Behinderung einer Durchsuchung: 16 Mio. Euro Bußgeld für gelöschte WhatsApp-Nachrichten

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 10. Juli 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Wenn eine Kartellbehörde bei einem Unternehmen zu einer Durchsuchung anrückt, tritt bei Geschäftsführung und Mitarbeitenden mitunter Panik auf. Ihnen ist meist klar, dass belastende Dokumente zu hohen Bußgeldern führen können. Die den meisten Beteiligten unbekannte Ausnahmesituation einer Durchsuchung kann leicht zu unüberlegten Handlungen führen, die ein Unternehmen teuer zu stehen kommen können. So erging es dem Duftstoffhersteller „International Flavors & Fragrances“ (IFF). Für die Behinderung einer Durchsuchung durch das Löschen von WhatsApp-Nachrichten, verhängte die Europäische Kommission ein Bußgeld in Höhe von knapp 16 Mio. Euro.



Verfahren der EU-Kommission wegen Behinderung der Durchsuchung

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand ein leitender Mitarbeiter von IFF: Man kann sich vorstellen, wie er an einem Donnerstagmorgen im März 2023 in seinem Büro sitzt und die Nachricht bekommt, dass die Europäische Kommission eine „Nachprüfung“ (so die offizielle Bezeichnung für Durchsuchungen der Europäischen Kommission) bei IFF durchführt. Sein Arbeitgeber soll Teil eines Kartells sein. Dann muss er sich daran erinnert haben, dass er per WhatsApp mit einem Wettbewerber Kontakt hatte und sich die Nachrichten noch auf seinem Smartphone befinden. Wofür er sich daraufhin entscheidet, ist folgenschwer: Er löscht die Nachrichten. 
 
Zum Verhängnis wird ihm und seinem Unternehmen, dass die Europäische Kommission das herausfindet. Sie stellt fest, dass IFF durch das Löschen der Nachrichten die Durchsuchung in rechtswidriger Weise behindert hat. Auch die anschließende Kooperation von IFF und die Wiederherstellung der Nachrichten können diesen Rechtsverstoß nicht rückgängig machen. Ein Bußgeld in Höhe von 15,9 Mio. Euro ist die Folge.
 
Dieses Bußgeld verdeutlicht, dass Kartellbehörden die Behinderung von Durchsuchungen nicht tolerieren. Bei Durchsuchungen der Europäischen Kommission oder des Bundeskartellamts kann dafür (und für andere Verstöße gegen die gesetzlichen Pflichten während einer Durchsuchung) ein Bußgeld von bis zu 1 Prozent des weltweiten Umsatzes der gesamten Unternehmensgruppe verhängt werden. Im hiesigen Verfahren wurde IFF die Kooperation mit der Europäischen Kommission bei der Aufklärung des Vorgangs positiv angerechnet und das Bußgeld von 0,3 Prozent auf 0,15 Prozent reduziert. Ein solches Bußgeld wird zusätzlich zu dem Bußgeld verhängt, das die Kartellbehörde festlegt, wenn sie im Rahmen des auf die Durchsuchung folgenden Ermittlungsverfahrens Kartellrechtsverstöße nachweisen kann.


Risiken bei einer Durchsuchung

Kartellbehördliche Durchsuchungen führen häufig zu einem Ausnahmezustand im betroffenen Unternehmen und können der Auftakt eines jahrelangen, beschwerlichen Kartellverfahrens sein. Bereits während einer Durchsuchung werden die Weichen für die Verteidigung gegen vorgeworfene Kartellrechtsverstöße gestellt. Eine unzureichende Vorbereitung auf die Situation und Fehler wärend der Durchsuchung können betroffene Unternehmen teuer zu stehen kommen. 
 
