Abfallwirtschaft in Usbekistan: Rahmenbedingungen für ausländische Investoren und aktuelle Reformen

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veröffentlicht am 11. November 2020 | Lesedauer ca. 7 Minuten

von Michael Quiring, Rödl & Partner Kasachstan, Anvar Ikramov, Rödl & Partner Usbekistan, und Dilyara Vaapova


Die Republik Usbekistan unternimmt derzeit erhebliche Anstrengungen bei der Lösung ökologischer Probleme, insbesondere bei der Abfallentsorgung und reformiert seine gesetzlichen Regelungen in dem Bereich. Im April 2019 legte der usbekische Präsident eine „Strategie im Bereich der Entsorgung fester Abfälle im Zeitraum 2019-2028” (nachfolgend „Strategie”) fest. Ihr Ziel ist es, ein effektives System für die Behandlung von Abfällen zu schaffen. Die Reform betrifft alle Unternehmen, die Abfälle erzeugen, gerade auch Unternehmen der Life Science-Branche. Diese neue, langfristige Strategie Usbekistans eröffnet zudem potenziellen Investoren große Möglichkeiten für die Umsetzung verschiedener Projekte im Bereich der Abfallentsorgung.



Zuständige staatliche Behörden

Das Ministerkabinett der Republik Usbekistan ist das oberste zuständige Organ, das die staatlichen Pro­gramme der Abfallentsorgung genehmigt und sektorale Verfahren festlegt. Die folgenden vier nationalen Behörden sind speziell für die Regulierung der Abfallwirtschaft zuständig:


Staatskomitee (Behörde) der Republik Usbekistan für Ökologie und Umweltschutz

  • Einhaltung der Umweltgesetzgebung;
  • Bestimmung von Standards für die Abfalllagerung sowie von Anforderungen an Abfallentsorgungseinrichtungen;
  • Bestimmung von Abfallablagerungszonen.


Gesundheitsministerium der Republik Usbekistan

  • Überwachung der Einhaltung der festgelegten Hygienestandards;
  • Begutachtung der sanitären und hygienischen Standards auf Antrag von Abfallentsorgungsunternehmern sowie die Erteilung einer entsprechenden Genehmigung;
  • Festlegung von Hygienenormen für aus Abfällen produzierte Erzeugnissen sowie Ausstellung eines Hygienezertifikats.


Staatliche Agentur „Kommunchizmat”

  • Entwicklung von Investitionsprojekten unter Beteiligung internationaler Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen, z.B. der Asia Development Bank;
  • Beteiligung an der Arbeit ausländischer staatlichen Finanzorganisationen im Bereich Wohnungsbau und kommunaler Dienstleistungen.


Staatskomitee (Behörde) für Arbeitssicherheit der Republik Usbekistan

  • Kontrolle und Überwachung der Lagerung und Entsorgung von Abfällen aus der Bergbau- und der verarbeitenden Industrie;
  • Kontrolle der Strahlungssicherheit radioaktiver Abfälle.


Der Abfalltransport und die Entsorgung sowie der Betrieb von Müllabfallbehältern bzw. -sammelstellen werden in der Hauptstadt Taschkent von dem staatlichen Unternehmen „Makhsustrans” durchgeführt. Das staatliche Unternehmen „Tozakhudud” ist mit der Beseitigung und Verarbeitung von Abfällen in der autonomen Republik Karakalpakstan und in anderen Regionen Usbekistans beauftragt. Seit dem 1. August 2018 dürfen auch Privatunternehmer in Taschkent und in den Regionen Dienstleistungen im Bereich der Abfallbeseitigung erbringen. Die staatlichen Aufträge werden über elektronische Ausschreibungen vergeben.


Implementierung der Abfallentsorgungsstrategie

Die Realisierung der Strategie ist in zwei Phasen unterteilt:


Erste Phase (2019 bis 2021):

Sie umfasst die Reformierung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie das Prinzip einer Wirtschaftsregu­lierung im Bereich der Abfallentsorgung. Zudem zielt sie auf Stärkung der Zahlungsmoral in der usbekischen Bevölkerung bzgl. der Abfallentsorgung sowie die Schaffung methodischer und informativer Unterstützung für die Entwicklung eines Informationssystems für die Bevölkerung im Bereich der Abfallentsorgung.

Bisher wurde eine Reihe von Vorschriften zur Implementierung der Strategie verabschiedet. Das sind in erster Linie Anweisungen für die Bauplanung sowie für den Betrieb von Deponien für feste Abfälle sowie Vorschriften für den Transport von Abfällen.

