Chefsache Krisenmanagement: Geschäftsführerhaftung im Fokus

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veröffentlicht am 22. Juli 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Krisenmanagement ist Chefsache. Es ist eine der ureigenen Aufgaben der Geschäfts­führung, die nur sehr begrenzt einer Ressortverteilung zwischen mehreren Geschäfts­führern oder gar einer Delegation auf nachgeordnete Fachabteilung zugänglich sind. Die Geschäfts­führung muss gemeinsam – entsprechend ihrer Gesamt­ver­antwortung – das Steuer in die Hand nehmen. Andernfalls drohen persönliche Haftungs­risiken.


 


Krisenmanagement ist eine Aufgabe, die die Geschäftsführung vor erhebliche Herausforderungen stellt. Oft müssen grundlegende Entscheidungen von großer Tragweite getroffen werden, um die Krise abzuwenden. Der Geschäftsführer sieht sich dabei auch persönlichen Haftungsrisiken ausgesetzt.

Der Geschäftsführer haftet zum einen für allgemeine Verletzungen der kaufmännischen Sorgfalt. Mängel in der Buchführung gehen zu seinen Lasten, sei es als Haftungsgrund oder als Beweislast im Gerichtsprozess. Zum anderen haftet er im Falle einer verspäteten Insolvenzantragsstellung nicht nur strafrechtlich, sondern auch zivilrechtlich für Zahlungen, die das Unternehmen nach Insolvenzreife an Gläubiger leistet, da er damit einzelne Gläubiger begünstigt und die der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehende Vermögensmasse mindert.

In Anbetracht der erheblichen persönlichen Haftungsrisiken spielt es für ihn eine entscheidende Rolle, die Krise rechtzeitig zu erkennen, um entweder noch gegensteuern oder zumindest rechtzeitig die Konsequenz der Insolvenzantragsstellung zu ziehen, wenn nötig. Dazu bedarf es einer hohen Sorgfalt bei der Überwachung der Unternehmensfinanzen, insbesondere der Liquiditätslage, um einen Insolvenzantragsgrund (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) rechtzeitig erkennen zu können.


Sorgfaltsmaßstab für unter­nehmer­isches Handeln in der Krise

Je weiter die Krise fortschreitet, desto höher werden die damit verbundenen Sorgfalts- und Überwachungs­maßstäbe. Es ist Aufgabe der Geschäftsführung, die möglichen Risiken zu ermitteln und die damit verbundenen schweren Folgen für das Unternehmen abzuschätzen, jeweils unter Beachtung der Wahrscheinlichkeit, dass sich das Risiko tatsächlich realisiert.

Es bleibt daher nicht aus, verschiedene Szenarien für die künftige Entwicklung in die Planung einzubeziehen und sie mit einer Wahrscheinlichkeitsprognose zu gewichten, um daraus ableiten zu können:

  1. wie schnell sich die Krise zu einem Insolvenzszenario entwickeln wird und
  2. welche Ansätze es gibt, dem gegenzusteuern sowie mit welcher Wahrscheinlichkeit derartige Versuche fruchten werden.


Er wird sich also bspw. mehrere Szenarien der Liquiditätsentwicklung vor Augen führen müssen, um den „best case” ebenso wie den „worst case” und deren Wahrscheinlichkeit abschätzen zu können.

Dem Geschäftsführer wird dabei grundsätzlich ein sehr hoher Maßstab verschiedenster Fachkenntnisse abverlangt. Frei nach dem Grundsatz „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht” muss er für sich selbst abschätzen, welche Sachverhalte er selbst ermitteln und rechtlich wie auch wirtschaftlich bewerten kann sowie an welchen Stellen er an seine fachlichen Grenzen stößt und fachkundigen Rat einholen muss.

Bei der Frage, welcher Weg eingeschlagen wird, um die Krise zu beseitigen, steht ihm ein gewisses unter­nehmerisches Ermessen zu (die sog. „Business Judgement Rule”), das gerichtlich nur begrenzt von außen überprüft werden kann. Voraussetzung ist, dass der Geschäftsführer die Sachlage sorgfältig mit allen ihm zustehenden Erkenntnis­möglich­keiten ermittelt hat und er sich bei der Entscheidung nicht von persönlichen Sonderinteressen leiten lässt.

Das unternehmerische Ermessen endet jedoch an der Legalitätsgrenze. Beim gesamten unternehmerischen Spielraum steht es ihm nicht zu, den legalen Rahmen zu überschreiten,  z.B. die Fristen für die Insolvenz­antragsstellung. Das (rechtmäßige) unternehmerische Ermessen spielt sich daher v.a. im Vorfeld der Insolvenz im Krisenmanagement ab.


Rolle der Geschäftsverteilung

Sind mehrere Geschäftsführer im Amt, so tragen sie grundsätzlich gemeinsam die Gesamt­verantwortung für die Geschäftsführung. Das schließt aber ein arbeitsteiliges Zusammenarbeiten nicht aus. Ist eine Aufgabe vorwie­gend einem Geschäfts­führer zugewiesen, so sind die übrigen Geschäfts­führer weiterhin zur Über­wachung verpflichtet. Sie sind damit keinesfalls von ihrer Verant­wortung entbunden.

Die Recht­sprechung hält es für notwendig, dass die Arbeitsteilung eine ordnungsgemäße Erledigung aller Geschäftsführungsaufgaben durch dafür fachlich und persönlich geeignete Personen sicherstellt und die Gesamtverantwortung der Geschäftsführung, insbesondere für nicht delegierbare Angelegenheiten, gewähr­leistet bleibt. Eine arbeitsteilige Organisation setzt dabei eine klare und eindeutige Aufgabenverteilung voraus, die von allen Geschäftsführern einvernehmlich mitgetragen wird. Nur in engen Grenzen kommt eine Entlastung anderer Ressorts in Betracht, wenn die Insolvenzreife auch bei aller sorgfältiger Überwachung für die nicht mit Finanzen befassten Ressorts nicht hatte erkannt werden können.

In der Praxis ist die Entlastung nicht einfach, zumal die Krisenanzeichen und -indizien sehr vielfältig sind. Die Grenze zum Kennenmüssen (fahrlässige Unkenntnis) wird dabei schnell erreicht sein. Etwaigen Hinweisen und Indizien muss der Geschäftsführer somit nachgehen und sich die nötigen Informationen beschaffen, wenn er seinen Kontrollpflichten gerecht werden will.

Die Geschäftsführung kann die Überwachung der Finanzen auch nicht vollständig auf untergeordnete Fach­abteilungen delegieren. Sie bleiben stets in der Gesamtverantwortung und müssen überprüfen, ob die damit befassten Personen ihrem Kenntnis- und Ausbildungsstand nach der Aufgabe auch gerecht werden können (sorgfältige Auswahl) und ihre Aufgaben vollständig und sorgfältig erfüllen (Organisations- und Überwachung­spflichten).

Das Krisenmanagement zählt daher zu den Kernaufgaben der Geschäftsführung, zu ihrer ureigenen Aufgabe, derer sie sich auch nicht durch Arbeitsteilung oder Delegation entziehen kann. Sie muss stets das Ruder in der Hand behalten und in der Lage sein, fundierte Entscheidungen zu treffen. Das Krisenmanagement ist und bleibt damit klare Chefsache.

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