Künstlerische und wissenschaftliche Sammlungen erb- und schenkungsteuerfrei übertragen

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veröffentlicht am 8. Juni 2017

von Lutz Günther

 

Die Gründe, Gegenstände der Kunst und Wissenschaft zu sammeln, sind vielfältig. Es geschieht aus reiner Leidenschaft oder auch aus finanziellem Anlass. Teilweise kommt auch beides zusammen. Der deutsche Gesetzgeber ist von der Sammelleidenschaft seiner Bürger nicht völlig unbeeindruckt und räumt die Möglichkeit ein, die Sammlung ganz oder teilweise steuerfrei zu verschenken oder zu vererben. Privilegiert wird ein Sammler allerdings nur dann, wenn er seine Sammlung nicht für sich behält, sondern sie mit der Allgemeinheit teilt.

 

 

Wie wird ein Sammler von Kulturgütern erb- und schenkungssteuerlich gefördert?

Steuerlich begünstigt sind Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive. Auch Grundbesitz kann unter die Begünstigung fallen. Dabei sieht das Gesetz eine gestaffelte Steuerbefreiung vor. Die sog. „kleine Kulturgutbefreiung" gewährt einen 60 prozentigen Bewertungsabschlag, für Grundbesitz sogar 85 Prozent, wenn die folgenden 3 Voraussetzungen erfüllt sind:

 

  • Zunächst muss die Erhaltung der Kulturgegenstände aufgrund ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegen.
  • Ferner müssen die jährlichen Kosten i.d.R. die erzielten Einnahmen übersteigen.
  • Zusätzlich müssen die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder Volksbildung nutzbar gemacht sein oder werden.

  

Die sog. „große Kulturgutbefreiung" sieht vor, dass diese Gegenstände in vollem Umfang steuerfrei bleiben, wenn neben den vorstehend genannten Voraussetzungen die folgenden beiden Kriterien erfüllt werden:

 

  • Der Steuerpflichtige ist bereit, diese Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen.
  • Die Gegenstände haben sich mindestens 20 Jahre im Besitz der Familie befunden oder sind im Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes aufgenommen.

 

Zu beachten ist auch, dass die gewährte Steuerbefreiung für die Vergangenheit wegfällt, wenn die Gegenstände innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb des zehnjährigen Zeitraums entfallen.

 

Wie kann eine solche Übertragung praktisch aussehen?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im letzten Jahr (Az: II R 56/14) über einen Fall entschieden, der darstellt, wie die Übertragung einer Sammlung ausgestaltet werden kann, damit sie vollständig steuerfrei bleibt:

 

Der Vater hatte eine Sammlung von 20 Kunstwerken des Expressionismus bekannter Maler des 19. und 20. Jahrhunderts zusammengetragen. Er starb und wurde von seinem Sohn beerbt. Zu diesem Zeitpunkt waren 15 der Kunstwerke bereits seit 20 Jahren in Familienbesitz, 4 weitere Bilder wurden noch keine 20 Jahre gehalten und ein Bild wurde nach dem Erbfall verkauft.

 

Nach dem Tod des Vaters bekundete eine Stiftung ihr Interesse, die Bilder als Leihgabe zu erhalten und zur wissenschaftlichen Forschung zu bearbeiten. So schloss der erbende Sohn ca. 3 Monate nach dem Erbfall einen Kooperationsvertrag mit einer Stiftung, die selbst Kunstwerke in einem Museum ausstellt. Die Kooperation wurde wie folgt ausgestaltet: Die Stiftung erhielt das Recht, für die Dauer von 10 Jahren jederzeit auf einzelne Werke oder den gesamten Kunstbesitz zuzugreifen, um ihn auszustellen oder für Zwecke der Forschung und Volksbildung nutzbar zu machen. Nur wenn konservatorische Bedenken bestünden und nicht für ausreichend Versicherungsschutz gesorgt sei, konnte der Sohn die Leihgabe verweigern. Im Hinblick auf die begrenzten Hänge- und Depotmöglichkeiten der Stiftung und die hohen Versicherungskosten wurde vereinbart, dass die Kunstgegenstände auch beim Erben verbleiben dürfen.

 

Der BFH hat den genannten Fall so entschieden, dass er die Voraussetzungen für die sog. „große Kulturgutbefreiung" erfüllt sieht und der Erwerb des Erben vollständig steuerfrei übergehen kann. Das für den Sammler Wegweisende an dieser Entscheidung sind die beiden folgenden Punkte:

 

  • Die für die große Kulturgutbefreiung erforderliche Bereitschaft des Steuerpflichtigen, die Sammlungsgegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen, setzt nicht unbedingt voraus, dass diese tatsächlich in die Denkmalliste eingetragen werden und dem Denkmalschutzgesetz unterstellt werden. Die Finanzverwaltung tendierte dazu, dies vom Erben zu fordern. Aber das ist nach der Entscheidung des BFH nun nur ein möglicher Weg. Es ist auch möglich, die „Denkmalpflege" auf die Weise darzulegen, dass die Sammlungsgegenstände in einem konservatorisch einwandfreien sicheren Zustand aufbewahrt und gepflegt werden z.B. durch Einleitung von Maßnahmen der Instandhaltung, Instandsetzung, Sanierung, Restaurierung oder Ergänzung. Auch der Abschluss eines Leih- und Kooperationsvertrages mit einem fachlich einschlägigen Museum kann ausreichen, damit die Gegenstände der „Denkmalpflege" unterliegen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass die Kunstgegenstände in den Fundus eines Museums eingelagert werden.
  • Ferner ist nun entschieden, dass sich zwar die Sammlung 20 Jahre im Familienbesitz befunden haben muss, nicht aber auch sämtliche einzelne Sammlungsgegenstände. Es ist unschädlich, wenn Gegenstände vor weniger als 20 Jahren vor dem Übertragungszeitpunkt angeschafft wurden. Diese „jungen" Gegenstände sind von der „großen Kulturgutbegünstigung" ausgeschlossen. Für sie kann jedoch immer noch die „kleine Kulturgutbegünstigung" in Anspruch genommen werden. Dies gilt nicht für das eine Kunstwerk in unserem Beispielsfall, welches nach dem Erbfall verkauft wurde. Für dieses entfällt mit dem Verkauf rückwirkend jegliche Begünstigung.

 

Fazit

Die Übertragung einer Sammlung von Kulturgütern kann unter gewissen Umständen erbschaftsteuerfrei erfolgen. Nach der neueren Rechtsprechung ist es nicht zwingende Voraussetzung, dass die Sammlung dem Denkmalschutzrecht tatsächlich unterstellt wird. Auch der Abschluss eines Leih- und Kooperationsvertrages mit einem fachlich einschlägigen Museum kann ausreichen.

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Elke Volland

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht

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