Die bisherige Umsetzung der ersten Strategiephase wurde jedoch zunächst von einzelnen Experten und sodann auch von der Regierung als unbefriedigend bewertet.

Usbekistan erzeugt nach wie vor jährlich mehr als 7 Mio. Tonnen Abfall. Lediglich 19 Prozent davon werden behandelt. Dienstleistungen in dem Bereich der Abfallwirtschaft sind derzeit noch nicht in allen Städten Usbekistans verfügbar. Zusätzlich nimmt das Abfallaufkommen wegen des allgemeinen Wirtschaftswachstums zu. In dem Zusammenhang ist geplant, in großen Städten wie Samarkand und in anderen Regionen des Landes spezielle Deponien für Bauabfall und die verarbeitende Industrie zu errichten. Außerdem werden insgesamt 221 Deponien (Hausmüll) an die sanitären und ökologischen Vorgaben angepasst. Es bieten sich hier gute Chancen für deutsche Unternehmen, die usbekische Regierung und Wirtschaft bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen zu beraten.


Zweite Phase (2022 bis 2028)

Während der zweite Phase ist geplant, ausländische Investitionen für eine Entwicklung der Abfallinfrastruktur im Bereich der Mülltrennung anzuziehen. Außerdem sollen Investitionen für den Bau von Zwischenlager­stationen und Abfallverarbeitungsanlagen, für die Verbesserung einer integrierten Abfallbewirtschaftung sowie für die Entwicklung von Einrichtungen zur Behandlung von festen Siedlungsabfällen akquiriert werden.

Folgende Ziele sollen dabei erreicht werden:

  • 100 prozentige flächendeckende Sicherstellung des Einsammelns von festen Siedlungs- und Haushaltsabfällen;
  • Verarbeitung (z.B. Mülltrennung) von mind. 60 Prozent der vorliegenden festen Siedlungsabfälle zu gewährleisten;
  • Steigerung der zu verarbeitenden Mengen von bestimmten festen Siedlungsabfällen (quecksilberhaltige Abfälle, Autoreifen, Batterien, Altöle, Verpackungsabfälle usw.) um bis zu 25 Prozent;
  • Reduzierung des Volumens der festen Siedlungsabfälle, die zur Entsorgung auf Mülldeponien verbracht werden, um bis zu 60 Prozent;
  • Deponien in einen Zustand zu versetzen, der den gesetzlichen Vorgaben entspricht,sowie insbesondere eine vollständige Bodensanierung der Deponien zu gewährleisten;
  • Steigerung der Nutzung alternativer Energiequellen in Abfallentsorgungsanlagen von bis zu 35 Prozent;
  • Überwachung der Deponien (Kontrolle über den Zustand vom Grundwasser und Luftqualität).


Im Bestreben die Infrastruktur zu verbessern, plant die Regierung das Müllsammeln und die Beseitigung von organischen, recycelbaren und nicht recycelbaren festen Siedlungsabfällen zu optimieren und Umschlagplätze zu errichten, die mit speziellen Verdichtungseinheiten (Müllpressen) für abgelegene Gebiete mit festen Siedlungsabfällen ausgestattet werden. Zudem ist geplant, neue Fahrzeugflotten für 57 spezialisierte staatliche Entsorgungsunternehmen aufzubauen sowie 13 regionale Servicezentren für die technische Wartung der Spezialfahrzeuge von Abfallentsorgungsunternehmen in der gesamten Republik einzurichten. Für deutsche Unternehmen könnten z.B. im Bereich der Ausstattung der Fahrzeuge mit Spezialtechnik Chancen bestehen, auf dem usbekischen Markt erfolgreich Fuß zu fassen.

Um das Volumen fester Abfälle zwischen 2022 bis 2025 zu reduzieren, ist zudem die Einführung eines separaten Abfallsammelsystems neben dem Hausmüllsystem geplant, das auf fünf unterschiedlich gekennzeichneten Abfallbehältern basiert:

  • recycelbare,
  • organische,
  • nicht recycelbare,
  • gefährliche Abfälle sowie
  • Glas.


