Gerichtsstands­vereinbarungen im transnationalen Rechtsverkehr – neue Entscheidung des EuGH

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zuletzt aktualisiert am 16. Mai 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Während Gerichtsstandsvereinbarungen im Bereich der Verbrauchergeschäfte in der Regel unwirksam sind, kann eine solche Regelung insbesondere im B2B-Bereich im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein. Für Unternehmen sind sie daher ein nicht zu unterschätzender Aspekt in der Vertragsge­staltung.


  

Formwirksame Gerichtsstandsvereinbarungen

Gerichtsstandsvereinbarungen geben den Parteien die Möglichkeit, im Voraus zu bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen ihnen zuständig ist und kann verhindern, dass die Parteien in einem Land ein Gerichtsverfahren führen zu müssen, in dem sie nicht ansässig sind oder mit deren Rechtsord­nung sie keine Erfahrung haben. Denn eine Klage im Ausland kann zu enormen Kosten führen. Aber auch für die Vollstreckung einer Entscheidung kann die Vereinbarung eines Gerichtsstands sinnvoll sein, da die Vollstre­ckung einer gerichtlichen Entscheidung aus dem Ausland in Deutschland oft mit Schwierigkeiten verbunden sein kann.
 
Vereinbaren die Vertragsparteien keine anzuwendende Rechtsordnung, ist im Regelfall dann das Recht des Staates derjenigen Vertragspartei maßgebend, welche die „vertragscharakteristische Leistung“ erbringt. In der Regel sehen dabei auch diese Rechtsordnungen, so wie auch das deutsche Recht, vor, dass eine Klage am zuständigen Gericht des Geschäftssitz der Beklagten einzureichen ist. Das können die Vertragsparteien im Rahmen eines B2B-Geschäfts jedoch ändern und einen Gerichtsstand vereinbaren. Diese Vereinbarung bedarf allerdings der Schriftform nach §38 Abs. 2 ZPO bzw. Art. 25 EuGVVO und Art. 23 Lugano-II-Übereinkommen. 
 

Gerichtsstandsvereinbarung in AGB wirksam

Dabei hatte das Gericht in seine jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 24. November 2022 (AZ C-358/21) über folgenden Fall zu entscheiden:
 
Eine belgische und eine deutsche Partei hatten einen schriftlichen Vertrag geschlossen. In diesem Vertrag hieß es ausdrücklich, soweit nichts anderes bestimmt sei, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer der beiden Parteien gelten sollen. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die mittels eines Hyperlinks auf einer Web­site eingesehen und heruntergeladen werden konnten, enthielten die Vereinbarung zur Anwendung englischen Rechts und eine Gerichtsstandsvereinbarung für englische Gerichte. Es kam zu Streitigkeiten über den Ver­trags­inhalt und eine der Parteien erhob Klage in Belgien. Die andere Partei rügte die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts mit dem Hinweis auf die in den AGB benannte Gerichtsstandsvereinbarung.
 
Der EuGH hatte damit zu entscheiden, ob AGB, die einem schriftlichen Vertrag weder als Anhang beigefügt waren noch von der anderen Partei anderweitig akzeptiert wurden, etwa durch Anklicken eines Felds, dennoch wirksam einbezogen worden sind, indem der Verwender im Vertrag durch einen Hyperlink auf die AGB auf einer Website verwies, die dort zum Abruf, Herunterladen und Drucken verfügbar waren.

Die Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat das bejaht und seine Entscheidung mit den Anforderungen des modernen Geschäftsverkehrs begründet, den Abschluss von Verträgen auf elektronischen Wege zu erleichtern. Das Gericht ging dabei davon aus, dass ein Verweis mittels Hyperlink auf AGB dann zulässig ist, wenn im Text des von beiden Parteien unter­zeichneten Vertrags selbst ausdrücklich auf die AGB hingewiesen wird. Nach dem EuGH war das Aufrufen der AGB vor Unterzeichnung des Vertrags möglich und die AGB wurden mittels Unterzeichnung des Vertrags durch die betreffende Vertragspartei akzeptiert. Somit war der Vertrag nach englischem Recht vor englischen Gerichten zu bewerten.

Auswirkungen auf die Geschäftspraxis

Diese Entscheidung des EuGH ist damit in zweierlei Hinsicht bedeutend:
 
Zum einen ist es mit Verlinkungen für Unternehmen leichter, ihre AGB in ein Vertragsverhältnis einzubringen. Diese gelten nämlich bereits dann als einbezogen, wenn im Vertrag ein Verweis auf AGB enthalten ist, die auf einer gesonderten Website jederzeit abruf- und einsehbar sind. Eine physische Beifügung eben dieser AGB ist damit nicht mehr erforderlich.
 
Auf Seiten des Verwenders der AGB heißt es damit, darauf zu achten, dass die AGB über den Link tatsächlich abrufbar sind, um wirksam in den schriftlichen Vertrag einbezogen zu werden.
 
Die andere Vertragspartei sollte bei einer Verlinkung auf AGB in einem schriftlichen Vertrag ebenfalls Vorsicht walten lassen und vor Vertragsschluss genau prüfen, was Inhalt der verlinkten AGB ist, um keine Vereinbarung einzugehen, die sie im Nachhinein unvorteilhaft bindet.
 
Zum anderen ist sowohl die Wahl des anzuwendenden Rechts als auch die Wahl des Gerichtsstandes von besonderer rechtlicher und wirtschaftlicher Bedeutung. Hier gilt es zu beachten, dass die Wahl der auf ein Vertragsverhältnis anzuwenden Rechtsordnung (Rechtswahl) nicht mit der Wahl des Gerichtsstand (Gerichts­standsvereinbarung) gleich zu setzen ist. Um ein Auseinanderfallen zu verhindern mit der Folge, dass ein deutsches Gericht ausländisches Recht anzuwenden hat oder ein ausländisches Gericht deutsches Recht anzuwenden hat, sollte dringend darauf geachtet werden, die Rechtswahl und die Gerichtsstandsvereinbarung einheitlich zu regeln.

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