Elektronische Wertpapiere: Aufbruch in einen neuen Finanzmarkt

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veröffentlicht am 24. März 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Der Megatrend „Digitalisierung” prägt fraglos das gesamte Wirtschaftsleben. Auch im Wertpapierbereich ist die Entwicklung bereits seit vielen Jahren nicht zu übersehen. So gehört etwa eine digitale Depotführung seit langem ebenso zum Standard wie eine Ausführung einer Wertpapierorder auf elektronischem Wege. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass in Deutschland nach aktuell geltendem Recht dabei im Hintergrund eine körperliche Globalurkunde die (rechtliche) Basis bildet. Zu dem traditionellen Ansatz bietet ein neues Gesetzesvorhaben künftig Alternativen, indem es „papierlose” Wertpapiere ermöglicht.



Digitale Transformation des Wertpapiers

Nach dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung elektronischer Wertpapiere hat die Bundesre­gierung im Dezember 2020 den zugehörigen Gesetzesentwurf dazu beschlossen und vorgestellt.  Das Hauptziel ist die Modernisierung des deutschen Wertpapierrechts sowie die Stärkung des Finanzplatzes Deutschland. Zudem sollen die neuen Vorschriften zu einer Erhöhung der Transparenz, der Marktintegrität und des Anlegerschutzes führen. Das soll u.a. durch die nicht mehr zwingende urkundliche Verkörperung von Wert­papieren in Papierform erreicht werden. D.h., die bisher geltende Papierform für Wertpapierurkunden wird durch rein elektronische Gestaltungen ergänzt. An die Stelle einer körperlichen Urkunde soll künftig nach Maßgabe des Gesetzesentwurfs auch eine Eintragung in ein bei einem Zentralverwahrer oder einer Depotbank geführtes zentrales Register oder in ein (insbesondere auf der Blockchain-Technologie basierendes) dezen­trales Kryptowertpapierregister treten können. Die neuen Wertpapierformen werden durch die vorge­stellten Regelungen grundsätzlich technologieneutral in das deutsche Recht eingeführt, um sich den rasanten technologischen Entwicklungen möglichst flexibel anpassen zu können.


Vorerst beschränkter Anwendungsbereich des neuen Gesetzes über elektronische Wertpapiere (eWpG)

Nach dem vorgelegten Regierungsentwurf sollen die Regelungen vorerst auf Inhaberschuldverschreibungen und teilweise Inhaber-Anteilscheine beschränkt werden, wobei eine spätere Erweiterung des Anwendungs­bereichs auf weitere Inhaberpapiere sowie auf elektronische Aktien bereits jetzt vorgesehen ist. Die Regulierung der Bereiche ist jedoch mit erheblichen gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen und einem deutlich höheren gesetzgeberischen Aufwand verbunden. Betroffen wird dadurch v.a. die rechtliche Neugestaltung solcher Themen, wie die Gründung der Gesellschaft oder die Ausgabe und Übertragung von Aktien auf den internationalen Kapitalmärkten. Eine darüberhinausgehende Erweiterung des Anwendungs­bereichs auf Order- und Rektapapiere wird nach der vorgestellten Begründung des Gesetzes angesichts der gegenwärtigen Bedürfnisse des Finanzmarktes nicht für erforderlich gehalten.


Elektronische Wertpapiere und Kryptowertpapiere

Das Kernstück des vorgelegten Gesetzgebungsvorhabens bilden zwei neue Varianten von digitalen Wert­papieren, sog. elektronische Wertpapiere und Kryptowertpapiere. Die Kategorisierung dieser neuen Arten von Wertpapieren orientiert sich daran, in welches Register das entsprechende Wertpapier eingetragen wird.

Zur Begebung eines elektronischen Wertpapiers muss, alternativ zur Ausstellung einer körperlichen Wertpapierurkunde, nach dem Gesetzesentwurf eine Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister vorgenommen werden. Dafür sind wiederum zwei Spielarten vorgesehen: das sog. zentrale Register über elektronische Wertpapiere sowie das Kryptowertpapierregister.

