Hongkongs Revival als Holdingstandort? Resiliente Lieferketten im Blick

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veröffentlicht am 3. April 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Über viele Jahre hinweg war China das erste Ziel für die Auslagerung von Teilen der Produktion und/oder Sourcing für Rohmaterialen und Vorprodukte. Hierfür wurden in aller Regel eigene Tochtergesellschaften in China gegründet. Aus steuerlichen Grün­den, aber auch durch erhöhte Sicherheit und Flexibilität und nicht zuletzt aufgrund der sehr guten Rahmenbedingungen in Hongkong wurde häufig eine in Hongkong ansäs­sige Gesellschaft als Muttergesellschaft der chinesischen Niederlassung zwischen­geschaltet. Insbesondere durch Reformen des chinesischen Wirtschaftsrechts und auch durch das Inkrafttreten des deutsch-chinesischen Doppelbesteuerungsabkom­mens nahm die Bedeutung einer Hongkong-Holdinggesellschaft in den letzten Jahren stetig ab.



Hier scheint sich jedoch ein Richtungswechsel abzuzeichnen. Die durch die Coronapandemie verursachten Lieferprobleme als auch die schwelenden Handelskonflikte zwischen den westlichen Staaten und China führten und führen zu einem starken Hinterfragen der China-Strategie vieler Unternehmen. Ebenso wird eine stärkere Diversifizierung der Lieferketten in die strategischen Überlegungen mit einbezogen, um nicht von Entscheidungen eines einzelnen Staates, mit womöglich einschneidenden Folgen für das Unternehmen, abhängig zu sein. Das Ziel vieler Unternehmen ist, ausgelagerte Produktionen geografisch breiter zu streuen und auch Lieferanten für Rohmaterialen und Vorprodukte breiter zu fächern. Zudem können auch erhöhte Anforderungen durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als auch rechtliche Anforderungen in Drittstaa­ten (z.B. Importverbote der USA nach dem Uyghur Forced Labor Prevention Act) eine Diversifizierung der Lieferketten notwendig machen.
 
Viele Unternehmen streben daher eine höhere Zahl möglicher Lieferanten an, um den Ausfall eines einzelnen Lieferanten zügig kompensieren zu können und die eigenen Lieferketten resilienter zu gestalten. Dazu gehört auch, die Lieferanten geografisch zu verteilen, um auch politische Risiken in einem der Lieferantenländer ausgleichen zu können. Kurz gesagt: es geht um eine Erhöhung der Zahl alternativer Lieferanten, die Herstel­lung von Produkten an mehreren Standorten als auch die Verbesserungen in der Lagerhaltung, um kurzfristig auf (geopolitische) Krisen reagieren zu können.
 
Grundsätzlich bedeutet eine Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivitäten in verschiedenen Ländern als auch die Koordination der international verteilten Lieferanten einen deutlich höheren Aufwand für das Unternehmen. Nicht nur sind unterschiedliche Rechtssysteme zu beachten, sondern auch in steuerlicher Sicht können Heraus­forderungen auf die Unternehmen zukommen. Hinzu kommt, dass die Kontrolle und Überwachung der Aktivitäten von Deutschland aus sich häufig als schwierig erweisen. Zur Bündelung, Verwaltung und Überwa­chung der Aktivitäten im ostasiatischen Raum kann daher die Errichtung einer Holdinggesellschaft in Hongkong ein geeigneter Weg sein.

Hongkong als Standort einer Holdinggesellschaft

Für den Standort einer Holdinggesellschaft bietet sich Hongkong aus verschiedenen Gründen sehr gut an:

Lage

Mit seiner Lage in Südchina sind sowohl die Volksrepublik China als auch die Staaten Ost- und Südostasiens in kurzer Zeit erreichbar. Zudem ist Hongkong Teil der Greater Bay Area (GBA) und profitiert so durch eine enge Verzahnung und Anbindung an die Millionenstädte Guangzhou, Shenzhen, Zhuhai, Foshan und weiteren Mega­städten der Guangdong Provinz, ebenso wie die enge Bindung an die Sonderverwaltungszone Macau.

 

Infrastruktur

Mit seinem internationalen Flughafen zählt Hongkong neben Singapur als einer der exzellenten Verkehrskno­ten­punkte in Asien. Nicht nur in der Region verzeichnet Hongkong ein enges und ausgezeichnete Netz an Flugverbindungen, auch nach Europa und in den Rest der Welt bestehen gute zivile als auch Cargo-Flugverbin­dungen, die insbesondere für die deutsche Luftfahrt- und Logistikbranche von großer Bedeutung sind.

 

Neben dem ausgezeichneten Flugnetz verfügt Hongkong noch immer über einen der größten Hafenumschlag­plätze der Welt, wenngleich ein beträchtlicher Teil der Wettbewerber sich auf Festland-China findet. Die Bedeutung dieses Hafens bleibt, ob der Konkurrenz, dennoch von immenser Bedeutung insbesondere auch aufgrund seiner Stellung als Freihafen.

Um Hongkong noch einfacher mit dem Festland zu verbinden, wurde mit einem gigantischen Infrastruktur­projekt innerhalb weniger Jahre die längste Meeresbrücke der Welt – die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke – gebaut, eingeweiht und in Betrieb genommen. Zudem ist Hongkong an das chinesische Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetz angebunden.

