Joe Biden ist neuer US-Präsident: Folgen für die mexikanische Wirtschaft

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veröffentlicht am 10. November 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten

  

Die USA waren schon immer ein Land der Gegensätze und die Bevölkerung ist häufig gespalten in ihren Ansichten: Obdachlos oder Tech-Milliardär, religiös oder materialistisch, Trend-Diät oder Fast Food, Pick-up oder Tesla, Großstadt oder Land, Alkoholverbot oder Waffenkauf, Republikaner oder Demokrat. Die Auszählung der Wahlscheine zur Aufstellung der Wahlmänner für den 46. Präsidenten zeigten es wieder schwarz auf weiß und sogar mathematisch – das Land bleibt gespalten. Und doch sind sich viele US-Amerikaner in diesen Punkten einig: Man ist patriotisch, man hat Migrationshintergrund ist aber gegen Immigration, die Welt reicht von der amerikanischen West- bis Ostküste.

  

  

Außenpolitisches Interesse beschränkt sich auf Einflüsse, die dem eigenen Land schaden könnten und so folgen zwei Drittel der US-Bürger der Ansicht, China sei ein „Schurkenstaat". Damit liegen Republikaner und Demokraten in der Befürwortung von Handelshemmnissen nicht weit voneinander entfernt. In Erinnerung zu bringen ist auch, dass der Mauerbau zu Mexiko keineswegs die Idee des republikanischen Präsidenten Trump war, sondern die ersten organisierten Grenzbefestigungen im Rahmen der Operation Gatekeeper bereits unter dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton begannen.

 

Aus Hass wurde Verbrüderung

Der scheidende Präsident Donald Trump hatte es jedoch geschafft, mittels seiner eigenwilligen Kommunikation und Rhetorik in aufsehenerregender Weise Themen zu präsentieren, die schon längst präsent waren. Das Handelsbilanzdefizit der USA war den US-Bürgern zuvor schon ein Dorn im Auge, nur niemand polterte bei Amtsantritt so laut wie Donald Trump. Er kündigte die transpazifische Partnerschaft (TPP) mit Ländern wie Japan und Australien bereits an seinem ersten Amtstag auf, obwohl das TPP unter der Regierung von Barack Obama explizit eine Maßnahme gegen den wachsenden Einfluss Chinas zum Ziel hatte. Er verhängte Strafzölle gegen China, Deutschland und die EU, drohte Mexiko mit der Kündigung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens und demontierte die Welthandelsorganisation.

  

Doch Donald Trump verstummte im Wahlkampf zu seinem rabiaten Vorgehen, denn tatsächlich stiegen die Handelsbilanzdefizite unter seiner Amtszeit noch weiter an. Der republikanische Präsident Trump schien nicht ungleicher mit seinem mexikanischen linken Amtskollegen Andrés Manuel López Obrador sein zu können. Trump beleidigte und bekämpfte den Grenznachbarn, drohte mit einem Ausstieg aus dem für beide Länder so wichtigen Freihandelsabkommen, doch nach längeren Verhandlungen und Abstimmungen einigte sich die USA, Mexiko und Kanada auf ein Nachfolgeabkommen, was auf den ersten Blick alter Wein in neuen Schläuchen ist und gewiss allen drei Staaten dient. Aus Hass wurde aus wirtschaftlichen und politischen Gründen Verbrüderung von Trump und López Obrador, gar hatte der mexikanische Präsident bei seiner ersten und bislang einzigen Auslandsreise Trump besucht, um ihn auch im Wahlkampf zu unterstützen. López Obrador hatte schlau erkannt, dass die mexikanische Wirtschaft weiterhin abhängig von den USA ist.  Aktuell beschäftigen sich die mexikanischen Medien überwiegend mit der Frage, wer denn nun tatsächlich die Wahlen in den USA gewonnen hat, da trotz Mehrzahl der demokratischen Wahlmänner der mexikanische Präsident noch nicht Joe Biden zum Sieg gratulierte.

 

Rassismus belastet politische Beziehungen

Gewiss vergessen die Mexikaner nicht den Rassismus, den Donald Trump gegen die mexikanische Bevölkerung schürte, mit Beleidigungen und medienwirksamen Abschiebemaßnahmen. Nahezu unvergessen scheint jedoch, dass die Höchstzahl der Abschiebungen bislang unter der Regierung des demokratischen Präsidenten Barack Obama stattfanden. Nichtsdestotrotz erhoffen sich die Mexikaner von Biden als neuen Präsidenten eine immigrationsfreundlichere Politik mit Rückgang der Abschiebungen und erleichterte Besuchs- und Visumsregelungen. So sah das Wahlprogramm von den Demokraten bereits erleichterte Einbürgerungen für Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung vor.

 

Spielregeln zwischen Mexiko und USA sind gesetzt

Die  mexikanische Wirtschaft profitierte davon, dass die USA unter Trump chinesische Produkte mit Strafzöllen belegten, denn China ist zwar ein wichtiger Handelspartner für Mexiko, jedoch konkurrieren beide Staaten darum das größte Importland der USA zu sein. Biden wird auf diplomatischere Weise die Wogen zu Deutschland, den EU-Staaten und China glätten, aber im Kern war die außenpolitische Gangart der USA sowohl unter demokratischen als auch unter republikanischen Regierungen die selbe, zumal Biden versprach, der Präsident aller Amerikaner zu werden.

