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veröffentlicht am 3. April 2018
Seit Kurzem besteht für Unternehmer, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig sind, die Möglichkeit, gegen die Ablehnung ihrer französischen Vorsteuervergütungsanträge vorzugehen.
Nach einem Urteil vom 4. Dezember 2017 (Urteil Nr. 392575) ermöglicht es der Conseil d’Etat (höchstes französisches Verwaltungsgericht) ausländischen Unternehmern, die Ablehnung ihrer Vorsteuervergütungsanträge durch die französische Finanzverwaltung zu bestreiten. Gemäß Art. 15 der Richtlinie 2008/9/EG (Richtlinie mit Regelungen zur Erstattung von Mehrwertsteuer) muss ein solcher Antrag auf Erstattung bezahlter Umsatzsteuer im Wege der Vorsteuervergütung durch einen in der EU ansässigen Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem er ansässig ist, bis spätestens 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Jahres eingereicht werden. Die Fristen sind allgemein in den EU-Mitgliedstaaten bekannt und werden grundsätzlich auch von den Unternehmern in der Praxis entsprechend mit zeitlicher Vorausschau berücksichtigt.
Im vorliegenden entschiedenen Fall reichte ein italienischer Unternehmer seinen französischen Vorsteuervergütungsantrag am 1. Oktober des Folgejahres (über sein italienisches Portal) ein, wobei er sich auf die Angaben des italienischen Portals berief, das die zeitliche Verschiebung akzeptiert hatte, weil der 30. September des betreffenden Jahres auf einen Sonntag fiel. Die französische Finanzverwaltung hatte den Antrag wegen Fristablauf hingegen abgelehnt.
Nach Ansicht des Conseil d’Etat obliegt es dem EU-Mitgliedstaat, in dem der antragstellende Unternehmer ansässig ist, die Kontrollen durchzuführen, die in seinem Zuständigkeitsbereich liegen und die der Mitgliedstaat der Vorsteuervergütung nicht überprüfen kann. Das betrifft insbesondere die Bestimmungen zum Anwendungsbereich der Umsatzsteuer. Andererseits obliegt es dem Mitgliedstaat der Vorsteuererstattung zu beurteilen, ob die Antragsfrist eingehalten wurde (das ergibt sich eindeutig aus den Bestimmungen der Art. 7 und 15 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008). Die Überprüfung der Einhaltung der Frist erfolgt durch den Mitgliedstaat der Vorsteuervergütung anhand seiner innerstaatlichen Regelungen zur Umsetzung der genannten Richtlinie.
Der Conseil d'Etat entschied vorliegend, dass Frankreich die besagte Richtlinie in dieser Hinsicht nicht umgesetzt hat; denn das französische Steuergesetzbuch enthält keine Bestimmung dahingehend, dass ein nicht in Frankreich ansässiger Unternehmer den Vorsteuervergütungsantrag vor dem 30. September einreichen muss. Folglich kann die französische Finanzverwaltung den Antrag nicht mit dem Argument ablehnen, dass er nicht fristgerecht eingereicht wurde.
Auch wenn ein erfolgreicher Ausgang natürlich nicht garantiert werden kann, haben EU-Unternehmer, deren Vorsteuervergütungsantrag wegen Ablauf der Antragsfrist in Frankreich abgelehnt wurde, ein Interesse daran, über das Portal ihres Ansässigkeitsstaates einen erneuten Vorsteuervergütungsantrag in Frankreich zu stellen und sich dabei auf die jüngste Entscheidung des Conseil d’Etat zu berufen. Seit dem Urteil kann die französische Finanzverwaltung den Antrag grundsätzlich nicht mehr unter Berufung auf den Fristablauf ablehnen (jedenfalls solange, bis Art. 15 der Vorsteuervergütungs-Richtlinie 2008/9/EG in Frankreich umgesetzt wird).
Die Frage, welcher Staat über die Fristwahrung entscheidet, ist übrigens auch in der deutschen Literatur (und bereits im Rahmen der Gesetzgebung) umstritten und diskutiert.
Dr. Heidi Friedrich-Vache
Diplom-Kauffrau, Steuerberaterin, Umsatzsteuerberatung | VAT Services
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Aurélia Froissart
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