Arbeitsrechtliche Flexibilitätsmaßnahmen des Automobilsektors in Spanien

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​​​​veröffentlicht am 1. April 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Der spanische Verband der Automobil- und LKW-Hersteller (ANFAC), der die wich­tigsten Fahrzeughersteller in Spanien umfasst, gab bekannt, dass die Automobilher­stellung in den ersten neun Monaten des Jahres 2019 um 2,4 Prozent auf 1.665.397 Einheiten zurückgegangen ist. Allerdings wurden im September 234.108 Fahrzeuge produziert – 17,2 Prozent mehr als im gleichen Monat des Vorjahres.

 

   

Der spanische Verband der Automobilzulieferer (SERNAUTO) wiederum berichtete, dass zwischen Mai und August 2019 spanische Automobilkomponenten im Wert von 6.548 Mio. Euro exportiert wurden, was einem Rückgang von 6,2 Prozent gegenüber des Vorjahres-Zeitraums entspricht. ANFAC teilte demgemäß mit, dass die Zulassung von Autos in Spanien im Februar 2020 um 6 Prozent zurückgegangen sei. Der Verkauf von Industriefahrzeugen, Bussen, Reisebussen und Mikrobussen sei im selben Monat um 5,5 Prozent zurückge­gangen.

 

Die Verlangsamung der Wirtschaft in der Eurozone, der Brexit, der Protektionismus der USA und die Um­stellung der Branche auf die Bedürfnisse von Elektroautos sind einige der Faktoren, die den spanischen Automobil­sektor maßgeblich beeinflussen. Sie haben dazu geführt, dass einige Automobilunternehmen soziale Maßnahmen ergreifen mussten, um sich an den Markt anzupassen. Die wichtigsten, die normalerweise in Spanien ergriffen werden, sind folgende:

 

1. Beendigung von befristeten Arbeitsverträgen

In Spanien gibt es zwei Arten von Arbeitsverträgen: befristete und unbefristete Verträge. Unternehmen schließen befristete Verträge ab, um die Belegschaft zu erhöhen, wenn die Nachfrage nach den Produkten / Dienstleistungen des Unternehmens unvorhergesehen steigt. Befristete Verträge werden auch angewandt, wenn es konkrete Projekte gibt, die eine Erhöhung der Beschäftigtenzahl erfordern. Die Beendigung befristeter Verträge ist eine der ersten Maßnahmen, die Unternehmen beim Szenario eines Produktionsrückgangs ergreifen.

 

2. Unregelmäßige Arbeitszeiten

Bei Abnahme von Auftragseingängen greifen viele Unternehmen auf eine unregelmäßige Verteilung der Arbeitszeiten zurück. Diese Maßnahme besteht aus einer Minderung der täglichen Arbeitszeiten. Sobald die Nachfrage steigt und es notwendig ist, die Produktion zu erhöhen, werden die täglichen Arbeitszeiten wieder erhöht. Auf diese Weise arbeiten die Arbeitnehmer je nach Jahreszeit mit unterschiedlichen Arbeitszeiten.

 

Das kann je nach Fall auf unterschiedliche Art und Weise durchgeführt werden: durch Verhandlung des Arbeitskalenders oder auch durch einseitige Entscheidung des Unternehmens. Wenn die unregelmäßige Verteilung bestimmte Grenzen überschreitet, muss die Gesellschaft mit dem Betriebsrat verhandeln.

 

3. Kollektive Aussetzung der Arbeitsbeziehungen (Kurzarbeit)

Das beinhaltet, dass der Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum sein Gehalt nicht mehr bezieht (in diesem Fall hat er jedoch Anspruch auf Arbeitslosendgeld). Das Unternehmen muss jedoch weiterhin Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

 

Die Maßnahme kann für einen bestimmten Zeitraum oder für eine maximale Anzahl von Tagen pro Jahr angewendet werden (diese Tage werden je nach den produktiven Bedürfnissen des Unternehmens über das ganze Jahr verteilt). Diese Maßnahme erfordert eine gewisse Verhandlungsdauer mit den Arbeitnehmervertretern.

 

4. Vorruhestand

Durch die oben genannten Schritte werden keine festen Arbeitsverhältnisse gelöscht. Wenn die Situation aber die Auflösung von unbefristeten Arbeitsverträgen erfordert, besteht eine der ersten Maßnahmen darin, ältere Arbeitnehmer in den Vorruhestand zu versetzen.

