Wettbewerber haben Recht auf Rückzahlung rechtswidrig gewährter Beihilfen

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 10. Februar 2011 (Az. I ZR 136/09; Parallelverfahren: Az. I ZR 213/08) ein für Wettbewerber von Beihilfeempfängern wichtiges Urteil erlassen, in welchem der BGH die Gewährung einer Beihilfe, die der Notifizierungspflicht unterliegt und nicht durch die Europäische Kommission freigegeben worden ist, als Verstoß gegen ein Schutzgesetz einstuft. Ein Wettbewerber wird hiernach in die Position versetzt, die Rückzahlung der Leistungen vor den nationalen Gerichten einfordern zu können. Vorstehendes soll selbst dann gelten, wenn der Rückforderungsanspruch bereits verjährt ist.

Die Beklagte ist Betreiberin des Verkehrsflughafens Frankfurt-Hahn. Sie ist zu 65 Prozent in Hand der Fraport AG und zu jeweils 17,5 Prozent in Hand der Länder Rheinland-Pfalz und Hessen. An der Fraport AG wiederum sind die Bundesrepublik Deutschland, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt mehrheitlich beteiligt. Die Verluste des defizitär wirtschaftenden Flughafen-Hahn in Höhe mehrerer Millionen Euro sind von der Fraport AG im Rahmen von Ergebnisabführungsverträgen getragen worden. Die Nutzungen der Infrastruktureinrichtungen auf dem Flughafen Hahn sind der Ryanair Ltd. vergünstigt angeboten worden; zudem gewährte die Beklagte der Ryanair Ltd. eine jährliche Zahlung als sog. „Marketing-Support”. Die Klägerin – die Deutsche Lufthansa AG – wehrte sich gegen die der Ryanair Ltd. gewährten Vergünstigungen. Sie berief sich auf eine unzulässige Gewährung staatlicher Beihilfen und verlangte die Rückabwicklung und Unterlassung der Vergünstigungen. Während die Vorinstanzen das Klagebegehren noch abgewiesen hatten, hielt diese rechtliche Beurteilung dem Urteil des BGH nicht stand.
 
Ausschlaggebend dafür, ob die Deutsche Lufthansa AG als Mitbewerberin die Rückzahlung der gewährten Vorteile verlangen konnte, war die Frage, ob ihr das Beihilferecht ein subjektives Recht hierauf vermittelt oder ob die Vorschriften des Beihilferechts lediglich dem objektiven Schutz des Wettbewerbs dienen, so dass eine Berufung der Klägerin auf eine Verletzung der Vorschriften ausscheiden hätte müssen. Die Vorinstanz hatte diesbezüglich angeführt, dass ein unmittelbares Recht des Mitbewerbers auf Durchsetzung der Rückforderung einer rechtswidrig gewährten Beihilfe nicht existiere. Vielmehr reiche es aus, dass ein Mitbewerber ein Beihilfeverfahren vor der Kommission initiieren könne.

Demgegenüber qualifiziert der BGH das in Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV verankerte Verbot, eine Beihilfe vor einer Entscheidung der Kommission auszubezahlen (sog. Durchführungsverbot), als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Dies eröffnet dem Wettbewerber die Möglichkeit, den Beihilfegewährenden auf Rückforderung von gegen das Durchführungsverbot verstoßenden Beihilfen in Anspruch zu nehmen. Nach Auffassung des BGH habe das Durchführungsverbot unmittelbare Geltung gegenüber den Wettbewerbern und begründe daher Rechte des Einzelnen, die vor den nationalen Gerichten zu beachten seien. Dies folge schon daraus, dass das Durchführungsverbot gerade die Funktion habe, die Interessen derjenigen zu schützen, die von einer Wettbewerbsverzerrung in Form der Gewährung einer Beihilfe betroffen seien. Es solle verhindert werden, dass durch unangemeldete Beihilfen Benachteiligungen im Wettbewerb entstehen, die sanktionslos bleiben würden.
 
Beachtlich ist dabei, dass die Beachtung des Durchführungsverbots unabhängig von einer etwaigen Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt gilt. Jede andere Auslegung würde – so der BGH – die Missachtung des Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV durch einen Mitgliedstaat begünstigen und der Vorschrift ihre praktische Wirksamkeit nehmen. Wird später gleichwohl die Vereinbarkeit der Vergünstigung mit dem Binnenmarkt durch die Kommission festgestellt, darf der Begünstigte die Leistungen zwar für sich Vereinnahmen, allerdings hat er Zinsen für den Zeitraum zu bezahlen, in denen er die Leistung entgegen dem Durchführungsverbot nutzen konnte.
 
Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Gericht hinsichtlich der Rückforderungsentscheidung eine Berufung auf Verjährungsvorschriften eine Absage erteilt, obwohl diese grundsätzlich einschlägig gewesen wären. Zur Begründung führt der BGH den in § 242 BGB verankerten Grundsatz des „Treu und Glauben” an, der der Ryanair Ltd. eine Berufung auf die Verjährung verwehre. Dies folge aus dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz, nach welchem die Durchsetzung, der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte, durch die nationalen Gerichte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden dürfe. Es widerspräche dem Effektivitätsgrundsatz, wenn im Hinblick auf den Rückforderungsanspruch kurze nationale Verjährungsfristen eingreifen würden. Denn die beihilfegewährenden Stellen könnten u.U. erst durch ein rechtskräftiges Urteil zur Rückforderung angehalten werden, wobei sich ein solches Urteil regelmäßig nicht innerhalb von drei Jahren erstreiten ließe.
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