Als elektronische Wertpapiere werden demnach nach § 2 eWpG-E solche Wertpapiere verstanden, bei denen die körperliche Urkunde durch die Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister ersetzt wird, als Kryptowertpapiere nach § 4  eWpG-E wiederum solche, die in einem Kryptowertpapierregister eigetragen werden.


Letzteres muss dabei auf einem dezentralen, fälschungssicheren Aufzeichnungssystem geführt werden, in dem Daten in der Zeitfolge protokolliert und gegen unbefugte Löschung, sowie nachträgliche Veränderung geschützt gespeichert werden. Zwar wurde der Begriff des Kryptowertpapierregisters bewusst technikoffen gefasst, jedoch lässt sich aus der vorangehenden Definition unschwer erkennen, dass aktuell Kryptowertpapierregister vorrangig über die Distributed Ledger Technologie, v.a. organisiert als Blockchain, in Frage kämen. Das ist deshalb so, da diese Form des Registers nach dem Gesetzesentwurf dezentral geführt werden darf, allerdings durch die besondere Methodik der Aufzeichnung die gleiche Sicherheit für Identität und Authentizität des Wertpapiers bieten muss wie ein zentrales Register.


Verfügungstransparenz

Nach der Begründung des Regierungsentwurfs besteht die Innovationskraft der elektronischen Register gerade auch in ihrer Transparenz. Mit den Vorschriften des eWpG-E soll der Grundsatz verfolgt werden, dass keine Verfügungen außerhalb des Registers stattfinden dürfen. Eine Verfügung über ein elektronisches Wertpapier, die nicht im Register eingetragen ist, wird folglich als unwirksam angesehen.


Mit den neu eingeführten elektronischen Wertpapierregistern wird somit das Ziel verfolgt, eine umfassende und für den Rechtsverkehr relevante verlässliche Dokumentation in Bezug auf die wesentlichen wertpapierbe­zogenen Informationen zu gewährleisten.


Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)

Als allgemein zuständige Aufsichtsbehörde nach dem eWpG-E wird – wenig überraschend – die BaFin ernannt. Unter ihre Aufsicht soll v.a. das Führen eines zentralen Registers und eines Kryptowertpapierregisters gestellt werden, um damit den Anlegerschutz sowie die Integrität, Transparenz und die Sicherstellung der Funktions­fähigkeit des Finanzmarktes zu gewährleisten.


Ausblick

Der Gesetzesentwurf stellt einen wichtigen Schritt in der digitalen Transformation des Finanzmarkts in Deutschland dar. Er nimmt zahlreiche Forderungen aus dem Eckpunktepapier von BMF und BMJV aus dem Jahr 2019 bzw. der Blockchain-Strategie der Bundesregierung auf. Zudem wird er mit seiner Richtungsentscheidung hin zu einer Entmaterialisierung und Digitalisierung von Wertpapieren vermutlich prägend für kommende gesetzgeberische Vorhaben sein. Die innovative Regulierung im eWpG-E zielt darauf ab, möglichst weitgehende Rechtssicherheit in einem Bereich zu schaffen, der aufgrund der rasanten technologischen Fortentwicklungen einem stetigen Wandel unterworfen ist. Mit Blick auf die Marktakteure sollen die Neuregelungen zudem zu einer Reduktion von Kosten und Verwaltungsaufwand im Wertpapierbereich führen. Inwieweit die Zielsetzung erreicht werden kann, bleibt abzuwarten und wird auch von der Klärung der aktuell noch offenen Fragen, wie etwa einer tauglichen Geldwäscheprävention bei den dezentralen Organisationsformen, abhängen. Ein Inkrafttreten des Gesetzes ist nach aktuellem Stand im Sommer des laufenden Jahres zu erwarten.

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