Aus der unternehmerischen Perspektive „Der Markt in Mexiko”

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Bleibt Mexiko im wirtschaftlichen und politischen Spannungsfeld attraktiv? „Die deutschen Unternehmen zeigen sich in unseren Umfragen zunehmend besorgt über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Mexiko“, meint Johannes Hauser, Geschäftsführer der Deutsch-Mexikanischen Industrie- und Handelskammer (CAMEXA), gegenüber dem Handelsblatt. Ungewiss sind die Bedingungen, die für deutsche Investoren in Mexiko herrschen. Ungewisse wirtschaftliche, innenpolitische, arbeitsrechtliche und steuerrechtliche Rahmenbedingungen, dazu noch eine Portion Sicherheitsbedenken und ein Präsident, der lieber seine linke Wählerschaft als ausländische Investoren zu beruhigen vermag. Bleibt Mexiko noch als Investitions­markt attraktiv?



Mexiko: Die verlängerte Werkbank der USA

80 Prozent der mexikanischen Exporte gehen in die USA. Oftmals werden bereits Vorprodukte aus den USA bezogen und im Rahmen der Lohnveredelung als Fertigprodukt zurückgesandt. 25 Prozent der in den USA verkauften Autos stammen aus Mexiko. Insbesondere lohnintensive Vorprodukte, Elektrogeräte, optische und medizinische Geräte sowie Lebensmittel stammen aus Mexiko. Der Stundenlohn in den USA entspricht oftmals dem Tageslohn in Mexiko. Mexikanische Stundenlöhne sind inzwischen niedriger als in China. Demzufolge wird deutlich, dass Mexiko weiterhin als optimale Werkbank für die USA, aber auch für Kanada, dient. Jedoch wird ebenso deutlich, dass die mexikanische Wirtschaft primär von der US-amerikanischen Wirtschaft abhängt.

Die mexikanischen Beziehungen zu den USA hingen nach Amtsantritt von Donald Trump am seidenen Faden, jedoch verstärkte der linke mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador den Kontakt zu Trump und suchte auf einer Linie Gemeinsamkeiten, die man auch fand. Einerseits wurde das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA verlängert (verpackt im neuen Kleid, namens USMCA), andererseits setzte man gemeinsam auf die Ölindustrie. Trump musste gehen, der amerikanische Nationalstolz durfte bleiben, den nun der neue Präsident Joe Biden aus anderem Blickwinkel fortführt – jedoch nicht zwingend zum Nachteil der mexikanischen Wirtschaft.


Rückschritte in der mexikanischen Energiepolitik

Der mexikanische Präsident López Obrador setzte wie Trump auf die Ölindustrie und versuchte, den maroden staatlichen Ölkonzern PEMEX mit mehr als 24 Mrd. US-Dollar zu sanieren. Wie vor mehr als 30 Jahren sollte der Ölkonzern für die Deviseneinnahmen des Landes sorgen. Seinen Plan versucht López Obrador zu verteidigen, indem private Erneuerbare Energien-Anbieter zunehmend ausgebremst werden, bspw. wurde der Neuanschluss von Windkraftanlagen wegen angeblicher Instabilitäten im Netz nicht genehmigt. Durch die Covid-19-Pandemie musste der mexikanische Staat weiteren Rückgang von Staatseinnahmen durch Rückgänge im Ölgeschäft verzeichnen, auch wegen dem geringeren Container-Schiffsverkehr. Also radikalisierte sich die Gangart, indem die Regierung nun einen Entwurf des Energiegesetzes „Ley de la Industria Eléctrica” Anfang Februar vorlegte, das den Todesstoß der Erneuerbare Energien bedeuten könnte, da Stromabnehmer zunächst zum Bezug aus alten fossilen Quellen gezwungen werden sollen. Damit bewegt sich Mexiko wieder weg von seiner aus dem Jahr 2013 stammende Energiereform, von der Öffnung des Marktes für private Investoren, von den Zielen des Pariser Klimaabkommens und auch den Kapiteln 8 und 32 im nordamerikanischen Freihandelsabkommen USMCA zur Öffnung des Energiemarkts.


