Der Koalitionsvertrag und die Steuern – Kein großer Wurf, aber hilfreich

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​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 11. April 2025 | Lesedauer ca. 5​​​ Minuten

  

Der Koalitionsvertrag für die angestrebte schwarz-rote Koalition ist da! Unter großem Druck durch die wirtschaftliche Lage im Inland und die jüngsten geopolitischen Entwicklungen haben sich CDU/CSU und SPD am 9. April 2025 auf ein Regierungsprogramm für die nächsten vier Jahre geeinigt. Die sorgenvollen Botschaften der Wirtschaft scheinen bei der Politik angekommen zu sein, denn es werden Entlastungen für die Unternehmen angekündigt, die der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz in den Mittelpunkt seiner Vorstellung rückte.

  

 

  
Aus steuerlicher Sicht finden sich im Rahmen von 146 Seiten folgende positive Maßnahmen, die vor allem schnell wirken sollen:

  • Eine „Turbo-AfA“ für Ausrüstungsinvestitionen: konkret verbindet sich damit eine stark degressive Abschreibung von 30 Prozent, die für die Jahre 2025 bis 2027 gelten soll. Um kurzfristig für die Konjunktur und den industriellen Kapitalstock in Deutschland dringend notwendige Investitionen anzureizen, ist dies ein wirksames Mittel. Abzuwarten bleibt, wie der Anwendungsbereich abgegrenzt wird, insb. bezüglich der begünstigten Anlagenarten. 
  • Verbesserungen bei der Körperschaftsteueroption und der Thesaurierungsbegünstigung: dies soll helfen, die Steuerbelastung der über 60 Prozent aller Unternehmen, die der Einkommensteuer unterliegen, an die deutlich geringere Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften anzugleichen. Details sind noch nicht bekannt. Sollte es wirklich gelingen, die größten Anwendungshindernisse dieser Regelungen endlich zu beseitigen, wäre dies ein großer Fortschritt für die mittelständische Wirtschaft und Familienunternehmen.
  • Senkung der Energiesteuern: hier wird eine Entlastung von mindestens 5 ct/kwH. angestrebt. Als Mittel wird die Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau und eine Senkung der Netzentgelte und Umlagen genannt. Daneben wird die Ausdehnung der Strompreiskompensation und die Einführung eines günstigen Industriestrompreises für energieintensive Unternehmen angekündigt.
  • Deutliche Anhebung der Forschungszulage (Fördersatz und Bemessungsgrundlage) und Vereinfachung des Verfahrens
 
Andere, dringend erforderliche Reformvorhaben werden zeitverzögert in Angriff genommen:
  • Reduzierung der Körperschaftsteuer in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt, beginnend aber erst mit dem 1. Januar 2028. Immerhin wird damit endlich ein international wettbewerbsfähiges Belastungsniveau von 25 Prozent angestrebt. Was Hoffnung macht: dieses Vorhaben soll zusammen mit der Turbo-AfA gesetzlich umgesetzt werden - damit wird ein „STOP“ durch den allgemeinen Finanzierungsvorbehalt, unter dem alle Maßnahmen des Koalitionsvertrags stehen, eher unwahrscheinlich. Wenn substanzielle Verbesserungen bei der Thesaurierungsbesteuerung und der Körperschaftsteueroption umgesetzt werden, werden auch verstärkt Personenunternehmen von dieser steuerlichen Entlastung profitieren können. 
  • Reduzierung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen: eine Reform des Einkommensteuertarifs, die zumindest zu einer Minderung des „Mittelstandsbauchs“ führen kann, wird erst zur Mitte der Legislatur angekündigt, Details werden vorerst nicht genannt.
 
