M&A Vocabulary – Experten verstehen: „Virtual Data Room”

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veröffentlicht am 15. September 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Niederlassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktions-geschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.

Was ist ein „Virtual Data Room”?

Bei einem „Virtual Data Room” (nachfolgend „VDR”) handelt es sich vereinfacht gesagt um ein online bzw. über das Internet zugängliches Archiv von meist sensiblen Dokumenten und Informationen.

 

Der VDR spielt insbesondere im Rahmen von M&A-Transaktionen und einer damit meist einhergehenden Due Diligence (hierunter versteht man die sorgfältige Prüfung des zu erwerbenden/veräußernden Unternehmens in rechtlicher, steuerlicher und auch betriebswirtschaftlicher Hinsicht) eine wichtige Rolle.

 

M&A-Transaktionen im Allgemeinen und Due Diligence-Prozesse im Besonderen beinhalten zwangsläufig den Austausch von sensiblen und vertraulichen Informationen zwischen den beteiligten Parteien, wie Unternehmen, Investoren, Beratern und Anwälten. Der VDR bietet dafür eine sichere Plattform, auf der eben diese Informationen ausgetauscht werden können. Bereitgestellt werden VDRs in der Praxis in der Regel von externen Anbietern, von denen es mittlerweile eine Vielzahl am Markt gibt.

 

Generell hat die Bedeutung von VDRs innerhalb der letzten 10–15 Jahre erheblich zugenommen, was insbesondere an den deutlich verbesserten und sich rasant weiter entwickelnden technischen Möglichkeiten liegt. Dies gilt grundsätzlich auch im Rahmen von „kleineren” Transaktionsvorhaben, wobei es dort nach wie vor auch nicht unüblich ist, dass die Daten und Informationen nicht über einen externen Anbieter, sondern über eigene Austauschplattformen oder USB-Datensticks bereitgestellt werden.

 

Vor der Etablierung von VDRs wurden die Daten gerade nicht in einem digitalen, sondern meist in einem physischen Datenraum bereitgestellt, d.h. tatsächlich in Form von Papierakten in Räumlichkeiten, die nur bestimmten an der Transaktion beteiligten Personen zugänglich waren. Die Räumlichkeiten befanden sich dann z.B. im Büro eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts oder auch direkt vor Ort bei dem zu erwerbenden Unternehmen. Zugang wurde lediglich der an dem Erwerb interessierten Partei und/oder deren Beratern gewährt. Es erfolgte dann eine genaue Protokollierung darüber, wer welche Informationen oder Dokumente im Datenraum physisch eingesehen hatte. Insgesamt machte dies den ohnehin meist aufwendigen Prozess einer Due Diligence eher (noch) aufwendiger.

 

Gegenüber physischen Datenräumen bieten VDRs eine Reihe von Vorteilen:

  1. Paralleler Zugriff: Beteiligung von mehreren Erwerbsinteressenten im Rahmen einer Due Diligence zur gleichen Zeit ohne das Erfordernis der Einrichtung von Paralleldatenräumen an verschiedenen Orten.
  2. Zeit- und ortsunabhängiger Zugriff: VDRs ermöglichen den Benutzern den Zugriff auf Dokumente und Informationen zu jeder Zeit von nahezu überall aus, solange eine Internetverbindung besteht. Dies erspart den Beteiligten die Notwendigkeit, physisch an einem Ort anwesend zu sein.
  3. Schnelle Verteilung von Informationen: In einem VDR können Dokumente und Informationen schnell und effizient hochgeladen, organisiert und für berechtigte Benutzer freigegeben werden; dies ist im Vergleich zu einer physischen Verteilung von Papierdokumenten deutlich schneller. Darüber hinaus kann die Nutzung eines VDRs den Due Diligence-Prozess insgesamt beschleunigen, da Informationen schneller geteilt und bearbeitet werden  elche.
  4. Echtzeit-Zugriffskontrolle: VDRs bieten zumeist eine volle Zugriffskontrolle. Es kann z.B. festgelegt werden,  elcher Benutzer auf  elcher Dokumente zugreifen dürfen.
  5. Nachverfolgbarkeit: Darüber hinaus ermöglichen VDRs, die Aktivitäten der Benutzer genau nachzuverfolgen, inklusive der Häufigkeit des Zugriffs auf Dokumente und Downloads. Dies dient zum einen der Transparenz und trägt dazu bei, die Aktionen sämtlicher Nutzer besser überwachen zu können. Ein über den VDR generiertes Zugriffsprotokoll kann möglicherweise in einem Streitfall genutzt werden, in dem die Kenntnis oder die Möglichkeit zur Kenntnisnahme von bestimmten Informationen im Streit steht. Wenngleich der Verkäufer damit noch nicht die Kenntnis der Käuferseite von etwaigen Mängeln beweisen kann, so dürfte er hier einen gehörigen Schritt weiter mit diesem in der Praxis nur schwer zu führenden Nachweis sein.
  6. Sicherheit: VDRs bieten in der Regel eine höhere Sicherheit für vertrauliche Informationen als physische Datenräume. Verschlüsselung, Zugriffsprotokollierung und andere Sicherheitsmaßnahmen können den Schutz der Daten gewährleisten.
  7. Kostenersparnis: Der Einsatz eines VDR kann kosteneffizienter sein, da der Bedarf an physischen Räumen, Druckkosten und möglicherweise weiteren Aufwendungen reduziert wird, der mit der Einrichtung und Aufrechterhaltung eines physischen Datenraums verbunden ist.

