Venture Capital-Bewertungsmethoden vs. IDW S1 – Was ist in der aktuellen Zeit angemessen?

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​​​​​​​​​veröffentlicht am 17. Juli 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Die Bewertung von Start-Ups orientiert sich regelmäßig an den International Private Equity and Venture Capital Valuation Guidelines (IPEV​) und greift üblicherweise auf marktorientierte Bewertungsverfahren in Form von neuen Finanzierungsrunden oder Multiplikatorverfahren zurück. Durch aktuelle Entwicklungen und der weltweiten Zinswende hat die Anzahl an Finanzierungsrunden und Transaktionen im Start-Up Umfeld merklich abgenommen, sodass zunehmend weniger tatsächlich am Markt beobachtbare Preise zur Wertbemessung der Fonds bzw. deren Fondsreporting herangezogen werden können. 


Für Zwecke des Fondsreporting an Investoren werden die Richtlinien der IPEV weiterhin angewendet. Bei anderen Stakeholdern kommen jedoch zunehmend Zweifel auf, ob nicht klassische Bewertungsmethoden, wie bspw. die Regelungen des IDW S1, in der jetzigen Zeit angemessener sind.

Venture Capital-Bewertungsmethoden

Viele Venture Capital-Fonds investieren vorwiegend in Unternehmen in der Start-Up- und Wachstumsphase. Nach einem Einstieg ist der Wert der einzelnen Beteiligungen der Fonds in der Regel quartalsweise oder mindestens jährlich an dessen Investoren zu berichten. Für viele Start-Ups stellt diese Form der Eigenkapitalfinanzierung meist die einzige Finanzierungsquelle dar. Etablierte Start-Ups nehmen hingegen auch regelmäßig Fremdkapitalmittel von finanzierenden Banken auf, um ihre Eigentümerstruktur durch etwaige Finanzierungsrunden nicht noch weiter zu verwässern. Daher sind neben den Investoren auch finanzierende Banken an der (Wert-) Entwicklung von Start-Ups im Rahmen ihres internen Risikomanagements interessiert. 

Bei der Bewertung von Start-Ups wird man besonders in der Frühphase des Unternehmens mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Traditionelle Bewertungsverfahren wie bspw. das Discounted-Cash-Flow-Verfahren sind primär auf bereits etablierte Unternehmen ausgerichtet. Aufgrund der fehlenden bzw. kaum aussagekräftigen Vergangenheitsdaten und dem eingeschränkten Rechnungs- und Planungswesen bei Start-Ups ist eine Ableitung der zukünftigen Entwicklung auf Basis der Vergangenheit häufig nur sehr schwer möglich. 

Daher haben sich die International Private Equity and Venture Capital Valuation Guidelines (IPEV) als einheitlicher Branchenstandard für Fondsreportings etabliert, die auch regelmäßig zur Dokumentation an finanzierende Banken versendet wird. Diese Richtlinien bieten einen Best Practice-Ansatz zur Bewertung von Start-Ups in allen Lebensphasen (Früh- und Spätphase) im Rahmen der Beteiligung, die mit dem beizulegenden Zeitwert („Fair Value”) ausgewiesen werden. Aufgrund dessen sind diese Bewertungsrichtlinien stark an tatsächlich am Markt beobachtbare Marktwerte ausgerichtet und ähneln der Hierarchie des IFRS 13. Demnach stellen neue Finanzierungsrunden einen hohen Grad an Validität für einen externen Marktwert dar. Durch den Einstieg neuer Investoren im Rahmen von Finanzierungsrunden, resultiert eine implizite Bewertung der jeweiligen Beteiligung. Der Fonds kann darauf den Wert seines Anteils neu bewerten und eine Wertsteigerung/-minderung entsprechend in seinem Fondsreporting an die Investoren aufnehmen. Als weiteres marktorientiertes Verfahren – allerdings mit einer geringeren Validität – bietet sich die Anwendung von Multiplikatoren an, die aus Marktwerten anderer vergleichbarer Unternehmen abgeleitet werden können und mit denen der Wert der Beteiligung überschlägig bestimmt werden kann. Discounted-Cash-Flow-Verfahren als ertragswertorientierte Verfahren werden nachrangig verwendet und eher zur Plausibilisierung für einen mit marktorientierten Verfahren ermittelten beizulegenden Zeitwert angesehen.

Spannungsfeld der marktorientierten Bewertungsverfahren

Durch die weltweite Zinswende hat die Anzahl an Finanzierungsrunden und weiteren Transaktionen im Start-Up Umfeld merklich abgenommen, sodass zunehmend weniger tatsächlich am Markt beobachtbare Preise zur Wertbemessung herangezogen werden können. Durch den Mangel an Finanzierungsrunden oder potentielle Exits fehlen implizite Bewertungen der kon​kreten Beteiligungen und viele Fonds weichen auf Multiplikatoren aus, deren Methodik naturgemäß mit entsprechenden Unsicherheiten behaftet sind. 

Für Zwecke des Fondsreportings an die Investoren ist dies nach den IPEVs weiterhin sachgerecht. Für den Fall, dass Banken in der Finanzierung eines Start-Ups (meist erst in der Spätphase) involviert sind, kommen in der jüngeren Vergangenheit jedoch Zweifel auf, ob dieses Vorgehen für das interne Risikomanagement der Banken noch ausreichend ist oder ob hier alternative Wege zu gehen sind. 

So werden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zunehmend angefragt, für Zwecke des internen Risikomanagements der Banken eine Unternehmensbewertung der etablierteren Start-Ups nach dem Standard IDW S1 des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) anzufertigen, da diese den marktorientierten Bewertungsmethoden aufgrund der geringeren Verfügbarkeit aktueller Transaktionsdaten nicht mehr vollständig vertrauen. 

Bewertung nach IDW S1 je nach Zweck und Adressat

Bei einer Bewertung nach dem IDW S1 sind das Ertragswertverfahren und die Discounted-Cash-Flow-Verfahren die bevorzugten Verfahren. Beide Verfahren beruhen auf der konzeptionellen Grundlage des Kapitalwertkalküls und führen bei gleichen Annahmen zu denselben Ergebnissen. Das Ertragswertverfahren und die Discounted-Cashflow-Verfahren basieren auf der Ermittlung zukünftiger finanzieller Überschüsse, die mit einem risikoadjustierten Kapitalisierungszinssatz zu diskontieren sind. 

Grundsätzlich sollte nach IDW S1 ein weiteres Verfahren zur Plausibilisierung herangezogen werden. Dabei kann es sich um vereinfachte Preisfindungsmethoden wie das Multiplikator-Verfahren handeln, die dann zur Plausibilisierung der Ergebnisse des Discounted-Cash-Flow Verfahrens angewendet werden. Ihnen selbst kommt jedoch keine eigenständige Wertrelevanz zu.

Die Validierung der ermittelten Werte durch andere Bewertungsverfahren wird auch in den IPEVs empfohlen. 

Letztlich ist je nach Bewertungszweck abzuwägen, welche Bewertungsmethode entsprechend dem Bewertungszweck (Fondsreporting, Dokumentation im Rahmen des Risikomanagements, Exit, Abfindung etc.) anzuwenden ist.

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