Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen und beim Unternehmenskauf (Teil I)

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veröffentlicht am 10. Februar 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Das Grunderwerbsteuergesetz erfasst nicht nur den direkten Verkauf eines Grundstücks (im Wege eines „Asset Deals“), sondern auch die Übertragung von Anteilen an grundbesitzhaltenden Gesellschaften im Rahmen von Unternehmensverkäufen. Ebenso kann ein Umhängen von grundbesitzenden Gesellschaften im Konzern Grunderwerbsteuer auslösen. Bei Transaktionen und Umstrukturierungen mit grundbesitzhaltenden Gesellschaften (im Wege eines „Share Deals“) sollte das Thema daher bereits frühzeitig vor Unterzeichnung der Verträge mitbetrachtet werden, um insbesondere eine doppelte oder mehrfache Grunderwerbsteuerpflicht zu vermeiden.

 

Überblick über die grunderwerbsteuerlichen Tatbestände beim Gesellschafterwechsel

Mit dem am 1.7.2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes  (sog. Share Deal-Reform) kam es insbesondere zu Neuregelungen betreffend die Bewegungen von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften (Share Deal). Die grunderwerb-steuerlichen Tatbestände beim Gesellschafterwechsel von Personengesellschaften (PersGes) bzw. Kapitalgesellschaften (KapGes) stellen sich wie folgt dar:

 

(Für eine optimale Darstellung der Tabelle empfiehlt sich die Nutzung eines Desktop-PC.)

§ 1 GrEStG​Tatbestand​betrifft​Steuerbarer Vorgang
​„Änderungstatbestände” ​ ​ ​
​Abs. 2a​Übergang von mind. 90% am Vermögen einer PersGes innerhalb von 10 Jahren​PersGes​Dinglicher Anteilsübergang
​Abs. 2b​Übergang von mind. 90% am Vermögen einer KapGes innerhalb von 10 Jahren​KapGes​Dinglicher Anteilsübergang
​Abs. 2c​Ausnahme (Börsenklausel):
Keine Berücksichtigung der Übergänge von Anteilen an börsennotierten Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung der Beteiligungsquoten gem. Abs. 2a und Abs. 2b

KapGes, PersGes​

​„Vereinigungstatbestände” ​ ​ ​
​Abs. 3​Anteilsvereinigung bei einem Erwerber i.H.v. mind. 90% (Nr. 1 und 2) oder Übergang bereits zu mind. 90% vereinigter Anteile auf einen Erwerber (Nr. 3 und 4)KapGes,​ PersGes*​Verpflichtungsgeschäft (z.B. Kaufvertrag) und dinglicher Übergang
​Abs. 3a**​Erwerb von „wirtschaftlich” (also rechnerisch) mind. 90%KapGes, PersGes​​Verpflichtungsgeschäft (z.B. Kaufvertrag) und dinglicher Übergang
​* diese allerdings meistens nur bei Vereinigung oder Übergang aller Anteile
** in der Praxis als „Anti-RETT-Blocker“-Regelung vor allem PersGes mit außenstehenden Minderheitsgesellschaftern ​ ​ ​

 

 

​§ 1 GrEStG​Tatbestand​betrifft​Steuerbarer Vorgang
​Abs. 2a a.F.​​Übergang von mind. 95% am Vermögen einer PersGes innerhalb von 5 Jahren​PersGes​Dinglicher Anteilsübergang
​Abs. 3 a.F.​Anteilsvereinigung bei einem Erwerber i.H.v. mind. 95% (Nr. 1 und 2) oder Übergang bereits zu mind. 95% vereinigter Anteile auf einen Erwerber (Nr. 3 und 4)​KapGes., PersGes.​Verpflichtungsgeschäft (z.B. Kaufvertrag) und dinglicher Übergang
​Abs. 3a a.F.​Erwerb von „wirtschaftlich“ (also rechnerisch) mind. 95%​KapGes, PersGes​​Verpflichtungsgeschäft (z.B. Kaufvertrag) und dinglicher Übergang

 