Auch der schwarz-roten Koalition fehlt der Mut, sich an eine umfassende Unternehmenssteuerreform zu wagen. Bedauerlicherweise enthält der Koalitionsvertrag kein Bekenntnis zur Prüfung und Umsetzung der Vorschläge der unabhängigen Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensbesteuerung“ - aus unserer Sicht eine vertane Chance, das Unternehmenssteuerrecht durch viele sinnvolle und wenig aufkommenswirksame Maßnahmen einfacher und praxistauglicher zu machen. Immerhin: für neugegründete Unternehmen soll die Möglichkeit geprüft werden, ab 2027 unternehmerische Einkünfte unabhängig von der Rechtsform immer der Körperschaftsteuer zu unterwerfen.
 
Keine Entlastungen sind bei der Gewerbesteuer in Sicht, im Gegenteil: der Mindesthebesatz wird auf 280 Prozent angehoben, was Gestaltungen mit Gewerbesteueroasen weniger attraktiv machen soll, aber die gesamte Unternehmerschaft in Gemeinden mit bisher niedrigerem Hebesatz zusätzlich belasten wird. Eine in der Diskussion befindliche Anhebung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen ist erfreulicherweise vom Tisch.
 
Angesichts der politischen Konstellation und der Diskrepanzen, die das Arbeitspapier der Arbeitsgruppe 16 Haushalt, Steuern, Finanzen zu den steuerlichen Positionen der Koalitionäre offenbarte, muss angemerkt werden, welche steuerlichen Zumutungen den Unternehmen erspart bleiben:
  • Eine Vermögensteuer wird nicht eingeführt. 
  • Keine Verschärfung der Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen. Hier bleibt die Entwicklung im anhängigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abzuwarten. 
  • Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer ist vorerst vom Tisch. Angesichts der nur allgemein angekündigten ESt-Senkung für kleine und mittlere Einkommen ohne konkrete Gegenfinanzierung wird diese Frage aber bis zur Mitte der Legislatur noch latent spannend bleiben.
  • Zu der in den Fachverhandlungen der Koalitionäre geforderten Besteuerung von Immobilienveräußerungsgewinnen außerhalb der Spekulationsfrist findet sich kein Prüfauftrag. 
 
Der Solidaritätszuschlag, der ganz überwiegend nur noch Unternehmen belastet, bleibt weiter erhalten; das sollte angesichts des kürzlich ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht überraschend sein. Aber auch hier ist eine Chance vertan, einfach und schnell ein Entlastungssignal an die Unternehmen zu setzen. 
 
Als Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels soll es steuerliche Begünstigungen zur Förderung von Mehrarbeit geben:
  • Steuerfreie Überstundenzuschläge bei Vollzeitarbeit
  • Steuerlicher Anreiz zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten: eine Prämienzahlung des Arbeitgebers zur Ausweitung der Arbeitszeit auf Vollzeit wird begünstigt
  • Einführung der Aktivrente: bis zu 2.000 Euro Hinzuverdienst im Monat sollen nach Erreichung der regulären Altersgrenze steuerfrei gestellt werden; die Begrenzung auf Hinzuverdienst in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung wird geprüft.
 
Die neue Koalition bekennt sich zu einer weiteren steuerlichen Förderung der E-Mobilität; angekündigt werden:
  • Erhöhung der Bruttopreisgrenze bei der steuerlichen Förderung von E-Fahrzeugen auf 100.000 Euro
  • Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge
  • Kfz-Steuerbefreiung für Elektroautos bis zum Jahr 2035
  
Entbürokratisierung und Digitalisierung ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Kapitel des Koalitionsvertrags. In steuerlicher Hinsicht bleiben die Ankündigungen eher vage und gegenüber den Erwartungen deutlich zurück. Insb. ein klares Bekenntnis zur Reduzierung steuerlicher Meldepflichten ist ausgeblieben. Im Gegenteil: Regelungen, die der Bekämpfung von Steuermissbrauch dienen, sollen von Einsparungs- und Vereinfachungsmaßnahmen ausgenommen bleiben. Bei der Registerkassenpflicht und der Dividendenbesteuerung/Kapitalertragsteuer (Stichwort: Cum-Cum) sieht man sogar zusätzlichen Regelungsbedarf. Beim Bund soll es einen Aufwuchs an Betriebsprüfern geben. Das klingt nicht nach dem vielbeschworenen Mind Change in Politik und Verwaltung gegenüber dem Steuerpflichtigen hin zu einer Vertrauenspartnerschaft. Immerhin: die Bonpflicht soll abgeschafft werden! 
 
