Im Interview mit unseren Experten

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M&A Dialog: Welche Auswirkungen hat der Coro­na-Virus auf das M&A Geschäft?

Experten: Die Auswirkungen sind bereits jetzt spürbar und werden sehr unterschiedlich und viel­schichtig sein. Das gilt vor allem für das Jahr 2020. In Abhängigkeit von der Dauer der Krise, kann das aber auch Auswirkungen auf die Zeit danach haben. Welchen Grad die Auswirkungen haben werden, hängt zum einen von der Art des Investors (Stratege oder Finanzinvestor) und zum anderen vom Einfluss der Krise auf die Geschäfts-, Finanz- und Ertragslage der jeweiligen Zielgesellschaft und / oder des Käufers ab.

Es zeichnet sich ab, dass M&A Trans­aktionen bei denen mindestens eine Seite der geplanten Transaktion nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen ist, nicht weiter geführt oder zumindest auf die Zeit nach der Krise ver­schoben werden. Neue Projekte, insb. unter Betei­ligung von strategischen Investoren, werden im Zweifel erst zu einem späteren Zeitpunkt begon­nen. Die Gründe hierfür sind mannigfach. Allein die Anforderungen im Tagesgeschäft mit seiner Komplexität und Unsicherheit sind sprunghaft gestiegen. Unterbrochene Lieferketten müssen ge­schlossen, Kosten reduziert und die Liquiditäts­lage gesichert werden. Allein das erfordert erhe­bliche Kraftanstrengungen in den betroffenen Unternehmen, sodass es dort momentan keine ausreichenden Kapazitäten für ein M&A Projekt gibt.

Bei allen nur mittelmäßig oder leicht betroffenen Transaktionen ist der Projekt­er­reichungsgrad wesentlich. Projekte, die sich vor der Due Diligence Phase befinden, werden häufig gestoppt oder bis auf weiteres verschoben. Pro­jekte während der Due Diligence oder danach werden in der Regel fortgesetzt, insb. bei Finanz­in­vestoren als potentielle Erwerber.

Bei den laufenden und bei neuen Trans­aktionen ist allerdings damit zu rechnen, dass die kurz- und mittelfristige Entwicklung der Finanz­daten und der Auftragslage maßgebliche Bedeu­tung erlangen wird. Wir erwarten daher eine Nach­justierung, wenn nicht sogar eine Ver­schlech­terung, sämtlicher Businesspläne, die einer Transaktion zugrunde liegen. Es ist infolge­dessen davon auszugehen, dass:
  • die Bewertungen der Zielgesellschaften und damit auch der Unternehmenswert nach unten korrigiert werden;
  • Kaufpreise teilweise von der zukünftigen Ent­wick­lung abhängig gemacht werden, sodass insb. Earn-Out-Regelungen zunehmen wer­den;
  • Ratenzahlungen vereinbart werden;
  • Zunehmend sog. MAC-Klauseln gefordert wer­den, die es insb. dem Käufer ermöglichen, sich von dem Vertrag zu lösen oder Anpassungen zu verlangen, wenn zwischen Signing und Clo­sing weitere negative Ereignisse eintreten;
  • die Finanzierungen von Kaufpreisen bei Kre­dit­instituten deutlich erschwert werden. 

 

Im Rahmen der Due Diligence werden weitere Themen in den Vordergrund rücken. Hierzu be­rich­ten wir später mehr.

Wie bereits erwähnt, dürften hiervon lau­fen­de Projekte mit Beteiligung von Finanz­inves­toren ausgenommen sein, die kurz vor dem Ab­schluss stehen. Diese werden, soweit ersichtlich, planmäßig fortgeführt.

Um die möglichen Auswirkungen auf die jeweilige Transaktion möglichst frühzeitig er­kennen und darauf reagieren zu können, halten wir eine regelmäßige Kommunikation zwischen Ver­käufer und potentiellen Käufern für unab­dingbar.