Stringente Beschäftigungspolitik

Das mexikanische Arbeitsrecht war bereits vor der Amtsannahme des linksgerichteten Präsidenten äußerst arbeitnehmerfreundlich, denn bspw. sind Arbeitsverträge in der Praxis (weder ordentlich noch außerordentlich) kaum zu kündigen. Vielmehr sind Aufhebungsverträge mit einer vom Arbeitsschiedsgericht empfohlener Abfindung aufzulösen. Zwar kennt das Bundesarbeitsgesetz insbesondere außerordentliche Kündigungsgründe, doch sie sind meist vor Arbeitsgerichten auch bei Vergehen schwer durchzusetzen. Arbeitgeber haben ihre Mitarbeiter am Unternehmenserfolg zu beteiligen: So sollen 10 Prozent der Unternehmensgewinne den Mitarbeitern als Arbeitnehmergewinnbeteiligung, der sog. „PTU”, zugehen. Zur Vermeidung der Auszahlung der PTU werden Personaldienstleistungsunternehmen als offizieller Arbeitgeber instruiert, oftmals sogar zwei Gesellschaften gegründet, eine Servicegesellschaft als Arbeitgeber des Personals und eine Betriebsgesell­schaft zur Erwirtschaftung des Unternehmenszwecks und zur Entstehung der Gewinne. Die mexikanische Regierung hat unter dem Präsident López Obrador der Arbeitnehmerüberlassung den Kampf angesagt und stellt das Personal-Outsourcing-Modell auf den Prüfstand. Dazu soll Artikel 15-A des Bundesarbeitsgesetzes („Ley Federal de Trabajo”) reformiert werden. Die Entscheidung wurde zunächst auf Februar 2021 verschoben und nun wegen der Covid-19-Pandemie abermals. Jedoch soll vor Juni 2021 eine endgültige Entscheidung getroffen werden. Betroffene Unternehmen sollten dazu ihr Business-Model überdenken und gegebenenfalls anpassen.

Der Schutz der Arbeitnehmer spiegelt sich auch in der neuen Arbeitsschutznorm, der sog. NOM-035. Demnach muss der Arbeitgeber psychosoziale Risikofaktoren erkennen, analysieren und Präventionsmaßnahmen treffen. Aktuell begannen vermehrt Inspektionen seitens der zuständigen Behörde, dem Ministerium für Arbeit und Soziales, der sog. „Secretaría de Trabajo de Prevención Social”, zur Überprüfung, ob die Bestimmungen eingehalten werden. Ab einer Mitarbeiterzahl von 50 Mitarbeitern sollen Mitarbeiter auch konkret mittels eines Fragebogens befragt werden und gemäß der Angaben Maßnahmen treffen. Sofern die Bestimmungen nicht umgesetzt werden, drohen den Unternehmen Strafen von umgerechnet bis zu 21.000 Euro.

Die aktuelle Covid-19-Pandemie zwang insbesondere nicht systemrelevante Wirtschaftsunternehmen, ihre Arbeitnehmer in das Homeoffice zu entsenden. Nicht genug, dass Mitarbeiter sich Arbeitswege und nicht nur Wegekosten ersparen konnten, beschloss die Linksregierung rasch die gesetzlich verankerte Berücksichtigung des Homeoffice-Modell als Beschäftigungsalternative mittels Erweiterung des Artikel 311 und Ergänzung der Artikel 330A bis 330K des Bundesarbeitsgesetzes, wonach die Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgelegt werden. Während Arbeitnehmer bereitgestellte Arbeitsmittel pfleglich zu behandeln und Datenschutzmaßnahmen einzuhalten haben, sollen gar Arbeitgeber zur Übernahme der zusätzlich betrieblich bedingten Strom- und Internetkosten verpflichtet werden.


Fiskalpolitische Anreize fehlen

Der Körperschaftssteuersatz liegt bei 30 Prozent und der generelle Umsatzsteuersatz bei 16 Prozent. Die Covid-19-Pandemie zog die bereits schwächelnde Wirtschaft weiter nach unten, so brach die Wirtschaft im 2. Quartal 2020 um 17 Prozent ein. Der mexikanische Leitzins betrug vor der Covid-19-Pandemie noch 7 Prozent und fiel schrittweise auf aktuell 4,25. Das ist im internationalen Vergleich weiterhin hoch, gemessen am FED-Leitzins der USA in einer Spanne von 0 bis 0,25 Prozent oder dem EZB-Zins von -0,25 bis 0 Prozent. Hingegen fehlen fiskalpolitische Anreize. Lediglich die Zahlung der geringen Lohnsummensteuer konnte gestundet werden. Die Steuersätze und Zahlungstage blieben unverändert, Hilfen für mittlere oder größere Unternehmen blieben aus.

Der Präsident López Obrador hatte zuerst nach Amtsantritt sein Wahlversprechen einlösen müssen, den behördlichen Selbstbedienungsladen zu kürzen und reduzierte die Belegschaften in sämtlichen Behörden, auch den Steuerbehörden. Seitdem beklagen die Finanzämter fehlende Manpower zur Umsetzung ihrer Aufgaben. So wurden die Grenzen zur Meldung von aggressiver internationaler Steuergestaltung, eine Umsetzung der OECD Bestimmung gleichlautend der europäischen DAC6 Richtlinie, derart weit nach oben angepasst, dass quasi keine Meldungen von Steuerberatern oder Unternehmen eingehen, denn sie konnten ansonsten nicht abgearbeitet werden. Andererseits müssen mit sinkenden Staatseinnahmen Steuerzahlungen generiert werden, was dazu führt, dass Finanzbeamte vom Schreibtisch aus falsche Bescheide und Aufforderungen versenden, die Steuerzahler zunächst richtigstellen müssen. Im Bundesstaat Mexico sind derzeit Finanzbehörden derart kreativ, dass Importdokumente von teils 20 Jahre alten Maschinen angefordert werden und bei Nichtvorlage Strafzahlungen wegen möglich falsch berechneter Einfuhrumsatzsteuer verhängt werden.