Folgende spezifisch steuerliche Entbürokratisierungsmaßnahmen sind angekündigt:
  • Steuervereinfachung durch Typisierungen, Vereinfachungen und Pauschalierungen.
  • Prüfung einer Arbeitstagepauschale (Zusammenfassung von Werbungskosten für Arbeitnehmer).
  • Vereinfachung und Digitalisierung sollen bei der Steuergesetzgebung im Blick behalten werden. 
  • Stärkere Digitalisierung und Einsatz künstlicher Intelligenz in der Finanzverwaltung.
  • Digitale Abgabe von Steuererklärungen wird schrittweise verpflichtend.
  • Vereinfachung der Rentnerbesteuerung, Rentner und Arbeitnehmer sollen so weit wie möglich von Erklärungspflichten entlastet werden.
  • Sukzessive Ausweitung von vorausgefüllten und automatisierten Steuererklärungen für einfache Steuerfälle.
  • Sukzessive Umstellung auf Selbstveranlagung für Körperschaften und Personengesellschaften als Ziel.
 
Trotz der prekären Haushaltslage durchgesetzt haben sich – aus gesamtwirtschaftlicher Sicht gesehen eher fragwürdige – „Steuergeschenke“:
  • Pendlerpauschale: Dauerhafte Erhöhung ab 1. Januar 2026 auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer
  • Reduzierung des Umsatzsteuersatzes für Speisen in der Gastronomie zum 1. Januar 2026 dauerhaft auf sieben Prozent.
  • Vollständige Wiedereinführung der Agrardiesel-Rückvergütung und Befreiung von der Energiesteuer für den Einsatz alternativer Kraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft.
  
Und schließlich finden sich im Koalitionsvertrag noch eine Reihe von Einzelmaßnahmen zugunsten verschiedener Interessengruppen:
  • Steuerliche Verbesserungen bei Investitionen von Fonds in Infrastruktur und Erneuerbare Energien
  • Förderung des Gamestandorts Deutschland durch steuerliche Anreize
  • Anpassung des steuerlichen Rechtsrahmens für den Querverbund zur dauerhaften Sicherung des Fortbestands der kommunalen Daseinsvorsorge
  • Einsatz für eine einheitliche Tonnagesteuer für die Hochseeschifffahrt in der EU
  • Reduzierung der luftverkehrsspezifischen Steuern, Gebühren und Abgaben und Zurücknahme der Erhöhung der Luftverkehrsteuer 
  
Dieser Koalitionsvertrag muss wohl als ein Dokument politischer Vernunft und Kompromissfähigkeit unterschiedlich ausgerichteter Partner in einer außen- und innenpolitisch und wirtschaftlich sehr schwierigen Lage interpretiert werden. Der große „Wurf“ aus steuerlicher Sicht ist nicht gelungen. Es finden sich aber einige Ansatzpunkte, die Unternehmen die weitere Existenz in Deutschland zumindest ein Stück weit erleichtern können. Es kommt entscheidend darauf an, dass die schwarz-rote Koalition jetzt „liefert“: solide Haushaltsplanung und Finanzierung der versprochenen Entlastungen, schnelle, einfache Umsetzungsgesetze, mutige Schritte bei der Entbürokratisierung und Digitalisierung und der Wandel hin zu einer leistungsfähigen Steuerverwaltung, die den Steuerpflichtigen wieder auf Augenhöhe begegnet.​
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