Luxus Pumps von Christian Louboutin – Haftung von Amazon für Markenrechtsverletzungen von Drittanbietern

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​​veröffentlicht am 5. April 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten
Mit Urteil vom 22. Dezember 2022, Az.: C-148/21 / C-184/21, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH)  entschieden, dass der Plattformbetreiber Amazon unter be­stimm­ten Voraussetzungen für Markenrechtsverletzungen durch Drittanbieter haftet und damit neue rechtliche Maßstäbe für die Haftung von Online-Plattformbetreibern ge­setzt. Wenn den Nutzern der Amazon-Plattform der Eindruck vermittelt wird, dass Amazon im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Pumps der Luxusmarke Lou­bou­tin verkauft, ist nach Auffassung des EuGH davon auszugehen, dass Amazon das Zeichen, das mit einer fremden Unionsmarke identisch ist, selbst benutzt. Das gilt auch dann, wenn der Verkauf durch Dritte erfolgt.
 

 

Zum Sachverhalt

Der Kläger, Christian Louboutin, ist ein bekannter Designer, unter anderem für Luxusschuhe. Das besondere Kennzeichen seiner Damenschuhe ist eine rote Sohle. Durch diese Sohle sind die Schuhe als „Louboutins“ zu erkennen. Die rote Farbe der Sohle hat der Designer auch in der Europäischen Union als geschützte Marke eintragen lassen. 


Amazon betreibt Websites für den Online-Verkauf unterschiedlicher Waren, die Amazon sowohl direkt im ei­ge­nen Namen und für eigene Rechnung als auch indirekt durch Bereitstellung eines Online-Marktplatzes für andere Händler anbietet. Der Versand der von diesen anderen Händlern auf diesem Online-Marktplatz zum Verkauf angebotenen Waren kann entweder von diesen Händlern selbst oder von Amazon übernommen wer­den. Im letzteren Fall lagert Amazon die betreffenden Waren in seinen Vertriebszentren und versendet sie aus seinen eigenen Lagern an die Käufer. 


Insoweit unterscheidet sich dieses „hybride“ Geschäftsmodell Amazons von dem der Plattformen anderer Un­ter­neh­men wie z.B. eBay, die ausschließlich einen Online-Marktplatz betreiben und daher nur Anzeigen von Drittanbietern veröffentlichten, ohne selbst Waren zu verkaufen.


Auf den Websites von Amazon erschienen regelmäßig Verkaufsanzeigen für rotbesohlte Schuhe, die laut Christian Louboutin ohne seine Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Hierdurch sah der Designer seine Markenrechte verletzt und erhob Klage gegen Amazon.


Die Klage beruhte auf Art. 9 Abs. 2 lit. a) der Verordnung (EU) 2017/1001 vom 14. Juni 2017 über die Unions­mar­ke (Unionsmarkenverordnung – UMV). Herr Louboutin machte geltend, Amazon habe ohne seine Zustimmung ein mit der in Rede stehenden Marke identisches Zeichen für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch seien, für die diese Marke eingetragen sei; das sei insbesondere durch das Einblenden von Anzeigen für Waren mit einem solchen identischen Zeichen auf der Online-Verkaufsplattform von Amazon geschehen, aber auch durch den Besitz, den Versand und die Lieferung solcher Waren. 


Eine solche Benutzung sei Amazon zuzurechnen, da Amazon bei der Benutzung des in Rede stehenden Zei­chens eine aktive Rolle gespielt habe und die Anzeigen für die markenverletzenden Waren Teil der eigenen kommerziellen Kommunikation von Amazon gewesen seien. Amazon könne daher nicht als bloßer Hosting-Anbieter von Websites oder als neutraler Vermittler angesehen werden, zumal Amazon Drittanbietern, ins­be­son­de­re bei der Optimierung der Präsentation ihrer Angebote, Unterstützung gewähre.


Die angerufenen Gerichte in Luxemburg und Belgien haben die Fragestellung sodann dem EuGH zur Vor­ab­ent­schei­dung vorgelegt.

 

Entscheidung des EuGH

Mit Urteil vom 22. Dezember 2022 hat der EuGH nun entschieden, dass Amazon unter bestimmten Vor­aus­set­zungen für Markenrechtsverletzungen von Drittanbietern haften müsse.


In seiner Entscheidung hat der EuGH zunächst unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung ausgeführt, dass der Begriff „benutzen“ im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UMV nach seinem gewöhnlichen Sinn ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung voraussetze und dass die Benutzung eines mit einer Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UMV  zumindest bedeute, dass der Dritte das Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutze. 


