Domaingrabbing und Vorgehen gegen rechtswidrige Domainregistrierung

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​​​​​​​​ zuletzt aktualisiert am 5. April 2023 | Lesedauer ca. 8 Minuten

     

Das Domain Name System (DNS) sorgt dafür, dass die Internet-Nutzer nicht um­ständ­lich mit den numerischen IP-Adressen hantieren müssen und die Erreichbarkeit im Internet durch aussage­kräf­tige Domainnamen gesichert ist. Dem Internetauftritt kommt im heutigen alltäglichen Geschäftsleben eine stets wachsende Bedeutung zu und die Domains werden immer öfter ein Thema. Gegenstand des Beitrages ist die Aufklärung des Rechts­verhältnisses zwischen Domain und geschützten Kenn­zei­chen/Namen sowie der möglichen Ansprüche des Kennzeichen­rechts­inha­bers/Na­men­trä­gers gegen Domaininhaber bei einer Rechts­verletzung durch Domain­re­gis­trie­rung/-nutzung.




 

Domain als Schutzgegenstand des Namen-/Kennzeichenrechts

Mit dem Abschluss eines Registrierungs­vertrags mit einer akkreditierten Registrierungs­stelle erwirbt der Domain-Registrant (auch Domain-„Inhaber” genannt) ein vertragliches Nutzungs­recht an der von ihm ausgewählten Domain. Die Domainregistrierung gewährt, im Gegensatz zu einer Markenregistrierung, dem Domain-Registranten noch keine besonderen Schutzrechte, mit denen er gegen die Registrierung und Nutzung eines ähnlichen bzw. verwechslungs­fähigen Domain­namen oder sonstigen Kennzeichen durch andere vorgehen könnte.

 

Beispiel:

Der Domain-Registrant, der gerade den Domainnamen „xyz123.com” erfolgreich für sich registriert hat, kann aufgrund der Domainregistrierung allein noch keinen Anspruch geltend machen, dass die anderen von der Nutzung der Bezeichnung „xyz123”, u.a. als Bestandteil eines anderen Domainnamen oder als Domainnamen mit einen anderen Endung, auszuschließen sind. Ebenso wenig gegen diejenigen, die „xyz123” zu einem späteren Zeitpunkt als Marke oder Geschäfts­zeichen registrieren und nutzen wollen.

    

Ein Domainname kann aber dem Schutz des MarkenG oder des allgemeinen Namensschutzes nach § 12 BGB zugrunde liegen. Durch die Benutzung eines Domainnamens im geschäftlichen Verkehr könnte ein ent­spr­echen­des Unternehmens­kennzeichen im Sinne des § 5 Abs. 2 MarkenG erworben werden, wenn der Verkehr in der als Domainnamen gewählten Bezeichnung einen Herkunfts­hinweis erkennt (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2008, Az. I ZR 159/05). Die Domain­bezeichnung kann ferner marken­rechtlichen Schutz gem. § 5 Abs. 1 MarkenG beanspruchen, wenn der Domainname hinreichend Unterscheidungskraft besitzt und Verkehrsgeltung erlangt hat.

 

Beispiel:

Betreibt der Domaininhaber unter „xyz123.com” einen Online-Shop „xyz123”, entsteht mit der kenn­zeichnenden Verwendung und auf Dauer angelegter Inbenutzungsnahme ein eigener Namensschutz (§ 12 BGB). So kann der Domaininhaber gegen Verletzungen dieses Rechts nach §§ 5, 15 Markengesetz oder gem. § 12 BGB vorgehen.

  

Rechtsverletzung durch Domain­registrierung und -nutzung

Die Domainregistrierung erfolgt grund­sätzlich nach der zeitlichen Priorität („first comes, first served”). Bei der Registrierung wird keine Überprüfung über etwaige Verletzung des Dritten­rechts vorgenommen. Es besteht, im Gegensatz zum Markenrecht, auch kein Nutzungszwang für die registrierten Internetdomains. So steht einem nichts entgegen, gleichzeitig mehrere Domainnamen auf sich registrieren zu lassen, ohne sie tatsächlich zu nutzen.