Auch wenn sich abzeichnet, dass der Corona-Virus negative Auswirkungen auf den M&A Markt hat und noch haben wird, wird es gleichwohl aber auch neue M&A Projekte geben. Diese sehen wir derzeit zum einen bei Sell-Side Projekten zur Regelung der Unternehmensnachfolge in kaum oder gar nicht betroffenen Sektoren.

Zum anderen werden von der Situation vor allem mutige und / oder strategische Finanz­investoren profitieren. Mit ihrem Kapital und der teil­weise in der Finanzkrise gewonnenen Er­fah­rung wird sich die eine oder andere günstige Ein­stiegs­möglickeit bieten. Hinzu kommen insb. aus­ländische Investoren, allen voran aus China.  

Dort gibt es erste Anzeichen der Erholung, was dazu führen kann, dass diese auf „Einkaufstour" gehen und versuchen werden, angeschlagene Unter­nehmen zu erwerben. Diese Entwicklung hat bereits die Bundesregierung auf den Plan gerufen. Auf der Ebene wird derzeit überlegt, solche Erwerbe unter Umständen zu untersagen.

Abschließend erwarten wir für das laufende Geschäftsjahr, dass selbst bei einer schnellen Erholung, die negativen Spuren in den Bilanzen und Geschäftsberichten bei den meisten Unternehmen nicht mehr zu beseitigen sind. Das bedeutet, dass frühestens für das 1. Halbjahr 2021 wieder „verlässliche Zahlen" vorliegen, die einen geordneten M&A Prozess ermöglichen.
 
M&A Dialog: Was ist jetzt beim Unternehmenskauf besonders zu beachten? 

Experten: Neben den vorgenannten Punkten ist zentral, dass Überlegungen hinsichtlich des Ver­ständnisses des jeweiligen Geschäfts­modells an­gestellt werden, welche Auswirkungen die aktuelle Situation auf die kurz- und mittelfristige Liqui­ditäts­planung hat (mehr ››) und inwieweit die der bisherigen Unternehmens­bewertung zugrunde­liegende Planung noch erreicht werden kann. Es empfiehlt sich hier, die relevanten Werttreiber mit entsprechenden Sensitivitäten abzubilden (mehr ››).

Im zweiten Schritt sollten die bisher vereinbarten Kaufpreisbestandteile und der Kauf­preismechanismus auf ihre Anpassungsfähigkeit hin überprüft und ggf. angepasst werden. D.h. wie flexibel reagiert dieser Mechanismus, z.B. auf die aktuelle Liquiditätsentwicklung und welche Posi­tionen sind von der Definition der Abzugsposten in der sog. Equity Bridge umfasst? Hierzu zählen Steuerstundungen als Steuerverbindlichkeiten, For­derungen gegenüber Versicherungen als „cash like item". Kann der Situation durch Vereinbarung einer Earn-Out Komponente auf Basis der (ange­passten) Planung Rechnung getragen werden? 

M&A Dialog: Welche Themen spielen bei der Due Diligence in der Corona-Krise eine besondere Rolle?  

Experten: Die vorliegende Krise führt gerade bei der Due Diligence dazu, dass spezifische Risiko­bereiche beim Zielunternehmen in der Transaktion nun noch genauer untersucht werden müssen. So sollte speziell geprüft werden, ob für das Unter­nehmen und seine Arbeitnehmer bereits Kurzar­beiterg­eld für welchen Zeitraum beantragt wurde (mehr ››). Die Financial Due Diligence hat hierbei zu analysieren, zu welchen wirtschaft­li­chen Auswirkungen die mit der Kurzarbeit ver­bun­dene (teilweise) Betriebs­schließung führt. Hierbei ist nunmehr aufgrund der geänderten Rahmen­bedin­gungen der Businessplan sowie die gesamte kurz- und mittelfristige Finanzplanung einer sehr kri­tischen Analyse zu unterziehen, die sicherlich auch Auswirkungen auf die Unternehmens­bewer­tung haben wird.