Darüber hinaus wurde bereits mit den Vorbereitungen für die Einführung eines Pfandsystems für Verbraucher­verpackungen begonnen. Ein Vorteil dieser Systemumstellung sind u.a. geringere Kosten im Zusammenhang mit der Sammlung, Lagerung, Sortierung, Transport und Entsorgung von festen Abfällen. Außerdem werden die Einnahmen aus dem Wiederverkauf hochwertiger Rohstoffe erhöht und die Kosten für Dienstleistungen für die Müllsammlung und -beseitigung gesenkt.


Deponien in unmittelbarer Nähe von Stauseen und Grundwasserreservoirs in Regionen wie Syrdarya, Jizzach und Chorezm sollen geschlossen werden. Bis Ende 2028 sollen 167 Deponien mit einer Gesamtfläche von 1108,6 ha geschlossen und rekultiviert werden. Anstelle der bestehenden 167 Deponien werden 54 modernisierte Deponien mit einer Gesamtfläche von 693,3 Hektar angelegt sowie 5 neue Deponien mit einer Gesamtfläche von 80 Hektar eröffnet.


Präferenzen und Vergünstigungen für Investoren

Einer der wichtigsten Faktoren für Investitionen ist die Förderung privater Unternehmen durch Bereitstellung von Präferenzen und Vergünstigungen. V.a. ist auf der Grundlage des Präsidialdekrets Nr. UP-3594 vom 5. April 2005 und des Steuergesetzbuchs der Republik Usbekistan vom 30. Dezember 2019 vorgesehen, Steuervorteile in Form einer Befreiung von der Grundsteuer, Vermögenssteuer und Steuer für die Nutzung von Wasserressour­cen in Abhängigkeit vom Umfang der direkten privaten Auslandsinvestitionen ab dem 1. Oktober 2020, anzuwenden. Diese Begünstigungen gelten für Unternehmen, die mit Hilfe ausländischer Direktinvestitionen gegründet wurden und sich auf die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Abfallwirtschaft spezialisiert haben. Der Umfang der Vergünstigungen richtet sich nach der Höhe der getätigten privaten Direktinvestitionen.

Steuerliche Vergünstigungen werden bei einem Investment zwischen 300.000 und 3 Mio. US-Dollar für einen Zeitraum von 3 Jahren gewährt. Bei Investitionen zwischen 3 und 10 Mio. US-Dollar gelten die Vergünstigungen für einen Zeitraum von 5 Jahren und ab 10 Mio. US-Dollar – für einen Zeitraum von 7 Jahren.

Wenn ein Unternehmen, das Abfallbehandlungsdienstleistungen erbracht hat, seine Tätigkeit ein Jahr nach Ablauf des oben genannten Zeitraums beendet, ist der ausländische Investor verpflichtet, die erhaltenen Vergünstigungen zurückzuzahlen.


Unternehmer, die sich an der Schaffung von Standorten für das Müllsammeln, den Transport, die Nutzung, Verarbeitung und Entsorgung von festen Abfällen in bestimmten Städten (z.B. Andijan, Nukus, Gulistan, Buchara, Samarkand)beteiligen, können von weiteren Präferenzen profitieren. Unternehmen, die Spezial­fahrzeuge gemäß der staatlich genehmigten Liste (z.B. Müllfahrzeuge, Muldenkipper und weitere Ausrüstung) einführen, werden bis zum 1. Januar 2022 von der Zahlung von Importzöllen befreit. Anlagen bzw. Anlagenteile, die der Verarbeitung von Abfällen dienen, werden ebenfalls bis zum 1. Januar 2022 von den Zöllen befreit. Näheres regeln spezielle Verordnungen.


Tarifregelungen

Die Strategie weist ferner auf die Schwierigkeiten hin, die bei der Gebührenregulierung für Dienstleistungen im Bereich der Beseitigung von festen Siedlungsabfällen entstehen. Gebühren existieren derzeit nur für die Erbringung von Dienstleistungen bzgl. der Sammlung und der Entsorgung von Abfällen. Kosten für die Sortierung, Beseitigung und das Deponieren von Abfällen sind derzeit noch nicht tariflich abgedeckt. Die usbekische Regierung bemüht sich, diese Bereiche in Zukunft ebenfalls regulatorisch zu erfassen.


