Neue Erbschaftssteuerreform: Ermittlung der tatsächlichen Erbschaftsteuerzahlung

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veröffentlicht am 2. August 2017  

   

Mit Wirkung zum 1. Juli 2016 hat die Bundesregierung den aktuellen Stand der Erbschaftsteuer auf den Weg gebracht, mit dem sich potenzielle Erben nun schon seit einem Jahr befassen müssen. Die Neuerungen wurden aus steuerlicher Sicht bereits intensiv diskutiert. Doch als von der Erbschafts­steuer betroffener Erbe oder betroffene Erbengemeinschaft von Betriebsvermögen, stellt sich die Frage, welcher Betrag denn nun tatsächlich an die Finanzverwaltung abgeführt werden muss und wie er sich ermittelt.

    

  

 

2 Ansätze der Wertermittlung

Gehören Anteile an Betriebsvermögen (Personen- oder Kapitalgesellschaften) zur Erbmasse oder zum Schenkungsobjekt, so ist nach Maßgabe der Finanzverwaltung der gemeine Wert nach § 9 bzw. § 11 Bewertungsgesetz (BewG) anzusetzen. Sofern er sich nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableitet, die weniger als 1 Jahr zurückliegen, ist der gemeine Wert anhand einer Unternehmensbewertung zu bestimmen.

 

Die Steuerverwaltung gewährt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit des Methodenwahlrechts zwischen dem vereinfachten Ertragswertverfahren (vEWV) und einer Unternehmensbewertung nach dem Standard „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen” des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (kurz IDW S1).

 

Üblicherweise erfolgt die Wertermittlung für steuerliche Zwecke nach dem vEWV, da es durch eine pauschale und typisierte Ausgestaltung vergleichsweise schnell und ohne großen Aufwand durchzuführen ist. Diese pauschale Ausgestaltung führt in der Praxis jedoch häufig zu Unternehmenswerten, die nicht plausibel sind und dem Steuerpflichtigen eine unverhältnismäßig hohe Steuerbelastung aufbürdet.

 

Ist das der Fall, kann der Steuerpflichtige das von der Finanzverwaltung gewährte Methodenwahlrecht zu seinen Gunsten nutzen und eine Wertermittlung nach IDW S1 durchführen. Hier trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast und muss den vom vEWV abweichenden Wert durch ein Gutachten nachweisen. Wie nachfolgend gezeigt wird, könnten beide Ansätze von ihrer Grundkonzeption her nicht unterschiedlicher sein.

 

Als absolute Wertuntergrenze für steuerliche Zwecke sieht die Finanzverwaltung den sogenannten „Substanz-Wert”, der üblicherweise dem Rekonstruktionswert aller Vermögensgegenstände des Bewertungsobjekts entspricht.

  

Das vereinfachte Ertragswert-Verfahren:
Orientierung an Betriebsergebnissen der Vergangenheit

Beim vEWV erfolgt die Bewertung des involvierten Betriebsvermögen des Unternehmens anhand der Multiplikation des sogenannten Jahresertrags, der als künftig nachhaltig zu erzielendes Ergebnis angesetzt wird, mit einem von der Finanzverwaltung vorgegebenen Kapitalisierungsfaktor.

 

Der Jahresertrag errechnet sich als Durchschnitt der steuerlichen Betriebsergebnisse der letzten 3 vollen, vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen, Wirtschaftsjahre (§ 201 BewG). Er ermittelt sich ausgehend vom steuerlichen Jahresüberschuss bzw. –fehlbetrag unter Berücksichtigung einiger Anpassungen für einmalige bzw. Sondereffekte sowie Bereinigung der tatsächlich gezahlten Steuern (Vgl. § 202 BewG).

 

Der für die Unternehmenswertermittlung anzusetzende Kapitalisierungsfaktor ist seit der Erbschaftssteuerreform gesetzlich auf 13,75 festgeschrieben (vgl. § 203 BewG), was Kapitalkosten von rund 7,3 Prozent entspricht, die sich wiederum implizit aus einem risikolosen Zinssatz sowie einem typisierten Risikozuschlag zusammensetzen. Vor der Reform war er für das Jahr 2016 bei 17,85 festgeschrieben und wurde jährlich vom Bundesministerium für Finanzen (BMF) angepasst. Auch für den aktuellen Kapitalisierungsfaktor von 13,75 soll eine Anpassung durch das BMF jährlich überprüft werden.

 

Der vereinfachte Ertragswert ergibt sich dann aus der Multiplikation des Jahresertrags mit dem Kapitalisierungs­faktor. Sofern im Betriebsvermögen des Bewertungsobjekts noch Beteiligungen an anderen Unternehmen enthalten sind, muss für jede der Beteiligungen ebenfalls der gemeine Wert ermittelt und entsprechend der Anteilsquote berücksichtigt werden.

 

Befinden sich im Betriebsvermögen des Bewertungsobjekts noch Vermögensgegenstände, die nicht dem originären Betriebszweck zuzurechnen sind, bspw. Kunstgegenstände, hohe Aktien- oder Geldbestände sowie Grundstücke zur Veräußerung, so spricht man von nicht betriebsnotwendigem Vermögen, das ebenfalls separat mit seinem gemeinen Wert anzusetzen ist.