Sollte die Zielgesellschaft bereits Liqui­di­tätshilfen oder Steuerstundungen bzw. –aus­setzungen beantragt haben (mehr ››), ist auch das spezifisch zu untersuchen und im späteren Kauf­vertrag auf der Ebene von sog. Cash- und Debt-Positionen bei der Berechnung des finalen Kauf­preises entsprechend abzubilden.

Von essentieller Bedeutung in der aktuellen Situation ist in der Legal Due Diligence, die genaue Prüfung, ob wesentliche Kunden- bzw. Lieferverträge überhaupt noch aufrecht erhalten bleiben (können). So wurden aufgrund der Corona-Krise entscheidende Verträge eventuell bereits gekündigt oder können zumindest derzeit nicht erfüllt werden. Vertragsparteien können sich z.B. auf eine sog. Force Majeure-Klausel berufen, die ihnen die temporäre Nichterfüllung oder sogar Beendigung eines Vertrages ermöglicht. Zusätzlich ist noch zu untersuchen, ob sich die Ziel­ge­sell­schaft eventuell schadenersatzpflichtig gegenüber ihren Vertragspartnern macht, wenn sie sich bei be­stehendem Leistungsverzug nicht selbst auf solche Klauseln berufen kann.

Zuletzt sollte nicht vergessen werden, dass der Untersuchung des bei der Ziel­ge­sellschaft bestehenden Versicherungs­schutzes ein großes Augenmerk gewidmet werden sollte. Gerade die Frage, ob die Zielgesellschaft eine ausreichend hohe Betriebsunterbrechungs­ver­si­che­rung abgeschlossen hat, wird häufig von ent­schei­dender Bedeutung sein. 

M&A Dialog: Was bedeutet die aktuelle Entwicklung eigentlich für die sogenannte Post Merger Integration?

Experten: In der aktuell ungewissen Situation erlangt eine sorgfältige Planung und deren laufen­de Überprüfung und Anpassung erhöhte Relevanz.

Die frühzeitige Planung der Integration ab dem Tag des Closings („Day 1 Readiness") wird in der Regel über einen Zeitraum von 100 Tagen erstellt. Diesem Integrationsplan kommt ohnehin schon eine enorme Bedeutung zu. Derzeit sind die bestehenden Herausforderungen im Rahmen der Post Merger Integration noch deutlicher zu spüren. Besonderes Augenmerk sollte auf der Sicherung der Liquiditätslage liegen.

Die bestehende Liquiditätsplanung sollte kritisch und lückenlos geprüft werden, um erkennen zu können, ob, wann und in welchem Umfang Bedarf an liquiditätsfördernden Maß­nah­men besteht bzw. ob die bisherige Fremd­finanzierung, insb. für das operative Geschäft, ausreicht oder ggfs. alternative Finanzierungs­quellen bereitgestellt werden müssen. Darauf aufbauend sollten unter den von der Bundes­regierung zur Verfügung gestellten Hilfsmaß­nahmen diejenigen ausgewählt werden, die dem Unternehmen und seiner Situation bestmöglich helfen, um einen durch die Corona-Krise verur­sachten Liquiditätsengpass zu überbrücken bzw. abzumildern. Folgende Stellschrauben stehen grund­sätzlich zur Verfügung:

  • Erleichterung der Zugangsvoraussetzungen zu Kurzarbeit und Erweiterung auf Leiharbeit­nehmer;
  • Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen;
  • Diverse Erleichterungen in Bezug auf Steuer­zahlungen;
  • Erweiterung und Erleichterung des Zugangs zu Fördermitteln (insb. KfW);
  • Angekündigt ist zudem eine zeitlich begrenzte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Ach­tung: das entbindet nicht von der laufenden Prüfung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt! 

 

M&A Dialog: Was ist bei der (Fremd-)Finanzierung der Transaktion ratsam bzw. was gilt es zu be­achten?

Experten: Hier sollten schnellstmöglich Gespräche mit den finanzierenden Banken geführt werden, um die Finanzierung der Kaufpreiszahlung sowie die Finanzierung des operativen Geschäfts des Zielunternehmens sicherzustellen.

