Digitalisierung in Indonesien

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zuletzt aktualisiert am 24. August 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Interview mit Stefan Ewers


Digitalisierung ist ein branchen- und gesellschaftsübergreifendes Thema. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage in Indonesien ein? Welche Branchen sind bereits auf der Erfolgsspur, welche hinken hinterher?

Indonesien bemüht sich schon seit geraumer Zeit um die Digitalisierung, aber anfangs diente sie nur als „Alter­native”, die die herkömmlichen Methoden begleitet und ergänzt hat. In den letzten Jahren jedoch, auch aus­gelöst durch die Covid-19-Pandemie, wurden die Digitalisierungsbemühungen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erheblich verstärkt.

Im öffentlichen Sektor bspw. bewegt sich die Regierung allmählich in Richtung Digitalisierung ihrer Tätigkeit, indem sie die Online-Einreichung von Anträgen auf Unternehmenslizenzen vorschreibt. Für einige Lizenzen ist eine manuelle Einreichung gar nicht mehr möglich. Das herkömmliche, physisch unterzeichnete Lizenz­doku­ment ist durch ein digitales ersetzt und bietet mehr Möglichkeiten für Online-Konsultationen. Erst im ver­gangenen Jahr hat die Regierung eine elektronische Grundbesitzurkunde eingeführt, von der vielfach vermutet wird, dass sie die herkömmliche physische Grundbesitzurkunde schließlich ersetzen wird.

Im privaten Sektor hat der Digitalisierungsprozess in den letzten Jahren ebenfalls exponentiell zugenommen. Nach dem Erfolg von Mitfahrzentralen (die sogar Lieferdienste für die letzte Meile anbieten) erleben auch andere technologiegestützte Dienstleistungen – von Finanzdienstleistungen (Geldüberweisungen, Online-Zahlungen, P2P-Kredite, Aktienhandel usw.) über den elektronischen Handel und den Online-Lebensmittel­handel bis hin zu digitalen Lernplattformen – einen starken Anstieg der Nachfrage, ohne dass es Anzeichen einer Verlangsamung gibt.

Diese Geschäftsfelder eröffnen neue Möglichkeiten in der digitalen Welt und schaffen neue Berufe, die in den letzten Jahren immer stärker nachgefragt wurden, wie z.B. digitales Marketing oder Datenanalytik.

Aus geografischer Sicht können aufgrund des ungleichmäßigen Internetzugangs im ganzen Land vorerst leider nur Großstädte in Indonesien, wie Jakarta oder Surabaya, in den vollen Genuss der digitalen Innovation kommen. Andere Gebiete, die nicht so weit entwickelt sind wie die Großstädte, können nur teilweise von diesen Innovationen profitieren.


Wo sehen Sie Potenziale für deutsche oder europäische Unternehmen in Indonesien?

Mit dem Wachstum der E-Commerce-Plattformen ist zu erwarten, dass auch die Nachfrage nach Konsumgütern zunehmen wird, was letztlich zu einer Erhöhung der Produktionskapazitäten führen könnte. Da deutsche/euro­päische Unternehmen bekanntlich über eine starke Position bei der Bereitstellung von hochwertigen (tech­nologischen) Maschinen oder Anlagen für Herstellungs- oder Vertriebsprozesse verfügen, sehen wir eine gute Chance, die Märkte für Produktions-/Vertriebsautomatisierung zu erschließen.

Da eine zuverlässige Internetverbindung eine der – wenn nicht sogar die wichtigste – Komponente im Digitali­sierungsprozess ist, wäre ein weiteres vielversprechendes Feld die Beteiligung an der Entwicklung der digitalen Infrastruktur, sei es durch den Bau der Infrastruktur selbst oder durch die Herstellung/den Vertrieb unter­stützender Ausrüstung (z.B. Hochgeschwindigkeits-Internetkabel, Mikrowellensender usw.).

Unabhängig von der Art des Beitrags ist in vielen Fällen eine lokale Präsenz in Indonesien erforderlich, um eine nahtlose Beteiligung am Digitalisierungsprozess zu ermöglichen.


Digitalisierung ruft auch immer Fragen zu Themen wie Cybersicherheit, Datenschutz, oder das Schaffen neuer Regeln und Standards für die digitale Wirtschaft auf den Plan. Wie sind Ihre Erfahrungen in Indonesien, gibt es bereits Gesetze oder Vorschriften, die diese Themen speziell regulieren und Sicherheiten für Unternehmen schaffen?

