Erfolgreich investieren in Hongkong (SAR)

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​​​​​​​​​​zuletzt aktualisiert am 7. Juni 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

 

 

Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Hongkong ein?

Nach den drastischen Einschnitten durch die Pandemie konnte sich die Wirtschaft Hongkongs im Jahr 2023 dank der Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen und der Wiederbelebung des Tourismus erholen. Das BIP wuchs 2023 um 3,2 Prozent. Gleichzeitig bremsen ein schwieriges außenwirtschaftliches Umfeld aufgrund zunehmender geopolitischer Spannungen sowie verschärfte finanzielle Rahmenbedingungen das Wachstum.
  
Angesichts der genannten bremsenden Faktoren wird auch für die Warenexporte nur ein moderates Wachstum erwartet. Zwar sind die Warenexporte leicht gestiegen, allerdings ist hier ein Ungleichgewicht zu erkennen: Insbesondere die Exporte nach Festlandchina nahmen zu, während die Exporte in die USA und die EU zurückgingen und sich die Exporte in andere asiatische Märkte uneinheitlich entwickelten. Es wird vor allem erwartet, dass sich Verbesserungen in diesem Bereich durch die Lösung der akuten politischen Konflikte und durch wirtschaftsfördernde Maßnahmen, insbesondere durch Senkungen der Leitzinsen, in den führenden Volkswirtschaften einstellen.
  
Der Einzelhandel erholt sich weiter von den Auswirkungen der Pandemie und verzeichnete im vergangenen Jahr höhere Umsätze. Eine weitere Erholung des Konsumklimas wird durch vermehrte Großevents, staatliche Maßnahmen zur Ankurbelung des Konsums und steigende Touristenzahlen erwartet. Eine Herausforderung bleibt jedoch die Veränderung des Konsumverhaltens sowohl von der Bevölkerung als auch von den Touristen. 
  
Grundsätzlich stellt sich die wirtschaftliche Lage jedoch als robust dar. Die Inflation ist sehr niedrig, auch wenn die geopolitischen Spannungen für Unsicherheit sorgen. Die Arbeitslosenquote betrug im März 2024 lediglich 3,0 Prozent bei insgesamt 3,8 Mio. Personen im erwerbsfähigen Alter.
  
Trotz des schwierigen außenwirtschaftlichen Umfelds wird für 2024 ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent bis 3,5 Prozent prognostiziert. Die Inflation soll mit 1,7 Prozent auf einem niedrigen Niveau bleiben. Die Wachstumsprognosen stützen sich vor allem auf steigende Dienstleistungsexporte, eine Lockerung der finanziellen Rahmenbedingungen in den wichtigsten Volkswirtschaften, steigende Haushaltseinkommen sowie steigende touristische Besucherzahlen, die auch durch die Förderung von Mega-Events erreicht werden sollen.  
  

Wie würden Sie das Investitionsklima in Hongkong beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

Hongkong zählt nach wie vor zu den freiesten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsstandorten der Welt. In verschiedenen internationalen Rankings rangiert Hongkong unter den TOP 3, z.B. als freiester Wirtschafts­standort, Empfänger ausländischer Direktinvestitionen oder Wirtschaftsfreundlichkeit. Bei den weltweit größten Importeuren und Exporteuren liegt Hongkong unter den TOP 10.
  
Die Stadt bietet eine hervorragende Infrastruktur mit dem internationalen Flughafen, dem Freihafen, aber auch dem Angebot an Büroflächen, technischer Infrastruktur, freiem Informationsfluss und nicht zuletzt einer hohen Lebensqualität. Mit Englisch als Amtssprache ist auch die Kommunikation mit den Behörden einfach. Hongkong liegt strategisch günstig an der Schwelle zu China und dem ebenfalls wirtschaftlichen Schwer­gewicht, der Greater Bay Area in Guangdong. Alle wichtigen asiatischen Märkte sind innerhalb von vier  Flugstunden von Hongkong aus erreichbar.
  