 

Worauf sollte man bei der Verwendung/Einrichtung eines virtuellen Datenraums insbesondere achten?

Um die Benutzung eines VDRs effektiv, sicher und möglichst benutzerfreundlich zu machen, sollten die folgenden Aspekte Berücksichtigung finden:

 

  1. Genaue Benutzungsregeln für den VDR: Unabhängig von der Transaktionsgröße sollten zunächst verbindliche Benutzungsregeln für den VDR zwischen den Parteien vereinbart werden.
  2. Sicherheit und Datenschutz: Es sollte sichergestellt sein, dass der VDR Sicherheitsmaßnahmen, wie Datenverschlüsselung, Zugriffssteuerung, mehrstufige Authentifizierung und Schutz vor unbefugtem Zugriff bietet. Geregelt werden sollte auch, ob möglicherweise Druckbeschränkungen für die im VDR bereitgestellten Dokumente eingerichtet werden. Dies kann der zusätzlichen Absicherung der Vertraulichkeit der im VDR verfügbaren Informationen dienen.
  3. Berechtigungen: Es sollte die Möglichkeit bestehen, bestimmte Berechtigungen für Benutzer(gruppen) festzulegen. Auf diese Weise können der Zugriff auf bestimmte Dokumente oder Ordner gesteuert werden und so die individuellen Rollen und Verantwortlichkeiten der Benutzer entsprechend berücksichtigt werden.
  4. Benutzerfreundlichkeit und Dokumentenorganisation: Der VDR sollte intuitiv und benutzerfreundlich sein, um die Nutzung für alle Beteiligten so einfach wie möglich zu gestalten. Empfehlenswert ist z.B. eine klare und gut organisierte Ordnerstruktur sowie eine einfache Suchfunktion. Eine klare Struktur und Beschriftung erleichtert den Benutzern, die benötigten Informationen schnell zu finden. Auch sollte die Möglichkeit bestehen, dass die Benutzer des VDR ihre Fragen (z.B. zu angefragten aber noch nicht bereitgestellten Dokumenten) über ein entsprechendes Tool stellen und verwalten können (z.B. in Form einer digitalen Q&A-Liste).
  5. Nachverfolgbarkeit: Der VDR sollte in der Lage sein zu protokollieren, wer auf welche Dokumente zugegriffen hat und wann genau diese Aktivität stattgefunden hat (soweit dies datenschutzrechtlich möglich ist). Möglicherweise kann das auf diese Weise gewonnene Datenmaterial für einen Streitfall genutzt werden, in dem die Kenntnis des Erwerbers von bestimmten Due-Diligence Informationen im Streit steht.
  6. Technischer Support: Es sollte darüber hinaus sichergestellt sein, dass ein technischer Support verfügbar ist, um bei auftretenden Problemen oder Fragen schnell Unterstützung zu bieten.
  7. Kompatibilität: Es sollte sichergestellt sein, dass der VDR mit verschiedenen Dateiformaten kompatibel ist, um sicherzustellen, dass die Benutzer ohne Probleme auf die benötigten Informationen zugreifen können. Es sollte auch ausreichend Speicherplatz vorhanden sein, um das benötigte Datenvolumen decken zu können.
  8. Sicherung und Wiederherstellung: Eine Funktion zur regelmäßigen Erstellung von Backups sowie eine zuverlässige Wiederherstellungsfunktion sollten ebenfalls vorhanden sein, um sicherzustellen, dass Daten und Informationen im Falle eines technischen Problems oder Datenverlusts wiederhergestellt werden können.
  9. Einhaltung der rechtlichen Anforderungen: Es muss sichergestellt sein, dass der VDR den geltenden rechtlichen Anforderungen entspricht, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und die Speicherung sensibler Informationen (z.B. Umgang im VDR mit personenbezogenen Daten und Informationen von Mitarbeitern des Zielunternehmens).
  10. Sorgfältige Auswahl: Für den Fall, dass ein Drittanbieter den VDR bereitstellen und verwalten soll, sollte auf eine sorgfältige Auswahl dieses Anbieters geachtet werden, damit die zuvor genannten Aspekte ausreichend berücksichtigt werden.

 

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass VDRs gegenüber physischen Datenräumen eine Vielzahl von Vorteilen bieten und insbesondere mit Blick auf Faktoren, wie Effizienz, Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit eine moderne und angemessene Alternative darstellen.

 

Allerdings sollte sowohl bei der Beauftragung von externen Datenraumanbietern als auch bei einer selbst organisierten Methode zur Zurverfügungstellung von Dokumenten und Informationen darauf geachtet werden, dass die zuvor erläuterten Aspekte ausreichend und angemessen Berücksichtigung finden.

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