Der brasilianischen Präsidentin droht Amtsenthebung

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Am Sonntagabend verlor die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff in einer dramatischen Parlamentsabstimmung das Votum zur Amtsenthebung deutlich. Die amtierende Präsidentin und ihre linksgerichtete Arbeitnehmerpartei stehen in Unternehmerkreisen für Korruption, Reformstillstand und werden für die schwere brasilianische Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht. Das Votum wurde landesweit übertragen und das Ergebnis auf den Straßen des Landes frenetisch gefeiert – allerdings ist eine Amtsenthebung nun sehr wahrscheinlich, aber noch ist nichts entschieden.
 

Zum komplizierten Amtsenthebungsverfahren:
  • Zunächst wurde eine Sonderkommission gebildet, die die von der Opposition eingebrachten Vorwürfe prüfte. Nach mehreren Sitzungen und einer Anhörung der Regierung entschied die Kommission, dass eine Amtsenthebung gerechtfertigt sei. Am Sonntag votierte das Plenum, dass die Amtsenthebung gerechtfertigt ist – deutlich mehr als zwei Drittel der 513 Abgeordneten stimmten dafür.
  • Der Senat bildet nun ebenfalls eine Kommission mit einem Viertel seiner Mitglieder (21). Einer Empfehlung für eine weitere Fortführung des Verfahrens muss mit einfacher Mehrheit zugestimmt werden; das kann Ende April so weit sein. Dann würde Präsidentin Dilma Rousseff für 180 Tage suspendiert. Vizepräsident Michel Temer von der Partei PMDB, der trotz des Koalitionsbruchs seiner Partei das Amt weiter ausübt, würde dann anstelle von Präsidentin Dilma Rousseff das Präsidentenamt übernehmen.
  • Unter Federführung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Ricardo Lewandowski, wird während der 180 Tage geprüft, ob die Vorwürfe juristisch so schwerwiegend sind, dass die Amtsenthebung gerechtfertigt wäre. Im Oktober müsste der Senat sein endgültiges Urteil fällen. Stimmen zwei Drittel (54 von 81) für eine Amtsenthebung, würde Vizepräsident Michel Temer statt Präsidentin Dilma Rousseff das Amt voraussichtlich bis Ende 2018 ausüben – und wohl versuchen, eine Regierung ohne die Arbeiterpartei zu bilden.

 

Unabhängig von dem Ausgang zeigt dieser Zwischenstand v.a. eines: Trotz der Korruptionsskandale verfügt Brasilien über eine funktionierende Demokratie. Eine Amtsenthebung würde insgesamt als positives, befreiendes Signal gewertet, ist allerdings lediglich ein erster Schritt in die richtige Richtung auf einem langen Weg. Brasilien benötigt dringend eine Regierung, die die Rahmenbedingungen systematisch angeht bzw. verbessert, d.h. Korruption eindämmt, die dringend notwendigen Reformen (u.a. Rentensystem, Bürokratie, Steuer- und Arbeitsrecht) einleitet sowie das sozioökonomisch tief zerrissene Land – im Wesentlichen zwischen dem strukturschwachen Norden und dem wohlhabenderen Süden – eint. Auch gegen den Vizepräsidenten Michel Temer laufen Ermittlungen und gegen ihn ist ebenfalls ein Impeachment anhängig. Das sind nicht gerade ideale Voraussetzungen, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern.
 

zuletzt aktualisiert am 19.04.2016

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