Hongkong bietet hervorragende Bedingungen für Investitionen. Firmengründungen sind unkompliziert und innerhalb weniger Tage möglich. Das Steuersystem ist einfach, die Körperschaftsteuer niedrig, viele Steuer­arten wie Umsatzsteuer oder Quellensteuer auf Zinsen oder Dividenden existieren gar nicht, Offshore-Gewinne sind steuerfrei. Es gibt eine unabhängige Justiz und Urteile von Hongkonger Gerichten und Schieds­insti­tutionen werden in den meisten Ländern der Welt anerkannt und vollstreckt, ebenso wie deutsche Urteile in Hongkong anerkannt und vollstreckt werden können. Aufgrund des guten Bildungssystems verfügt Hongkong über sehr gut ausgebildete Fachkräfte. Das Arbeitsrecht ist ausgesprochen arbeitgeberfreundlich. Als inter­nationaler Finanzplatz verfügt Hongkong über ein ausgezeichnetes Bankensystem.
  
Von herausragender Bedeutung für Hongkong ist natürlich Festlandchina. Hongkong ist der führende Standort für RMB-Offshore-Transaktionen und wickelt derzeit mehr als 70 Prozent von Chinas weltweitem RMB-Handel ab. Zwischen Hongkong und China besteht ein Freihandelsabkommen (Mainland and Hong Kong Closer Economic Partnership Arrangement – CEPA), das riesige Märkte für Waren und Dienstleistungen aus Hongkong eröffnet. CEPA ist unabhängig von der Nationalität und bietet Unternehmen mit Sitz in Hongkong – ob in lokaler oder ausländischer Hand – eine effektive Plattform zur Erschließung der enormen Marktpotenziale in China. Hongkongs Integration in die Greater Bay Area, eine besonders geförderte Wirtschaftsregion an der Mündung des Perlflusses im Süden Guangdongs, bringt weitere deutliche Erleichterungen für Geschäftsaktivitäten in der Region. Darüber hinaus ist Hongkong auch Mitglied des ASEAN-Freihandels​abkommens, so dass von Hongkong aus ein verbesserter Marktzugang und Handelsbeziehungen zu den zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten genutzt werden können.
  
Für deutsche Unternehmen bietet Hongkong vielfältige Chancen und Möglichkeiten. Insbesondere als Logistikstandort sowie als Standort für Einkaufsgesellschaften und Sourcing. Im Hinblick auf die Diversifizierung von Lieferketten können bestehende oder neue Niederlassungen in Hongkong als Mutter­gesellschaften für neue Standorte in Südostasien, z.B. Vietnam, dienen. Zudem nutzen viele Firmen ihre Niederlassungen in Hongkong als regionale Hauptquartiere, um Compliance-Vorgaben, wie das Liefer­kettensorgfaltspflichtengesetz, effektiv umzusetzen.
  
Die alternde Bevölkerung erfordert Investitionen im Gesundheitssektor, was insbesondere Geschäftschancen in den Bereichen Pharma und Medizintechnik schafft. Trotz noch nicht vollständig erholter Touristenzahlen bleibt die Stadt ein attraktives Einkaufsziel, besonders für chinesische Festlandtouristen und dabei vor allem das Luxussegment. Der dynamische FinTech-Sektor und Hongkongs Rolle als Logistik- und Handelsdreh­scheibe machen es zu einem idealen E-Commerce-Standort, eng verbunden mit dem riesiger Konsumenten­markt Chinas. Zudem bieten herausfordernde infrastrukturelle Projekte, wie in der Frischwasserversorgung und Abfallentsorgung, deutschen Firmen gute Aussichten bei entsprechenden Ausschreibungen zu partizipieren.
   

Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Hongkong gegenüber?

Hongkong gehört zu den teuersten Städten der Welt. Dies zeigt sich vor allem bei den allgemeinen Lebens­haltungskosten, insbesondere bei den Mieten.  Dies wirkt sich auf das Lohnniveau ausländischer Arbeitskräfte aus und Unternehmen müssen mit deutlich höheren Lohn- und Gehaltskosten rechnen. Zudem ist der Arbeitsmarkt für Fachkräfte derzeit angespannt. Wie bei jedem Auslandsengagement gibt es auch in Hongkong Mentalitätsunterschiede und kulturelle Kontraste. Entsandte Fach- und Führungskräfte sollten dafür sensibel sein und über entsprechende interkulturelle Kompetenzen verfügen.
  