 

Die Umsetzung dieser Maßnahmen kann auf unterschiedliche Weise durchgeführt werden, beispielsweise durch gesetzliche Optionen (z.B. Ersetzung des Rentners durch jüngere Arbeitnehmer mit geringeren Arbeitskosten) oder durch private oder kollektive Vereinbarungen (z.B. Abschluss eines Versicherungsvertrags).

 

5. Entlassungen aus produktiven Gründen

Für den Fall, dass die Zahl der Arbeitnehmer reduziert werden muss, sieht das Gesetz Entlassungsmodalitäten vor, die sich nach der Marktsituation richten. Diese Möglichkeit beinhaltet die Zahlung einer niedrigeren Kündigungsentschädigung im Falle einer grundlosen Kündigung:

 

Die Kündigung aus produktiven, wirtschaftlichen, technologischen und organisatorischen Gründen hat die Zahlung einer Entschädigung von 20 Tagesgehältern bis zu einem Gehalt von maximal 12 Monaten zur Folge. Eine grundlose Kündigung (auf Spanisch: „despido improcedente“) hat die Zahlung einer Entschädigung von 33 Tagesgehältern bis zu maximal 2 Jahresgehältern zur Folge. In einigen Fällen könnte eine Entschädigung von 45 Tagesgehältern bis zu maximal 42 Monaten gezahlt werden.

 

Die häufigsten Modalitäten für die Umsetzung dieser Maßnahme sind folgende:

  • Einzelkündigungen aus wirtschaftlichen, produktiven, technischen und organisatorischen Gründen. Die Kündigung muss 15 Tage im Voraus mitgeteilt werden (sie kann durch die Zahlung von zusätzlichen 15 Tagesgehältern ersetzt werden)
  • Massenentlassung: Wenn eine Anzahl von Arbeitnehmern entlassen werden soll, die bestimmte gesetzliche Grenzen überschreiten, muss die Maßnahme im Rahmen des gesetzlichen Massenentlassungsverfahrens durchgeführt werden.

 

Das beinhaltet eine formelle Verhandlungsphase mit den Arbeitnehmervertretern sowie zusätzliche Kosten: die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für Arbeitnehmer ab 54 Jahren bis zum Erreichen des Rentenalters. Abhängig von der Anzahl der von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer muss das Unternehmen ein externes Unternehmen einstellen, das den entlassenen Arbeitnehmern die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erleichtert. Wenn der Jahresabschluss des Unternehmens ein positives Ergebnis aufweist, muss das Unternehmen eine zusätzliche Zahlung an den spanischen Staat leisten. Vor einer Entlassung suchen die Unternehmen in der Regel Arbeitnehmer, die sich freiwillig zur Verfügung stellen. Diese erhalten in der Regel Verbesserungen bei den Entlassungsbedingungen.

 

Die oben genannten Maßnahmen können dazu führen, dass Arbeitnehmer Druckmittel ergreifen, um Entlassungen zu vermeiden. Am häufigsten sind folgende Druckmittel:

  • Nichtleistung von Überstunden: Arbeitnehmer können sich weigern, die erforderlichen Überstunden zu leisten, um ein bestimmtes Produkt herzustellen, das die Kunden des Unternehmens dringend benötigen. Dies führt zu einer geringfügigen Minderung der Produktion des Unternehmens, kann jedoch zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für die Kunden des Unternehmens führen.
  • Streik: Arbeitnehmer haben das Recht, einen Streik auszurufen, um die gesamte Tätigkeit des Unternehmens lahmzulegen. Während eines Streiks kann das Unternehmen Streikende nicht durch neue Arbeiter oder Leiharbeiter ersetzen.

 
Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, die Bestände gut zu planen, bevor Flexibilitätsmaßnahmen durchgeführt werden.

 

Schließlich können Arbeitnehmer, denen aufgrund mangelnder Liquidität des Unternehmens das Gehalt und / oder die Abfindung nicht gezahlt wurde, eine staatliche Zahlung der Gehälter und Kündigungsabfindungen anfordern. Der Staat zahlt diese Entschädigungen und Gehälter durch einen öffentlichen Versicherungsfonds namens FOGASA. Der FOGASA zahlt Entschädigungen und unbezahlte Löhne bis zu einer bestimmten Höhe. Für das Jahr 2019 sind dies folgende:

  • Löhne: maximal 120 Tagesgehälter (maximal 69,81 Euro/ Tag).
  • Entschädigung: maximal 1 Jahresgehalt (maximal 69,81 Euro/ Tag).
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