Zu der Kaufpreisfinanzierung ist zu überlegen, ob der Kapitaldienst im Wesentlichen aus finanziellen Rückflüssen des Zielunter­neh­mens geleistet werden soll und inwieweit diese mittelfristig zur Verfügung stehen und hier Anpas­sungs­bedarf besteht.

Des Weiteren ist zu prüfen, ob die Auswirkungen der Corona-Krise auch zu einer Ver­letzung der mit den Banken vereinbarten Covenants führen kann, die den Banken ein Son­der­kündigungsrecht gewähren. Falls ja, sollte das möglichst ausgeschlossen oder zumindest für die Dauer der Krise suspendiert werden.

Das Verhandlungspotential sollte auch genutzt werden, um fällige Raten auszusetzen oder zu ver­schieben. Alternative Finanzierungen über die jeweiligen Fördermittel auf Landes- und Bun­des­ebene sind auch in Betracht zu ziehen, um die Durchfinanzierung der Gesellschaft zu ge­währ­leisten. 

M&A Dialog: Wie äußert sich das geänderte Käufer- und Verkäuferverhalten? Was ist ggf. be­reits jetzt absehbar? 

Experten: Eine konkrete Aussage hierzu ist momentan aus diversen Gründen noch schwierig: 

  • Transaktionen mit Zielunternehmen die aktuell nicht oder nur wenig unter der Krise leiden werden in der Regel weitergeführt;
  • Neue Projekte werden nur ausnahmsweise begonnen; es wird eher abgewartet: Ursachen hierfür sind geplatzte Finanzierungen, Reise­ver­bote und die generell unsichere Lage zur Dauer und Auswirkung der Krise;
  • Planungen, Bewertungen und Kaufpreise wer­den hinterfragt.
 
Wir sehen aber Prozesse, die Finanzinvestoren als Kaufkandidat (vorsichtig) weiterführen, selbst bei Zielunternehmen, die die Krise spüren aber nicht von ihr überrollt werden; dies in der Hoffnung dass sich das Virus schneller zurückzieht als der M&A-Prozess zum Ende kommt.

Wir erwarten auch, dass Finanz­investoren, d.h. Private Equity Unternehmen eher gestärkt aus der Corona-Krise starten, da diese momentan noch über genügend Eigenfinanzmittel verfügen und davon in der Zwischenzeit weniger Gebrauch machen müssen als sog. Corporates. Private Equities könnten nach der Krise ggf. zu niedrigeren Unternehmens­bewertungen kaufen. Gerade Unternehmen, die nach der Corona-Krise dringend Liquidität be­nötigen oder bei denen die Nachfolgesituation ohne­hin ungeklärt ist, können für solche Investoren potentielle Ziele darstellen. Hier gibt es für Investoren möglicherweise ein­malige Ein­stiegs­chancen zu Bewertungen, die vor we­nigen Wochen noch undenkbar erschienen. Ähn­liche Er­fahrungen gibt es dazu bereits aus der Finanzkrise 2008. 

M&A Dialog: Raten Sie zu unterschiedlichen Verhaltensmustern in verschiedenen Ländern?

Experten: Es sollten, wie bereits auch schon in normal üblichen Zeiten, stets für jedes Land die jeweiligen volkswirtschaftlichen Rahmen­bedin­gun­gen und Finanzdaten im Auge behalten werden. Das gilt noch verstärkter in dieser außer­gewöhnlichen Situation, wo noch stärker für jede Zielgesellschaft individuell die länder­spezi­fi­schen Rahmendaten mit untersucht werden müssen. Die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008 haben gezeigt, dass Länder mit bereits im Vorfeld schwachem volks- und sozial­wirt­schaft­li­chen Umfeld, auch unmittelbar nach einer Krise einen längeren Zeitraum zur Erholung benötigen als volkswirtschaftlich robustere Län­der. In erst­genannten Ländern gilt deshalb unseres Er­achtens eine noch größere Vorsicht und umfassendere Planung für die Zeit nach dem Unternehmenskauf.

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