Dabei geht es nicht nur um Bußgelder wegen Behinderung der Durchsuchung oder Verletzung der Mitwirkungs- und anderer Pflichten. Unvorbereitete Mitarbeitende können ungewollt belastende Informationen preisgeben oder sich ohne anwaltliche Begleitung vernehmen lassen. Während der Durchsuchung ist sicherzustellen, dass die Kartellbehörden ihre Befugnisse nicht zulasten des Unternehmens überschreiten. Hinzu kommt, dass betroffene Unternehmen unter Umständen schon am Tag der Durchsuchung eine Entscheidung treffen müssen, ob sie mit der Kartellbehörde kooperieren wollen und einen entsprechenden Antrag stellen. Die Reihenfolge des Eingangs von Kooperationsanträgen verschiedender Kartellbeteiligter kann erhebliche Auswirkungen auf das spätere Bußgeld haben.


Zum richtigen Verhalten bei Durchsuchungen​

Um nicht in die Situation von IFF zu kommen, müssen Unternehmen die gesetzlichen Vorgaben zum Verhalten bei Durchsuchungen von Kartellbehörden beachten. Die Gesetzgeber machen es den Unternehmen hier nicht ganz leicht. Auch wenn sich die gesetzlichen Vorgaben im deutschen und EU-Recht in den letzten Jahren weitgehend angeglichen haben, können die Unternehmen je nach durchsuchender Behörde und Art des Verfahrens teilweise unterschiedliche Pflichten treffen.

 

Grundsätzlich gilt, dass betroffene Unternehmen die Durchsuchung dulden müssen und sie insbesondere nicht aktiv behindern dürfen. So ist es nicht erlaubt, während einer Durchsuchung Unterlagen zu vernichten oder andere Unternehmen zu warnen. Auch das Öffnen versiegelter Räume kann zu einem Bußgeld führen. Anders als bei Durchsuchungen der Strafverfolgungsbehörden besteht bei kartellbehördlichen Durchsuchungen in bestimmten Situationen zusätzlich eine Mitwirkungspflicht. Unternehmen müssen auf Nachfrage unter anderem Zugang zu IT-Systemen gewähren, Passwörter für Laptops oder Smartphones offenlegen oder bei der Auffindung bestimmter Dokumente unterstützen. Außerdem müssen sie in gewissen Grenzen Fragen zu Fakten oder Unterlagen beantworten, die mit dem Gegenstand der Durchsuchung in Verbindung stehen. 
  
Das führt zu einem schwierigen Spagat: Die betroffenen Unternehmen bzw. ihre Mitarbeitenden müssen einerseits wahrheitsgetreu antworten. Sie haben andererseits aber unter Umständen auch das Recht, eine Aussage zu verweigern und sollten nicht ohne Not mehr Informationen als erforderlich offenlegen. Das gilt umso mehr, als einzelne Mitarbeitende regelmäßig nicht den gesamten im Raum stehenden Sachverhalt kennen. Dadurch kann es leicht zu missverständlichen oder gar falschen Aussagen kommen. Eine anwaltliche Begleitung ist in solchen Situationen von großer Bedeutung.​

Vorkehrungen für Durchsuchungssituation treffen

Unternehmen sollten unbedingt Vorkehrungen treffen, um folgenschwere Fehler zu vermeiden und Schäden vom Unternehmen abzuwenden. Elementar ist, dass beim Eintreffen der Behörde schnellstmöglich die zuständigen Ansprechpartner im Unternehmen kontaktiert werden und ein Kartellanwalt hinzugezogen wird. Die entsprechenden Prozesse müssen aufgesetzt und die Kontaktdaten erfasst und hinterlegt werden. Darüber hinaus sollten die Vorkehrungen abhängig von der Größe und Struktur des Unternehmens verschiedene Formen der Sensibilisierung der Geschäftsführung und Mitarbeitenden für das richtige Verhalten in einer Durchsuchungssituation umfassen, zum Beispiel:​
  • Erstellen von Leitfäden für verschiedene Mitarbeitergruppen (Empfang, Geschäftsführung, Compliance-/Rechtsabteilung, IT, etc.)
  • Durchführung von Schulungen
  • Durchführung einer simulierten Durchsuchung („Mock Dawn Raid“)

Mit diesen Maßnahmen können Unternehmen eine Durchsuchung zwar nicht verhindern, sie können die damit verbundenen Risiken jedoch erheblich reduzieren.​
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