Zudem kann die Eröffnung eines Bankkontos für neu gegründete Unternehmen aufwendig und mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden sein. Fast alle Banken haben ihre Prozesse diesbezüglich verschärft, nicht zuletzt aufgrund strengerer Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche. 

   

Wie wirkt sich Pekings Einfluss auf Hongkong konkret aus?

Nach der Rückgabe Hongkongs an China behielt Hongkong gemäß der Formel „Ein Land, zwei Systeme“ als Sonderverwaltungsregion ein eigenes Rechtssystem mit freier Marktwirtschaft, eigener Währung, eigenem Rechtssystem, eigenen Gesetzen, einem politischen System mit demokratischen Elementen und garantierten bürgerlichen Freiheiten wie Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Diese Formel gerät unter dem Druck Pekings zunehmend ins Wanken. Insbesondere das verabschiedete Sicherheitsgesetz schränkt die bürgerlichen Freiheiten deutlich ein. Auch das politische System hat mit der Ausgrenzung demokratischer Parteien deutliche Rückschritte gemacht. 
  
Vor allem das Sicherheitsgesetz sorgt für erhebliche Unruhe. Ausländische Organisationen und Institutionen dürfen sich nicht politisch betätigen. Bereits in Festlandchina ist in den letzten Jahren eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen zu Sicherheit, Spionageabwehr und ähnlich sensiblen Bereichen erlassen worden. Dies wird nun auf Hongkong ausgeweitet. Insgesamt ist mit einer weiteren starken Einflussnahme Pekings auf die Innenpolitik Hongkongs zu rechnen, insbesondere was die politische Betätigung der Bürger, aber auch die Einschränkung der Pressefreiheit sowie eine stärkere Reglementierung des Schulwesens betrifft.
  
Auf der anderen Seite scheint sich Peking aus anderen Bereichen weitgehend herauszuhalten. Dies gilt für die Wirtschaft, die Währung, das Rechtssystem, die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, den freien Informationsfluss für die Wirtschaft, den freien Waren- und Kapitalverkehr und andere Bereiche. Auch im Steuer- und Abgabenrecht unterliegt Hongkong keinen Weisungen aus Peking. Im Vergleich zu Festlandchina nimmt Hongkong damit nach wie vor eine Sonderstellung ein, und die Unterschiede sind nach wie vor außergewöhnlich. Bürger und Unternehmen genießen in Hongkong nach wie vor deutlich größere Freiheiten als in Festlandchina.
   

Wie wird sich aus Ihrer Sicht Hongkong weiterentwickeln?

Angesichts der Bedeutung Hongkongs in wirtschaftlicher, vor allem aber in finanzpolitischer Hinsicht, ist davon auszugehen, dass die Sonderstellung als Sonderverwaltungsregion auch in Zukunft Bestand haben wird. So geht beispielsweise aus dem Rahmenplan für die Entwicklung der Greater Bay Area hervor, dass Hongkong eine wichtige Rolle spielen soll, die den Fortbestand des Sonderstatus voraussetzt. Zu nennen sind hier beispiels­weise die weitere Entwicklung Hongkongs als internationales Finanz-, Schifffahrts- und Handelszentrum sowie als internationales Luftverkehrsdrehkreuz, als globales Offshore-RMB-Handelszentrum, als internationales Zentrum für Vermögensverwaltung und Risikomanagement, aber auch als internationales Zentrum für Streit­beilegung und als Handelszentrum für geistiges Eigentum.
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Hongkong wird auch weiterhin ein offener Brückenkopf nach Festlandchina und ein hervorragender Standort für die Steuerung von Aktivitäten in Ost- und Südostasien sein, der Investitionen willkommen heißt und Investoren ausgezeichnete Rahmenbedingungen und Geschäftsmöglichkeiten bietet.

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Dr. Thilo Ketterer

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