 

Mexiko hat seine Stellung mit dem neuen nordamerikanischen Freihandelsabkommen USMCA, das in Mexiko „T-MEC" genannt wird, gesichert, die Spielregeln sind also klar und damit ist nach langen Verhandlungen wieder Planungssicherheit für mindestens 16 weitere Jahre gegeben. Das USMCA musste in den USA zur Abstimmung das Repräsentantenhaus passieren, in dem jedoch die Demokraten die Mehrheit der Sitze unter der Regierung Trumps hatten. Im UMSCA wurden mit Einfluss der Demokraten Regelungen zum Schutz der Arbeiter vereinbart, bspw. die Einrichtung eines Schiedsgerichts-Panel, das bei wiederholter Verletzung von arbeitsrechtlichen Standards angerufen werden kann.

 

Für die Automobilindustrie ist die Regelung des USMCA essentiell, dass der Anteil am Fahrzeug, der in der nordamerikanischen Region gefertigt wird (Regional Value Content), sich im Stufenverfahren von 62,5 Prozent auf 75 Prozent erhöhen muss. Dazu wurden bereits Lieferanten verpflichtet, sich im nordamerikanischen Vertragsgebiet anzusiedeln bzw. Fertigungsprozesse von u.a. asiatischen Staaten auch nach Mexiko zu transferieren. Damit Neuansiedlungen nicht ausschließlich in Mexiko erfolgen, hat sich die USA als Neuerung den sog. „Labor Value Content" ausgedacht: 40 Prozent des fertigen PKW müssen zu einem Stundenlohn von 16 US-Dollar hergestellt werden, also mehr als 10 US-Dollar über dem mexikanischen Industriedurchschnittslohn. Jedoch wird die Regelung nicht direkt zur gravierenden Lohnerhöhung unter mexikanischen Industriearbeitern führen, sondern eher zur weiteren Automatisierung von Prozessen, zum Vorteil des Sektors Maschinenbau und Automation.

 

Präsident Trump hatte eine aggressive Steuersenkungspolitik für US-Unternehmen verfolgt. Unter Biden als neuen Präsidenten werden Rückgängigmachungen dieser Politik erwartet, mit gleichzeitiger drastischer Erhöhung der Staatsausgaben. Das wird die Inflation in den USA ankurbeln, vermutlich jedoch nicht sofort mit Zinserhöhungen verbunden, denn die amerikanische Notenbank kann sich in Corona-Zeiten keine Wachstumsbremse durch Zinserhöhungen erlauben. In Folge dessen wird der Kurs des Dollars fallen, wie bereits vor der Wahl mit positiven Umfragewerten für Biden zu beobachten war. Ein schwacher Dollar verteuert jedoch Importe bzw. macht sie für ausländische Verkäufer unattraktiver, wenn der Verkaufspreis in USD festgeschrieben war. Mexiko lebt jedoch vom amerikanischen Konsum und Verkauf an den großen Grenznachbarn. Hingegen können durch erhöhte amerikanische Staatausgaben und einer Umschichtungspolitik von Unternehmern und Vermögenden hin zur Mittel- und Unterschicht zusätzliche Konsumanreize entstehen, die dann dem Produktionsland Mexiko dienen könnten. Außerdem hatten die US-Demokraten eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 15 USD im Wahlprogramm in Aussicht gestellt. Das verteuert die inländische Produktionen in den USA und könnte weitere lohnintensive Produktionsprozesse nach Mexiko verlagern, gleichzeitig werden Einkommen erhöht und so die Nachfrage nach Konsum geweckt.

 

Konträre Energiepolitik

López Obrador und Biden haben allerdings sehr konträre Ansichten zur Energiepolitik. Mexiko setzte auch wie Trump bislang lediglich auf die Ölindustrie und generierte dadurch Staatseinnahmen. Erneuerbare Energien und Klimakonzepte hatten bislang im Sinne der Wirtschaft keinen Platz im mexikanischen Regierungskonzept. Biden versprach jedoch, bei Amtsantritt sofort dem Pariser Klimaabkommen beizutreten, das Trump vorher noch aufkündigte. Biden hätte sicherlich noch vier Jahre Klimapolitik im eigenen Land aufzuarbeiten, jedoch ist zu erwarten, dass der Druck auf Mexiko erhöht wird, den CO2-Ausstoß langfristig zu reduzieren. Die Öleinnahmen sind essentiell für den mexikanischen Staatshaushalt, hingegen belasten Kosten der Klimawende die mexikanische Wettbewerbskraft. Mexiko muss sich die Klimawende der USA zu Nutze machen und sich vom Lieferanten für das E-Auto bis zum Produzent für den Solarpark in Texas platzieren.

 

Fazit

Trump war nach anfänglichen erheblichen Problemen zuletzt ein verlässlicher Partner für Mexiko und den mexikanischen Präsidenten. Man konnte sich gegenseitig einschätzen und verfolgte ähnliche Strategien. Mit Biden tritt nun ein diplomatischer, ruhigerer und erfahrener Präsident an, der gemeinsam mit seiner Vizepräsidentin Kamala Harris Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenstehen will. Die wirtschaftlichen Spielregeln im Bezug auf Mexiko sind grundlegend mit dem USMCA/T-MEC festgesetzt, jedoch hängt weiterhin die wirtschaftliche Stabilität Mexikos vom Wirtschaftswachstum und Konsum der USA ab. Die Klimapolitik Bidens könnte Mexiko noch wirtschaftliche Stolpersteine in den Weg legen, allerdings konkurriert Mexiko im globalen Handel mit dem chinesischen Reich, das sich bereits im Pariser Klimaabkommen zur CO2-Reduktion verpflichtete. Es ist zu hoffen, dass López Obrador den Demokraten Joe Biden als neuen Präsidenten der USA anerkennt und auf kontinuierlicher Basis die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen fortführt.

 

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