Nicht nur mit der Verkehrsinfrastruktur kann Hongkong punkten. Daneben besteht ein überaus breites Spektrum an Räumlichkeiten für Geschäfts- und Lagerräume, ebenso wie spezielle Zonen für Start-Ups, Labs, ThinkTanks usw. In technischer Hinsicht (Mobilfunk, Internet usw.) gehört Hongkong zur Weltspitze.

 

Sprachen

Neben Chinesisch (Kantonesisch, Hochchinesisch) ist Englisch die Amtssprache in Hongkong. Dies erleichtert insbesondere den Verkehr mit Behörden immens. Auch Gerichtsverfahren können in englischer Sprache geführt werden. Aufwendige Übersetzungen sind nicht erforderlich.

 

Rechtssystem

Hongkong verfügt über ein unabhängiges Rechtssystem, das auf dem britischen Common Law basiert. Die Gerichte sind unabhängig. Entscheidungen Hongkonger Gerichte, aber auch von Schieds- oder Mediations­insti­tutionen werden in den meisten Staaten der Welt anerkannt und für vollstreckbar erklärt (inklusive der Volksrepublik China für Entscheidungen in bestimmten Zivil- und Handelsangelegenheiten), so dass sich Hongkong als Vertragsort und Ort möglicher Streitbeilegung anbietet.

 

Schutz des Geistigen Eigentums

Die Anmeldung und Registrierung von Marken, Urheberrechten, Patenten usw. erfolgt zügig. Verletzungen werden umgehend verfolgt.

 

Visum

Ausländer, die für die Holdinggesellschaft in Hongkong arbeiten sollen, benötigen ein Arbeitsvisum. Der Antragsprozess für ein Arbeitsvisum ist, verglichen mit vielen anderen Staaten, verhältnismäßig einfach und zügig. In aller Regel erfolgt die Erteilung eines Arbeitsvisums ohne große Probleme.

 

Unternehmensgründung

Hongkong gilt als eine der freiesten Volkswirtschaften der Welt. Die Gründung eines Unternehmens bspw. in Form einer Limited Company ist einfach und dauert in der Regel nur wenige Tage.

 

Steuern

Hongkong verfügt über ein sehr einfaches Steuersystem. Die Körperschaftssteuer für Unternehmen beträgt 8,25 Prozent bis zu einem Gewinn von 2 Mio. HKD und 16,5 Prozent für darüber hinaus gehende Gewinne. Offshore-Gewinne oder Gewinne, die außerhalb des Territoriums von Hongkong erwirtschaftet werden, sind von der Steuerpflicht ausgenommen. Es wird keine Quellensteuer auf Dividenden- oder Zinszahlungen erhoben.

 

Bankwesen

Hongkong ist eines der größten Finanzzentren der Welt und verfügt dementsprechend über ein exzellentes Bankwesen. Daneben ist Hongkong eines der größten Offshore-RMB-Clearingzentren, was Finanztransaktionen mit der Volksrepublik China enorm erleichtert. Die Börse Hongkong (Stock Exchange Hong Kong) zählt zu den drei größten Börsen Asiens und befindet sich nach einem coronabedingten Stopp von IPOs wieder im Aufschwung. Es bestehen zudem keine Beschränkungen im Kapitalverkehr.

 

Freier Informationsfluss

Grundsätzlich können Informationen in Hongkong frei fließen (unter Beachtung der hiesigen Datenschutzre­gelungen). Insbesondere im Vergleich zu Ländern mit strengen Anforderungen an Datensicherheit, Ort der Datenspeicherung – wie beispielsweise in der Volksrepublik China – kann sich Hongkong daher auch als Datenzentrum anbieten. Dadurch kann der entsprechende Aufwand in anderen Ländern und die Gefahr der erzwungenen Offenlegung von (sensiblen) Daten gegenüber Behörden in solchen Ländern verringert werden. Zudem gibt es keine Beschränkungen für westliche Informations- und Unterhaltungsapps und Webseiten, sei es zur Informationsbeschaffung über offizielle Nachrichtenseiten noch zur privaten Nutzung (Instagram, Facebook, WhatsApp usw.).

 

Cash-Pooling

Eine Holdinggesellschaft in Hongkong kann die Obergesellschaft in Deutschland in Fragen der Bereitstellung von Liquidität bei einzelnen Niederlassungen entlasten und den Liquiditätsausgleich für diese Niederlassungen in der Region übernehmen.

 

Ausblick

In den letzten Jahren hat Hongkongs Image einen gewaltigen Dämpfer erhalten, insbesondere durch die Proteste und v.a. durch die Corona-Pandemie. Mit der weltwirtschaftlichen Erholung scheint auch Hongkong selbst sich wiederzubeleben und sich neu auszurichten. Unsere Beispiele oben stellen nur einige Punkte dar und sollen als generelle Anhaltspunkte verstanden werden, welche Vorteile eine Holdinggesellschaft in Hongkong für die Aktivitäten in Ost- und Südostasien bieten kann.
 
Am Ende stehen immer die individuelle Prüfung und die individuellen Bedürfnisse eines Unternehmens im Vordergrund. Entsprechend den Erfordernissen des Unternehmens kann aber eine Holdinggesellschaft in Hongkong ein geeignetes Vehikel zur Strukturierung, Umsetzung und Steuerung der Geschäftsaktivitäten und zur Diversifikation der Lieferketten in der Region sein.

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