    

Domaingrabbing

Der Domaininhaber ist zur Zahlung einer einmaligen Registrierungs­gebühr und dann jährlicher Domain­­nutz­ungs­­ge­bühr verpflichtet, um die registrierte Domain für sich zu behalten. Die Höhe der Jahresgebühr variiert je nach der Art der Domain, beläuft sich i.d.R. auf eine ein- oder zwei­stellige Summe (in Euro). Die Aufwendungen sind relativ niedrig, sodass es auch für private Person möglich ist, eine Vielzahl von Domains für sich zu reservieren. Die Gewinnspanne zwischen den Kosten für den Erwerb und Aufrecht­erhaltung des Nutzungs­rechts an Domain­namen und deren „Marktwert” könnte insbesondere bei beliebten Top-Level-Domains sehr groß sein.

Vor dem Hintergrund ist sog. Domaingrabbing als Geschäftsmodell entstanden. Damit wird eine Domain-Registrierung bezeichnet, die nicht auf Eigennutzung, sondern nur auf einen späteren lukrativen Wiederverkauf abgezielt ist.

Domaingrabbing wird zwar von vielen als unanständig oder moralisch anstößig empfunden, ist i.d.R. jedoch nicht rechtswidrig: Der Handel mit Domains wird nach der deutschen Recht­sprechung als anerkannte ge­schäft­li­che Betätigung angesehen, solange keine Unlauterkeit im Sinne des Wettbewerbsrechts vorliegt. Für einen Anspruch auf Unterlassung sind weder die Registrierung mit Verkaufsabsicht noch eine faktische Blockierung an sich ausreichend (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 82/14).

Anders verhält es sich in den Fällen, wenn besondere Umstände vorliegen, um die Reklamation eines Dritten gegen den Domaininhaber zu begründen (s.u. Ziffer 2-4).

     

Vorrang eines überragend bekannten Unternehmensnamens

Ein Ausnahmefall liegt nach deutscher Rechtsprechung vor, wenn es um einen renommierten Unterneh­mens­namen geht. So war es z.B. der Fall bei dem Rechtstreit „Shell”, in dem die deutsche Dependence des Ölmulti Shell die Domain shell.de, die von Herrn Dr. Andreas Shell erworben worden ist, mit Erfolg reklamiert hat. Das Gericht war der Auffassung, dass die Interessen der Parteien im Streitfall von derart unter­schiedlichem Ge­wicht seien, dass es ausnahmsweise nicht bei der Anwendung der Prioritätsregel bleiben könne (vgl. BGH, Pressemitteilung vom 23. November 2001). In einer anderen Entscheidung krupp.de (OLG Hamm, Urteil vom 13. Januar 1998, Az. 4 U 135/97) waren die Gerichte der Ansicht, der überragend bekannte Name des Unternehmens habe Vorrang vor dem einfachen Bürger.

     

Missbräuchliche Domainregistrierung

Die Registrierung eines Domainnamens könnte bei Vorliegen besonderer Umstände den Tatbestand einer unlauteren Mitbewerberbehinderung bzw. einer sittenwidrigen Schädigung erfüllen. Solche Umstände liegen – wie oben erläutert – nicht schon vor, wenn der Domain­inhaber eine Vielzahl von Domainnamen auf sich registrieren lässt, um sie potenziellen Interessenten zum Kauf oder zur entgeltlichen Nutzung anzubieten (vgl. BGH, GRUR 2005, 687 Rn. 19 - weltonline.de; BGH, Urt. v. 19. Februar 2009 - I ZR 135/06). Vielmehr muss festgestellt werden, wenn der Domaininhaber den Domainnamen allein in der Absicht registrieren lassen hat, ihn für einen Dritten, der u.a. eine gleiche oder ähnliche Marke oder Firma hat, zu blockieren bzw. zu schädigen.

Bislang wird eine sittenwidrige Behinderung an Domainregistrierung von der Rechtsprechung oft schon angenommen, wenn ein Domainname, der einer vorhandenen Marke, Geschäfts­bezeich­nung oder Namen eines Dritten entspricht, in Gebrauch genommen wird, obwohl für den Domaininhaber zum Registrierungs­zeitpunkt weder besonderes Interesse, gerade einen solchen Domainnamen zu verwenden, noch ernsthaften Be­nutz­ungs­willen erkennbar war, und die Domain nur registriert worden war, um sich vom Inhaber des entsprechenden Kennzeichen- oder Namensrechtes für hohe Ablösesummen abkaufen zu lassen (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2001, Az. 38 O 18/01; OLG Karlsruhe, 12. Februar 2014 - 6 U 56/13). Das wird – in Abgrenzung zu dem an sich erlaubten Domaingrabbing – als Cybersquatting (engl. squatting = Hausbe­setzung) oder, je nach Art der besetzen Begriffe, auch Brandjacking oder Namejacking bezeichnet.