Die indonesischen Datenschutzmaßnahmen sind zwar noch nicht so weit fortgeschritten wie die EU-Verord­nung über Cybersicherheit und Datenschutz, doch haben wir deutliche Bemühungen der indonesischen Regierung um eine Regulierung dieser Themen gesehen.

Die Vorschriften zum Datenschutz sind in sektoralen Gesetzen und Verordnungen zersplittert, und es gibt noch kein umfassendes Gesetz, das sich mit diesem sehr wichtigen Thema in Indonesien befasst. Indonesien ist jedoch auf dem besten Weg in die richtige Richtung, da Gesetzesentwürfe zum Schutz personenbezogener Daten und zur Änderung des Gesetzes über elektronische Informationen und Transaktionen derzeit im Repräsentantenhaus bis 2024 als vorrangig zu behandelnde Themen aufgeführt sind.

Erst kürzlich hat die Regierung die Registrierung von Betreibern elektronischer Systeme mit einem Webportal, einer Website oder einer Online-Anwendung, die bestimmte Kriterien erfüllen, vorgeschrieben. Bei Zuwider­handlung droht die landesweite Sperrung des Internetzugangs für den betreffenden Betreiber. Diese Verpflich­tung gilt nicht nur für lokale Betreiber elektronischer Systeme, sondern auch für solche aus dem Ausland wie Google, Facebook, WhatsApp. Nach Ablauf der Registrierungsfrist am 20. Juli 2022 sperrte die Regierung ausländische Betreiber elektronischer Systeme, die dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind, darunter auch PayPal. Dieses Vorgehen löste später einen Aufschrei von PayPal-Kunden in Indonesien aus, da die Blockade sie daran hinderte, ihr Geld abzuheben.

Obwohl es noch viel Raum für Verbesserungen gibt, zeigt die jüngste PayPal-Blockade unserer Ansicht nach die Entschlossenheit der indonesischen Regierung bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Cybersicherheit und zum Datenschutz.


Inwieweit hat die Corona-Pandemie die Entwicklung seit ihrem Beginn verändert?

Der durch die Covid-19-Pandemie verursachte, landesweite Stillstand war einer der wichtigsten Faktoren, der den Digitalisierungsprozess vorantrieb.

Zum Beispiel aus der Sicht der Arbeitnehmer, die im ganzen Land ihre Häuser nicht verlassen konnten und gezwungen waren, von zu Hause aus zu arbeiten. Dort stieg nicht nur die Nachfrage nach zuverlässigeren Internetdiensten für zu Hause sprunghaft an, sondern auch nach allen Diensten, die ihnen helfen konnten, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, ohne das Haus verlassen zu müssen (z. B. Lebensmittel-Lieferdienste, E-Commerce-Plattformen, Unterhaltungs-Streaming-Dienste usw.).

Auf der anderen Seite waren Unternehmer aufgrund der Sperrung gezwungen, in Technologien und Infrastruk­turen zu investieren, die eine nahtlose Umsetzung von Fernarbeitsvereinbarungen ermöglichten, etwa durch leistungsfähigere Server, Cloud Computing, Online-Meeting-Plattformen oder elektronische Unterschriftstools. Da die Investitionen bereits getätigt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass diese Technologie und Infrastruktur auch nach dem Ende der Pandemie weiter genutzt wird.


Smart Cities und Smart Economies – sind das Trends oder Pilotprojekte in Indonesien und wenn ja, welche Möglichkeiten bieten sich für deutsche Technologien oder Wissenstransfers?

Ja. Zusätzlich zu der Kampagne, Jakarta (die derzeitige Hauptstadt des Landes) in eine Smart City umzu­wandeln, hat der Gesetzgeber im Februar 2022 ein Gesetz verabschiedet, das die Umsetzung des seit langem bestehenden Plans markiert, die Hauptstadt Indonesiens zu verlegen, welche dann eine Smart City werden soll.

Da die neue Hauptstadt des Landes teilweise erst neu gebaut wird, ergeben sich während oder im Zusammen­hang mit dem Umzugsprozess zahlreiche Möglichkeiten. Neben dem Bau der Stadt selbst sind bspw. auch oder der Einsatz alternativer und sauberer Energien und die damit einhergehende klimaschonende Energie­ge­winnung und -nutzung Themen.

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