Die „Änderungstatbestände” § 1 Abs. 2a und 2b GrEStG besteuern einen (unmittelbaren und/oder mittelbaren) Gesellschafterwechsel in Höhe von mindestens 90% der Anteile am Gesellschaftsvermögen bzw. Kapital innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren. Bei mittelbaren Änderungen ist hierbei im Detail umstritten und oft schwierig zu erkennen, wann die Quote erreicht ist: Ist der betreffende Gesellschafter eine Personengesellschaft, werden mittelbare Änderungen anteilig „transparent” berücksichtigt, bei Kapitalgesellschaften wird erst mit Erreichen einer 90%-Änderung auf mittelbarer Ebene eine Bewegung fingiert – dann aber in voller Höhe („Alles-oder-nichts-Prinzip”).

 

Nach der Börsenklausel § 1 Abs. 2c GrEStG bleiben bei der Ermittlung der zuvor genannten Beteiligungsquoten immerhin die Übergänge von Anteilen an börsennotierten Kapitalgesellschaften in den meisten Fällen außer Betracht. Übergänge von Todes wegen sind ohnehin irrelevant – anders als Schenkungen, die zwar befreiungsfähig sein können, aber zunächst einmal eine Steuerbarkeit auslösen.

 

Sowohl Kapital- als auch Personengesellschaften können zudem von den „Vereinigungstatbeständen” § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG betroffen sein: Dabei ist steuerbar, wenn ein Erwerber (unmittelbar und/oder mittelbar) mindestens 90% der Anteile an der grundbesitzhaltenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt. Auch hier kann die konkrete Berechnung und Zurechnung je nach Tatbestand und Gesellschaftsform unterschiedlich erfolgen.

 

Besonderheiten bei Umstrukturierungen innerhalb des Konzerns

Keine Änderungen hat die Share Deal-Reform für die sog. Konzernklausel § 6a GrEStG gebracht. Diese Befreiungsvorschrift ist oft bei Umstrukturierungen innerhalb des Konzerns hilfreich. Danach wird insbesondere keine Grunderwerbsteuer erhoben, wenn

  • das Eigentum an einem Grundstück kraft Gesetzes (nicht aber aufgrund eines gewöhnlichen Grundstückskauf- oder -einbringungsvertrags) oder ein anteilsbezogener Erwerbsvorgang (siehe Tabelle oben) erfolgt,der Vorgang auf einer Verschmelzung, Spaltung oder Ausgliederung nach Umwandlungsgesetz  ), einer Einbringung oder einem anderen Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage beruht (letzteres nur bei Anteilsübergängen, nicht bei Grundstückübertragung) und
  • an dem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind;
  • zusätzlich fordert die Finanzverwaltung in ihren Erlassen etwas unverständlich eine „wirtschaftliche Tätigkeit”, die aber zumindest bei operativ tätigen Gesellschaften in der Regel erfüllt sein sollte.

„Abhängig” ist eine Gesellschaft, wenn an ihrem Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang (teils) unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist. Diese Frist und Quote wurden durch die Share Deal-Reform nicht geändert, sodass künftig kein Gleichlauf mehr zwischen der Steuerbarkeit (bei 90 %) und den Voraussetzungen für eine begünstigte Konzernbeteiligung (95 %) besteht. Günstig ist aber, dass die Vor- und Nachbehaltensfrist nicht auf 10 Jahre verlängert worden sind, im Gegensatz zu den nur für Personengesellschaften anwendbaren Befreiungsvorschriften §§ 5 und 6 GrEStG, bei denen die Haltefristen mittlerweile 10 oder sogar 15 Jahre dauern. Damit kann in Zukunft auch für eine GmbH & Co. KG, für die bei Umstrukturierungen bislang in der Regel die weniger komplexen Befreiungen §§ 5, 6 GrEStG genutzt wurden – § 6a GrEStG als Gestaltungsoption attraktiv sein.

 

Fortsetzung in der nächsten Ausgabe

Dieser Beitrag wird in der nächsten Ausgabe mit den Änderungen bei der Steuerschuldnerschaft und Besonderheiten zur Anzeigepflicht fortgesetzt. Zum Artikel »

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