Public-Private-Partnerships im Bereich der Abfallentsorgung

Die Verordnung des Präsidenten Nr. PP-3730 vom 18. Mai 2018 sieht nunmehr die Möglichkeit der Zuweisung von Deponieflächen an Unternehmen auf der Grundlage eines PPP-Vertrags ab 1. August 2018 vor. Die Zuweisung erfolgt mittels elektronischer Auktionen über die Online-Plattform „E-IJROAUKSION”.
Für Privatunternehmen und Bewerber gelten folgende Anforderungen:

  • Sie müssen eine Bescheinigung über die staatliche Registrierung als juristische Person haben;
  • Sie müssen eine ausreichende Anzahl technisch einwandfreier Müllabfuhrfahrzeugen, die den Abtransport des gesamten Abfalls im zugewiesenen Gebiet sicherstellen können, vorweisen. Maßgeblich sind die Angaben in den Ausschreibungsunterlagen;
  • Sie müssen eine gültige Lizenz für Transportdienstleistungen und auch eine Lizenzkarte für jedes im Antrag angegebene Fahrzeug besitzen;
  • Es darf kein Liquidationsverfahren für den Antragsteller zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags eröffnet worden sein;
  • Es darf kein Insolvenzverfahren eröffnet worden sein.


Gemäß der Verordnung Nr. PP-3730 müssen PPP-Verträge für einen Zeitraum von mind. fünf Jahren geschlossen werden. Nach dem Gesetz über öffentlich-private Partnerschaften kann die Laufzeit solcher Vereinbarungen jedoch 49 Jahre überschreiten – entgegen der grundsätzlichen Regelung.


Entsorgung von Arzneimitteln

In Usbekistan gibt es ein großes Problem bei der Beseitigung von medizinischen Abfällen aufgrund fehlender Finanzierung. Während die Regierung das Problem bislang außer Acht gelassen hat, hat sich das während der Covid-19-Pandemie nochmals deutlich verstärkt. Für medizinische Abfälle gelten spezielle „Hygienische Vorschriften und Normen für die Sammlung, Lagerung und Beseitigung von Abfällen in den Gesundheitsein­richtungen der Republik”, die verbindlich sind. Gemäß dieser Regeln werden alle medizinischen Abfälle in 5 Klassen unterteilt: A, B, V, G und D. Klasse A sind ungefährliche medizinische Abfälle, die Abfuhr und Beseitigung erfolgt in der gleichen Reihenfolge wie bei festen Siedlungsabfällen. Klasse B sind gefährliche (riskante) Abfälle, die potenziell infektiös sein können und zerstört werden müssen.

In Usbekistan gibt es einige Unternehmen, die sich mit der Beseitigung von Abfällen der Klasse B durch Verbrennung befassen, die aber nur 21 Prozent dieser Abfälle erfassen. Im Jahr 2020 konnten diese Unternehmen aufgrund der Ausbreitung des Covid-19-Virus und der großen Menge an medizinischen Abfällen die rechtzeitige Beseitigung wegen fehlender Verbrennungskapazitäten nicht bewältigen. Mögliche Alternativen zur Verbrennung werden derzeit untersucht.

 

Medizinische Abfälle der Klasse V sind Materialien, die in Kontakt mit Trägern von gefährlichen Infektionen gekommen sind. Sie werden in sog. „Autoklaven” sterilisiert und von speziellen Laboren beseitigt. 2018 wurde die Sterilisation und die Entsorgung privaten Einrichtungen im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) übertragen. Zunächst sollen Pilotprojekte im primären Gesundheitssystem (Notfallmedizin, Kliniken usw.) gestartet werden. Projekte in den Regionen sollen sodann folgen.

 

In der Klasse G sind z.B. abgelaufene Medikamente enthalten; in Klasse D radioaktive Abfälle. Mit den Abfällen der Klasse G und Klasse D beschäftigen sich spezielle lizensierte Unternehmen.


Fazit

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die von Usbekistan verabschiedete Strategie einen starken Rückhalt in der Bevölkerung findet. Das dürfte die Reformbestrebungen weiter vorantreiben. Die Reformen in der usbekischen Abfallwirtschaft rufen einen hohen Investitionsbedarf hervor und bieten eine gute Plattform für einen Transfer von technischem Know-how. Um die ehrgeizigen Ziele der abfallwirtschaftlichen Strategie zu erreichen, muss zügig investiert werden. Potenzielle Investoren, z.B. aus der Life-Science-Branche, haben deshalb gute Möglichkeiten, Spezialfahrzeuge oder Spezialmaschinen nach Usbekistan zu liefern und ihr Know-how usbekischen Partnern bei der Schaffung neuer Deponien, Umgestaltung aller Deponien sowie besonders im Bereich der Abfalltrennung und -verarbeitung anbieten.

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