Wirtschaft erholt sich

Die US-Wirtschaft vernahm während des 3. Quartals 2020 in der Corona-Pause einen regelrechten Boom, danach federte im zweiten Lockdown die Wirtschaft zwar wieder ab, jedoch versprach im Januar der neue amerikanische Präsident Joe Biden ein Konjunkturprogramm von 1,9 Bio. US-Dollar. Ferner ist zu erwarten, dass auch Biden eine ähnlich protektionistische Außenpolitik gegen China fährt, wenn auch in anderer rhetorischer Gangart. Chinas Wirtschaft schaltete wieder auf Wachstum, das Auto erweist sich in Pandemien als sicherstes Transportmittel und wurde rege bestellt. Die EU bringt ein gewaltiges Aufbauprogramm von 1,8 Bio. Euro auf den Weg.

Diese Rahmenbedingungen verhalfen auch der mexikanischen Wirtschaft zu einer aktuell schrittweisen Erholung. Das 3. Quartal 2020 konnte bereits ein Plus von 12 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum verzeichnen.


Weitere positive Aussichten

Der IWF prognostiziert für Mexiko ein reelles BIP Wachstum von 4,3 Prozent im aktuellen Jahr 2021. Joe Biden verabschiedete im Januar eine Executive Order zum Buy American Act, was dazu führen soll, dass die öffentliche Hand zunächst von amerikanischen Lieferanten beziehen soll. Die mexikanischen Medien haben die Executive Order aus den USA sehr positiv aufgenommen, denn Vorprodukte dazu stammen dabei oftmals aus Mexiko.

Auch die Klimapolitik des US-Präsidenten mit Wiedereintritt in das Pariser Klimaabkommen spielt Mexiko in die Hände, denn bei der Erlangung der CO2-Ziele in den USA kann Mexiko profitieren, z.B. stammen 25 Prozent der Teile für den Tesla 3, der in Kaliforniern montiert wird, aus Mexiko. Die Lohnarbeit erbringen mexikanische Kräfte, jedoch müssen Maschinen und Anlagen dazu aus dem Ausland bezogen werden, darunter primär aus Deutschland.


Fazit

Tatsächlich begegnet dem ausländischen Investor in Mexiko derzeit keine große Kraftanstrengung der öffen­tlichen Hand zur Unterstützung. Subventionen können auf regionaler Ebene mit hohen Auflagen beantragt werden, jedoch sind sie wirtschaftlich meist uninteressant. Fiskalpolitische Anreize fehlen und Finanzbehörden werden aktuell wegen ausbleibender Öleinnahmen auf Steuereinnahmen getrimmt. Der Arbeitsmarkt wird als Ausbeutung ausländischer Kapitalisten anstatt als Wettbewerbsvorteil verstanden, mit der Folge einer weiteren Linksverschiebung der Arbeitsmarktpolitik. Leider ruft das auch Gewerkschaften hervor, die mit teils krimineller Energie zunächst sich selbst auf Kosten der Unternehmen unterstützen wollen. Zuletzt herrschen noch zu recht Sicherheitsbedenken, die zu höheren Standort- und Logistikkosten führen.

Aus der unternehmerischen Perspektive muss jedoch verstanden werden, dass in erster Linie nicht der mexikanische Präsident den Ton in der mexikanischen Wirtschaft angibt, sondern der nordamerikanische Verbraucher. Mexiko eignet sich weiterhin als Produktionsstandort für den nordamerikanischen Markt mit Ausnutzung all seiner Vorteile im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen USMCA und seiner Bestimmungen zur regionalen Wertschöpfung. Dabei bietet Mexiko niedrigeres Lohnniveau als China an und wird dabei noch als Weltmeister der Freihandelsabkommen bezeichnet. Mexiko bleibt aber auch weiterhin interessant als Investitionsgütermarkt, denn jede Verschärfung der Arbeitsmarktpolitik führt zur Erhöhung des Grades der Industrialisierung. Ferner bietet Mexiko mit seinen 96 Seehäfen ideale Bedingungen für einen nordamerikanischen und auch lateinamerikanischen Logistikhub. Schlussendlich bieten sich im mexikanischen Binnenmarkt mit seinen 128 Mio. Einwohner mit steigendem Lohnniveau, steigenden ungedeckten Bedürfnissen und niedriger Sparquote großartige Chancen auf dem Konsumgütermarkt.

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