet dies ebenfalls, dass sie die Minimum Safeguards nicht einhalten. Darüber hinaus führen rechtskräftige Verurteilungen von Unternehmen oder deren Führungs­kräf­ten im Zusammenhang mit den genannten Themen zur Nichteinhaltung des Mindestschutzes.

Die Themen Besteuerung und fairer Wettbewerb sind nicht von der OECD Due Diligence Guidance for Res­pon­sible Business Conduct (RBC) abgedeckt und beschränken sich deswegen auf die eigenen Tätigkeiten des Unternehmens. Für die Lieferketten Compliance hingegen sind die Themen Menschen- und Arbeitsrechte sowie Korruption ausschlaggebend. Das Unternehmen soll die negativen Auswirkungen in seiner Wert­schöpfungs­kette ansprechen. Zu den tatsächlichen und potenziellen nachteiligen Auswirkungen, die in den Anwendungsbereich von Artikel 18 fallen, gehören Auswirkungen auf Menschenrechte von Rechtsinhabern, die von den Aktivitäten eines Unternehmens betroffen sind, wie z.B. Arbeitnehmer, Gemeinschaften und Ver­brau­cher.


OECD Due Diligence Prozesse – ein gemeinsamer Nenner

Alle oben genannten Regelungen sind nicht isoliert, sondern als eine breite regulatorische Landschaft zu betrachten. Ein entscheidendes Merkmal, das diese Regelungen miteinander verknüpft, ist das Referenzieren auf die Sorgfaltspflichten der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Dies fördert die Einheitlichkeit in der Umsetzung und erleichtert Unter­neh­men die Anpassung an die Anforderungen. Die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelten Leitsätze dienen als internationaler Referenzrahmen für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln.

Die OECD-Due Diligence Prozesse fordern von Unternehmen, eine umfassende Due Diligence entlang ihrer Wertschöpfungskette durchzuführen, um sicherzustellen, dass sie keine Menschenrechtsverletzungen oder Umweltauswirkungen verursachen:

  • Verpflichtung zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards: Unternehmen müssen sich dazu verpflichten, Menschenrechtsstandards in ihre Unternehmenspolitik und -prozesse zu integrieren.
  • Identifizierung und Bewertung nachteiliger Auswirkungen: Unternehmen müssen mögliche negative Aus­wir­kungen ihrer Geschäftstätigkeiten auf die Menschenrechte identifizieren und bewerten. Dies schließt die aktive Beteiligung von Stakeholdern ein.
  • Ergreifen von Maßnahmen zur Verhinderung und Behebung von Verstößen: Unternehmen müssen Maß­nah­men ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, abzuschwächen oder zu beheben.
  • Überwachung und Berichterstattung: Unternehmen müssen die Umsetzung dieser Maßnahmen überwachen und darüber berichten, wie sie nachteilige Auswirkungen verhindern oder beheben.
  • Kommunikation: Unternehmen müssen öffentlich über ihre Bemühungen und ihren Ansatz zur Einhaltung der Menschenrechte informieren.
  • Beschwerdemechanismen: Unternehmen müssen Mechanismen für Beschwerden einrichten, damit die Stakeholder Hinweise über negative Auswirkungen äußern können.


Diese Pflichten sind nicht rechtlich bindend, sondern stellen einen freiwilligen Verhaltenskodex dar. Dennoch haben sie erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der nationalen und europäischen Gesetzgebung. Die Bedeutung der OECD-Due Diligence Prozesse liegt in ihrer Rolle als gemeinsamer Nenner für die oben genann­ten Regelungen. Im Mittelpunkt der Minimum Safeguards, des LkSG, der CS3D und der CSRD steht die Implementierung von bzw. Berichterstattung über die Due Diligence Prozesse, insbesondere im Bereich der Menschen- und Arbeitsrechte.



Unternehmen, die Due Diligence Prozesse umsetzen bzw. umgesetzt haben, sind besser gerüstet, um die Anforderungen der künftigen Regelungen zu erfüllen.

Diese Regelwerke stellen bedeutende Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen und ethisch verant­wor­tungs­bewussten Wirtschaft dar. Unternehmen, die diese Vorschriften umfassend implementieren, können nicht nur rechtliche Anforderungen erfüllen, sondern auch einen positiven Beitrag zur Gesellschaft und zur Umwelt leisten. Die Gemeinsamkeiten und Synergien zwischen dem LkSG, der CSRD, der CS3D und den Minimum Safeguards der EU-Taxonomie zeigen, dass die Europäische Union und die Mitgliedstaaten ernsthaft bestrebt sind, eine nachhaltige Wirtschaft zu fördern und Unternehmen zur Übernahme sozialer und ökologischer Verantwortung zu ermutigen.

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