Mediation als Form der Streitbeilegung in Zeiten der Epidemiegefahr

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​​​​veröffentlicht am 26. März 2020 | Lesedauer ca. 5 Minuten

Von Adrian Cop, Rödl & Partner Polen

 

Die Verbreitung des Coronavirus wirkt sich zunehmend negativ auf die Weltwirtschaft aus. Das bekommen kleine und große Unternehmen zu spüren, aber auch die Arbeitnehmer und Mitarbeiter – unabhängig davon, ob sie aufgrund eines Arbeitsvertrags, Auftragsvertrags oder Werkvertrags beschäftigt sind. In Zeiten der Krise werden die Arbeitnehmer- und wirtschaftlichen Verhältnisse überprüft. Viele Unternehmer werden nicht imstande sein, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, sodass die Arbeitnehmer ihre Stelle oder einen Teil der Vergütung verlieren.

 

Die Juristen weisen in ihren Veröffentlichungen auf die Möglichkeit hin, die in den Verträgen enthaltene Klausel höherer Gewalt anzuwenden, d.h. die Klausel „rebus sic stantibus“ (außerordentliche Änderung der äußeren Umstände), um die geschlossenen Verträge zu überprüfen und den Unternehmern oder Arbeitnehmern, die entsprechende Voraussetzungen erfüllen, ein Instrument an die Hand zu geben, damit sie die Erfüllung des Vertrags verschieben bzw. von der Haftung für dessen Nichterfüllung befreit werden können. Die polnische Regierung hat Sondergesetze verabschiedet und die Verabschiedung weiterer angesagt – sie regeln bestimmte Bereiche des täglichen Lebens, die die Unternehmer teilweise von der Haftung für die Nichterfüllung des Vertrags oder Nichtzahlung der Vergütung an Arbeitnehmer befreien sollen.
 
In vielen Fällen wird die andere Vertragspartei mit der Inanspruchnahme der Klausel höherer Gewalt „rebus sic stantibus“ oder der Bestimmungen des Sondergesetzes nicht zufrieden sein und kann versuchen, sie in Frage zu stellen. Die Unzufriedenheit kann insbesondere dann groß sein, wenn eine Partei einen großen Betrag für ein konkretes Projekt ausgegeben hat oder langfristige Verbindlichkeiten eingegangen ist, und die Nichterfüllung des betreffenden Vertrags für sie einen erheblichen Verlust bedeuten würde. Da zu solchen Verträgen keine Nachträge geschlossen werden können, wird die Anzahl der Gerichtsverfahren steigen, was die sowieso lange Dauer eines gerichtlichen Prozesses verlängern wird.

 

Aussetzung der Tätigkeit der Gerichte

Gegenwärtig sind die meisten Gerichte in Polen bis Ende März geschlossen (außer für dringende Verfahren) und es ist schwer zu sagen, wann sie ihren normalen Betrieb wieder aufnehmen werden. In vielen Fällen wird die gerichtliche Korrespondenz derzeit nicht verschickt, sodass nach Wiedereröffnung der Gerichte mehrere Tage vergehen werden, bis die Gerichte wieder normal funktionieren. Es wird geschätzt, dass die Termine für Verhandlungen bei größeren Gerichten nach der Rückkehr zum normalen Betrieb erst in ca. drei bis vier Monaten anberaumt werden. Mit jedem Tag der Pandemie und potenziellem Anstieg der Anzahl der Angelegenheiten wird sich dieser Zeitraum verlängern, insbesondere bei sehr komplizierten Rechtssachen. Es wird demnach schwierig sein, die gesetzlichen Fristen für Vorbereitungssitzungen nach Art. 205 (4) ZPO-PL einzuhalten.
 

Schiedsverfahren und Mediation als Alternative

Eine interessante Alternative für diese Situation kann der Versuch einer gütlichen Lösung der Streitigkeit durch ein Schiedsverfahren oder eine Mediation sein.
 
Ein Schiedsverfahren bezieht sich auf alle Formen der Vorlage einer Angelegenheit zur Beurteilung durch einen unabhängigen Schiedsrichter. Dieses Verfahren ist unabhängig vom Gerichtsverfahren und ist auf Veranlassung durch die Parteien auf deren Antrag einzuleiten. Vor Einleitung des Verfahrens ist es empfehlenswert, im Vertrag zu überprüfen, ob darin eine Bestimmung über die Weiterleitung der Angelegenheit zwecks Prüfung im Schiedsverfahren enthalten ist (Schiedsvereinbarung oder Schiedsklausel genannt). Wurde eine solche Bestimmung nicht in den Vertrag aufgenommen, so können die Parteien ein Schiedsverfahren einleiten lassen, indem sie beim zuständigen Schiedsgericht eine Klage erheben, wobei dem die andere Partei zustimmen muss.
 
Die andere Option ist der Versuch der Streitbeilegung durch Mediation. Die Mediation kann wirtschaftliche sowie zivilrechtliche, arbeitnehmerrechtliche und medizinische Angelegenheiten betreffen.
 

Beitritt zur Mediation

Um vertragliche Mediationen aufnehmen zu können, müssen beide Parteien gemeinsam darin einwilligen. Die Zustimmung der Parteien zur Mediation muss freiwillig und nicht erzwungen sein, da sich die mit deren Ergebnis nicht zufriedene Partei jederzeit davon zurückziehen kann, was Zeit- und Geldverlust bedeutet. Daher muss man der Mediation bewusst beitreten und dabei die Rechte beider Parteien respektieren. 
 