 

Der für erbschaftsteuerliche Zwecke anzusetzende „gemeine Wert” des Betriebsvermögens eines Unternehmens, das dem Steuerpflichtigen zusteht ergibt sich letztlich aus dem vereinfachten Ertragswert des Bewertungs­objekts, dem gemeinen Wert von Beteiligungen an anderen Gesellschaften (sofern vorhanden) und ggf. dem Wert von nicht betriebsnotwendigem Vermögen (sofern vorhanden). Der gemeine Wert wird dann mit dem entsprechend anzusetzenden Steuersatz multipliziert, um die tatsächliche Erbschaftsteuerzahlung für den Erben bzw. den Beschenkten zu ermitteln.

    

Künftig zu erwirtschaftende Zahlungsüberschüsse als Basis der Unternehmensbewertung nach IDW S1

Bei einer Unternehmensbewertung nach IDW S1 bestimmt sich der Wert des Unternehmens respektive des zu vererbenden oder verschenkenden Betriebsvermögens aus der Gesamtheit aller Erfolgsfaktoren des Unternehmens zum Bewertungsstichtag und deren Fähigkeit, in der Zukunft finanzielle Zahlungsüberschüsse zu generieren.

 

Zur eigentlichen Ermittlung des Unternehmenswerts kann entweder das Ertragswert- oder das Discounted-Cashflow-Verfahren verwendet werden. Beide Bewertungsverfahren sind grundsätzlich gleichwertig und führen bei gleichen Finanzierungsannahmen und damit gleichen Nettozuflüssen an die jeweiligen Eigentümer zu identischen Bewertungsergebnissen, da sie beide investitionstheoretisch auf dem sogenannten Kapitalwertkalkül basieren.

 

Bei beiden Bewertungsverfahren wird zunächst der Barwert der finanziellen Überschüsse des betriebsnotwendigen Vermögens ermittelt. Für die Bewertung eines Unternehmens sind die künftigen finanziellen Überschüsse mit einem entsprechenden Zinssatz auf den Bewertungsstichtag zu diskontieren.
 

Die Ermittlung dieses Zinssatzes erfolgt anhand des sogenannten „Capital Asset Pricing Models” (CAPM), dass das individuelle Risikoprofil des jeweiligen Unternehmens berücksichtigt und dementsprechend von den impliziten Kapitalkosten des vEWV von 7,3 Prozent erheblich abweichen kann.

 

Der für erbschaftsteuerliche Zwecke anzusetzende gemeine Wert des Betriebsvermögens, das dem Steuerpflichtigen zusteht, ergibt sich bei einer Bewertung des Unternehmens nach IDW S1 aus dem Wert der diskontierten Zahlungsüberschüsse (nach Ertragswert- oder DCF-Verfahren), dem gemeinen Wert von Beteiligungen an anderen Gesellschaften (sofern vorhanden) und ggf. dem Wert von nicht betriebsnotwendigem Vermögen (sofern vorhanden). Wie auch beim vEWV wird der gemeine Wert abschließend mit dem entsprechenden Steuersatz des Erben bzw. des Beschenkten multipliziert, um die tatsächliche Erbschaftsteuerzahlung für den Erben bzw. den Beschenkten zu ermitteln.

  

Der Einzelfall entscheidet über den Bewertungsansatz

Instinktiv tendiert man als Steuerpflichtiger dazu, den Bewertungsansatz zu wählen, der zu einem geringeren Unternehmenswert führt und dementsprechend zu einer geringeren Belastung von Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer. Im Falle einer vollen Besteuerung des Betriebsvermögens ist das auch zutreffend.

 

Allerdings ist das nicht immer so, da in vielen Fällen auch ein möglichst hoher Unternehmenswert erstrebenswert ist, um bestimmte Kriterien der erbschaftsteuerlichen Verschonungsregeln zu erfüllen, wodurch es zu einer 85 bzw. 100-prozentigen Befreiung des Betriebsvermögens von der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer kommt.

  

Die Ansätze auf einen Blick

        

    

Beauftragung einer Wertindikation: Klärung des Ansatzes zur Wertermittlung

Je nach künftiger Ertragserwartung bzw. Ergebnissituation in der Vergangenheit führen die 2 Ansätze zu unterschiedlichen Unternehmenswerten des jeweiligen Betriebsvermögens.

  

Die Wahl zwischen vEWV und einer Unternehmensbewertung nach IDW S1 ist in jedem Erb- oder Schenkungsfall individuell abzuwägen. Oftmals kann die Durchführung einer Wertindikation (Hinweis: Unternehmensbewertung in Anlehnung an IDW S1) erste Hinweise geben, welcher der 2 Ansätze für das Unternehmen zu einem geringeren oder höheren Wert führt und ob ggf. durch einen höheren Wert bestimmte Voraussetzungen für den Verschonungstatbestand erreicht werden können, was je nach Fall zu einer 85- oder 100-Prozent-Befreiung von der Erbschaft- oder Schenkungsteuer führt. 

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