Der BGH hat allerdings in seiner letzteren Entscheidung (BGH, 28. April 2016 - I ZR 82/14) die Haltung gezeigt, die „rechtmissbräuchliche Anmeldung” enger zu fassen, und die Klage eines Unternehmers, der die in der Domain enthaltene Abkürzung seit 2001 als Unternehmens­kennzeichnung benutzt hat, gegen einen Domain-Händler auf Freigabe der Domain abgewiesen. Da das Kennzeichen erst ab 2001 zur Kennzeichnung genutzt worden war und die Domain aber schon im Jahr 1997 registriert war, konnte es bei der Regi­strierung nicht um die konkrete Behinderung des Klägers gehen.
 

Kennzeichenrechtsverletzung

Eine kennzeichenrechtliche Verletzung durch eine Domain kommt in Betracht, wenn die einem geschützten Kennzeichen gleiche oder ähnliche Domain im geschäftlichen Verkehr innerhalb des Schutzbereiches unbefugt benutzt wird. Das beurteilt sich bei Domainnamen nach denselben Kriterien wie bei anderen Verletzungsformen.
 

Hierbei ist zu beachten:

Die Registrierung einer Domain allein stellt grundsätzlich noch keine Benutzungshandlung dar, denn es lässt sich insofern noch nicht feststellen, zu welchem Zweck die Registrierung erfolgt ist. Inhaltsleeren Homepages stellen demgemäß grundsätzlich keine rechtsverletzende Benutzung dar, denn der Domainname ist noch keinen konkreten Waren oder Dienstleistungen zugeordnet (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 05.07.2006, Az. - 5 U 87/05; BGH, Urteil vom 13.03.2008, Az.: I ZR 151/05); so fehlt es u.a. zur Fest­stellung einer Markenverletzung auch die erforderliche Verwechslungsgefahr.

    

Ansprüche des Kennzeicheninhabers gegen Domaininhaber

Liegt eine Namens-/Kennzeichenverletzung vor, stehen dem Berechtigten ggf. folgende Ansprüche zu:
  • Unterlassungsanspruch

Ein Anspruch auf Unterlassung könnte sich sowohl gem. §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. IV MarkenG als auch gem. § 12 BGB ergeben. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Unterlassung i.d.R. NICHT auf die (Weiter-) Benutzung der Domain als solche erstreckt. Zu unterlassen ist vielmehr lediglich die verletzende Benutzung des Namens-/Kenn­zei­chen­rechts, wie bspw. die Verwendung der Domainbezeichnung, die einer geschützten Marke entspricht, im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung und Bewerbung von Waren oder Dienstleistungen, für die der Markenschutz beansprucht wird.
  • Anspruch auf Löschung der Domain

Ein marken- bzw. unternehmenskennzeichenrechtlicher Domain-Löschungsanspruch, der sich aus § 15 Abs. 4 MarkenG ableiten lässt, ist nur begründet, wenn schon das Halten des Domain-Namens für sich gesehen eine Rechtsverletzung darstellt bzw. wenn jedwede Verwendung rechtswidrig wäre (vgl. Urteil vom 19.07.2007, Az. I ZR 137/04 - Euro Telekom; Urteil vom 19. Februar 2009 - I ZR 135/06 - ahd.de).
  • Anspruch auf Übertragung der Domain
Nach der herrschenden Auffassung der deutschen Rechtsprechung und Literatur hat der Inhaber des geschützten Kennzeichens grundsätzlich keinen Anspruch auf Übertragung bzw. Umschreibung der Domain. Das würde dem Prinzip widersprechen, dass die Vergabe der Domains nach Eingang der Anträge erfolgt.
  • Auskunfts- und Schadensersatzanspruch

Der Auskunftsanspruch betrifft bei Domains den Umfang der Benutzung, um daraufhin den Scha­dens­er­satz­an­spruch auf Herausgabe des Gewinns des Verletzers, des eigenen entgangenen Gewinns oder berechnet nach der Lizenzanalogie stützen zu können.