Einen Mediator finden

Entscheiden sich die Parteien einer Streitigkeit gemeinsam, die Auseinandersetzung gütlich zu lösen, so besteht der nächste Schritt darin, einen Mediator zu finden. Die Listen der Mediatoren sind den Internetseiten der örtlich zuständigen Bezirksgerichte zu entnehmen. Auf diesen Internetseiten ist auch eine Liste der Vereinigungen der Mediatoren zu finden, deren Leistungen in Anspruch genommen werden können. Bei vertraglicher Mediation können die Parteien einen beliebigen Mediator wählen, der in die Liste der Mediatoren in Polen eingetragen wurde. 
 
Bei der Wahl eines Mediators ist seine Spezialisierung, Ausbildung und Erfahrung zu beachten. Die Parteien sollten sich für eine Person entscheiden, die sich ihrer Auffassung nach in der betreffenden Thematik am besten auskennt, und die hinsichtlich der Angelegenheit entsprechende bzw. hilfreiche Ausbildung und Erfahrung hat.
 
Im Falle der vertraglichen Mediation legen die Parteien die Kosten der Mediation in einer Mediationsvereinbarung fest. In diesem Fall gibt es keine aufgezwungenen Sätze oder feste Gebühren. In schwierigen Situationen sind manche Mediatoren damit einverstanden, die Mediation unentgeltlich zu führen oder die Zahlung zu stunden.
 

Unterzeichnung des Vertrags über Mediation und gerichtlicher Vergleich

Nach der Wahl eines Mediators ist ein Vertrag über Mediation abzuschließen und das Verfahren einzuleiten. In Zeiten der Pandemie ist es wichtig, dass die Mediation via Telekonferenz bzw. Skype möglich ist, sodass die Parteien nicht ihr Haus verlassen müssen, um einen Vergleich abzuschließen. Analoge Durchführung von Gerichtsverfahren (außer einzelnen Sitzungen) kommt äußerst selten vor.
 
Konnten sich die Parteien auf einen Vergleich einigen, wird dieser dann vom Mediator zur Genehmigung durch das Gericht verschickt. Man kann die Feststellung riskieren, dass nach Wegfall der Coronavirus-bedingten Behinderungen und nach Wiederaufnahme des normalen Betriebs durch die Gerichte, ein in dieser Zeit vor einem Mediator geschlossener Vergleich wahrscheinlich schneller genehmigt werden wird als der erste Termin für eine Verhandlung anberaumt wird.  Somit ist es empfehlenswert, die Aufnahme einer Mediation in Erwägung zu ziehen.
 
Außerdem ist Folgendes hervorzuheben: Gemäß Art. 183(15) ZPO-PL hat der im Rahmen einer Mediation geschlossene Vergleich nach deren Bestätigung durch das Gericht die Rechtskraft eines gerichtlichen Vergleichs. Dies bedeutet, dass die Rechtskraft des o.g. Vergleichs der Rechtskraft eines zwischen den Parteien vor Gericht geschlossenen Vergleichs entspricht, was nach Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen seine Umsetzung durch Vollstreckung ermöglicht. Erfüllt eine der Parteien den Vergleich nicht, so kann die andere Partei problemlos die zwischen den Parteien vereinbarten Forderungen geltend machen, ohne andere rechtliche Schritte einleiten zu müssen.
 
Bei einem im Rahmen einer Mediation geschlossenen Vergleich kann dieser von den Parteien beliebig ausgestaltet werden, sodass sie viele Möglichkeiten haben, ihre Verpflichtungen zu regeln (z.B. durch Stundung der Zahlung/Leistungserbringung/Änderung des Leistungsgegenstands). Diese Möglichkeiten bestehen leider nicht bei einem gerichtlichen Urteil, mit dem der Anspruch lediglich zugestanden bzw. abgewiesen werden kann.
 

Mediation in der Zeit von COVID-19

In dieser schwierigen Zeit sollte sich jeder von uns auf seine Gesundheit und den Schutz der eigenen Person wie auch den der Angehörigen konzentrieren. Es ist empfehlenswert, bereits jetzt an die Zukunft und die Folgen der Epidemie für das Unternehmen und die von Arbeitnehmern verrichtete Arbeit zu denken. Bei Entstehung einer Streitigkeit i.Z.m. der Nichterfüllung des Vertrags ist es empfehlenswert, Gespräche zwecks Änderung von dessen Bedingungen aufzunehmen, ehe er von einer der Parteien unter Anwendung der vertraglichen bzw. gesetzlichen Klauseln aufgelöst wird.
 
Können sich die Parteien auf die Änderung der Bedingungen des Vertrags nicht einigen, so geben sowohl ein Schiedsverfahren als auch die Mediation den Parteien die Möglichkeit, den Streit außergerichtlich zu lösen, und die Angelegenheit schneller als im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu beenden. Ein Vergleich vor einem Mediator spart den Parteien einen „Besuch beim Gericht”, und aktuell muss man dabei nicht einmal sein Zuhaue verlassen. Die Praxis zeigt, dass erfolgreiche Mediationen in Zukunft eine schnellere, fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Parteien ermöglichen.

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