Kommerzielle Kommunikation umfasse nach den Ausführungen des EuGH jede Form der an Dritte gerichteten Kommunikation, die darauf abzielt, die Tätigkeit, die Waren oder die Dienstleistungen des Unternehmens anzupreisen oder auf die Ausübung einer solchen Tätigkeit aufmerksam zu machen. Die Benutzung eines Zeichens in der eigenen kommerziellen Kommunikation eines solchen Unternehmens setze somit voraus, dass dieses Zeichen aus Sicht Dritter als fester Bestandteil der Kommunikation und damit als zur Tätigkeit des Unternehmens gehörig erscheint.


Hierfür bedürfe es einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere komme der Art und Weise, wie die Anzeigen auf der fraglichen Plattform präsentiert werden, sowie der Art und dem Umfang der von ihrem Betreiber erbrachten Dienstleistungen besondere Bedeutung zu.


Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass davon auszugehen sei, dass der Plattform-Betreiber ein rechts­ver­letz­en­des Zeichen selbst benutze, wenn er neben den eigenen Verkaufsangeboten eine Online-Plattform be­reit­stel­le und für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Nutzer der Eindruck entstehe, dass zwischen den Dienstleistungen des Betreibers und dem rechtsverletzenden Zeichen eine Verbindung bestehe.  


Das sei insbesondere dann der Fall, wenn ein solcher Nutzer den Eindruck haben könnte, dass der Plattform-Betreiber derjenige ist, der die mit diesem Zeichen versehenen Waren im eigenen Namen und für eigene Rech­nung selbst vertreibt. Insoweit sei relevant, 

  • dass der Betreiber die auf seiner Plattform veröffentlichten Angebote einheitlich präsentiert, indem er die Anzeigen für die im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkauften Waren zusammen mit den Anzeigen für die von Drittanbietern auf dem betreffenden Marktplatz angebotenen Waren einblendet, 
  • dass er bei all diesen Anzeigen sein eigenes Logo als renommierter Vertreiber erscheinen lässt und 
  • dass er Drittanbietern im Rahmen des Vertriebs der mit dem fraglichen Zeichen versehenen Waren zu­sätz­li­che Dienstleistungen anbietet, die u. a. darin bestehen, diese Waren zu lagern und zu versenden.

Damit hat der EuGH den vorlegenden Gerichten in Luxemburg und Belgien, vor denen Christian Louboutin gegen Amazon geklagt hat, nunmehr klare Vorgaben an die Hand gegeben, um zu klären, ob Amazon den Nutzern der Plattform den Eindruck vermittelt hat, dass im Namen und auf Rechnung von Amazon selbst Luxus Pumps mit der roten Sohle verkauft würden. 

Wie die Gerichte entscheiden werden, bleibt abzuwarten.

 

Zusammenfassende Bewertung und Ausblick

Das Urteil des EuGH dürfte zunächst überraschen. So hat der EuGH in der Vergangenheit wiederholt, zuletzt in seiner Entscheidung vom 2. April 2020 – Coty Germany ./. Amazon, Rs. C‑567/18, klargestellt, dass eine Haftung des Plattform-Betreibers für Markenrechtsverletzungen von Drittanbietern in der Regel nicht in Betracht kommt.

 

Anders als in den bislang entschiedenen Fällen, hatte sich der EuGH vorliegend allerdings erstmals auch mit der Frage des „hybriden" Geschäftsmodells von Amazon auseinanderzusetzen im Rahmen dessen Amazon hinsichtlich des „Absatzes" von Schuhen nicht nur als Betreiber der Plattform in Erscheinung tritt, sondern neben Angeboten von Drittanbietern auch eigenen Angebote auf seiner Webseite anbietet und präsentiert. 

 

Unabhängig von dem konkreten Ausgang des vorliegenden Verfahrens vor den nationalen Gerichten in Luxem­burg und Belgien, hat der EuGH hat seinem Urteil nunmehr Kriterien aufgestellt, aus denen sich bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine Haftung von Amazon & Co. für Markenrechtsverletzungen von Dritt­anbietern ableiten lässt. Es ist davon auszugehen, dass sich auch die Rechtsprechung des Bun­des­ge­richts­ho­fes in Zukunft daran orientieren wird.


Markeninhaber dürften künftig daher deutlich öfter als bisher gegen den Plattform-Betreiber selbst und nicht nur gegen den jeweiligen Händler vorgehen. 

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