     

Verfahren für Domainstreitigkeiten

Neben dem ordentlichen Gerichtsweg bestehen für Streitigkeiten um Domains noch folgende Möglichkeiten der Vorgehensweise:
  • UDRP-Verfahren

Domainstreitigkeiten werden gewöhnlich über das sog. UDRP-Verfahren beigelegt – ein von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) entwickeltes Schlichtungs­verfahren unter Anwendung der Einheitlichen Richtlinie über die Lösung von Streitigkeiten um Domänennamen (Uniform Domain Name Resolution Policy; UDRP). Das UDRP-Verfahren findet auf zahlreiche generische Top-Level-Domains (gTLDs) sowie eine ganze Reihe von länder­spezifischen Top-Level-Domains (country-code Top-Level-Domainnamen; ccTLDs) Anwendung. Die „.de”-Domain, ccTLD für Deutschland, unterfällt jedoch nicht dem Geltungsbereich des UDRP-Verfahrens.

    

Die Schlichtung kann bei einer der ICANN akkreditierten Organisationen erfolgen, u.a. Schieds­stelle des WIPO, Czech Arbitration Court Arbitration Center for Internet Disputes, ADNDRC (Asian Domain Name Dispute Resolution Centre) – eingeleitet durch einen ent­sprechenden Antrag des Markeninhabers, der eine Markenverletzung durch den Domaininhaber geltend macht.     

Beim UDRP-Verfahren wird entscheiden, ob die Domain an den Antragssteller zu übertragen ist oder der Antrag abzuweisen ist. Beide Parteien haben danach immer noch die Möglichkeit, ein ordentliches Gericht anzurufen. Ist die Domain­übertragung von der Schlichtungs­person bzw. -Kommission beschlossen worden, und der Antragsgegner/Domaininhaber nicht innerhalb von zehn Tagen ein gerichtliches Verfahren einleitet, geht die Domain an den Antragssteller über. Das ist für den Anspruchsteller v.a. deshalb von Vorteil, weil er vor dem deutschen Gericht nur die Löschung der Domain, nicht aber deren Übertragung geltend machen kann.
  • DENIC-Dispute-Eintrag

Die für Vergabe der „.de”-Domains zuständige Registrierungsstelle DENIC stellt dem Anspruch­steller sog. Dispute-Eintrags zur Durchsetzung der behaupteten Rechte zur Verfügung. Der eingerichtete Dispute-Eintrag verhindert eine Weiterübertragung der streitgegenständlichen Domain auf einen Dritten und gewährt dem Anspruchsteller die Domaininhaberschaft, falls der bisherige Inhaber die Domain löscht/freigibt.

    

Da DENIC keine Schlichtung wie UDRP-Verfahren anbietet, wird der Dispute-Eintrag i.d.R. vor der Erhebung einer Klage auf Löschung der Domain beantragt, um sicherzustellen, dass der Kläger beim Erfolg des Löschungsanspruchs unmittelbar Domaininhaber wird.

 

Fazit

Wer eine Domain registriert, erwirbt noch kein Schutzrecht (wie Marken-, Kennzeichen- oder Namensrecht) in Bezug auf die Domainbezeichnung; wird die Domain anschließend im geschäft­lichen Verkehr u.a. für ein Unternehmen als Bezeichnung verwendet, entsteht an ihr der Schutz nach §§ 5, 15 MarkenG.

    

Wer eine Domain registriert, ohne das entsprechende Schutzrecht zu besitzen, kann sie grundsätzlich auch gegenüber dem Inhaber eines entsprechenden Schutzrechts, das zeitlich später als Domainregistrierung entsteht, verteidigen. Der Schutzinhaber, dessen Schutzrecht zum Zeitpunkt der Registrierung schon bestand, kann nur beim jeweils geltenden Schutzbereiches einen Anspruch auf Unterlassung der unter der Domain stattfindende rechtsverletzenden Handlungen oder ggf. auf Löschung der Domain geltend machen. Ein Anspruch auf Übertragung der Domain besteht nicht.

    

Die Registrierung von Domainnamen ohne Benutzungs­willen, sondern nur zu dem Zwecke des Wei­ter­ver­kau­fens, ist an sich zulässig. Im Einzelfall kann aber eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB und ein Anspruch auf Löschung/Freigabe der Domain angenommen werden.

    

Die meisten Domainstreitigkeiten sind gewöhnlich über das sog. UDRP-Verfahren beizulegen, das zur Ü­ber­tra­gung der Domain führen kann. Für die länderspezifische Domain „.de” ist das UDRP-Verfahren nicht anwendbar. Daher ist geboten, einen DENIC Dispute-Eintrag vor der Erhebung einer Klage zu beantragen, um die Domain beim Erfolg des Löschungs­anspruchs unmittelbar erwerben zu können.

Kontakt

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Dr. Susanne Grimm

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Gewerblichen Rechtschutz, Leiterin Praxisgruppe IP & Media Deutschland

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