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veröffentlicht am 8. April 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten
Konzerninterner Waren- und Leistungsaustausch, der über Ländergrenzen hinweg erfolgt, führt immer wieder auch dazu, dass mehrere Finanzverwaltungen um das Besteuerungssubstrat konkurrieren. Gegenstand einer Vielzahl von finanzgerichtlichen Entscheidungen ist die fremdübliche Ausgestaltung von grenzüberschreitenden Konzerndarlehen. Dabei stellen sich die Fragen: Wie hoch muss der Zinssatz sein? Wann hat eine Rückzahlung zu erfolgen? Müssen für das Darlehen Sicherheiten gewährt werden? Was gilt abkommensrechtlich und nach den nationalen Regelungen? Lange Zeit ging der Steuerpflichtige davon aus, dass eine Sicherheitengewährung aufgrund des Konzernrückhalts nicht erforderlich ist und der Steuerpflichtige wiegte sich aufgrund langjähriger Rechtsprechung in Sicherheit. Der BFH korrigierte jedoch seine Rechtsauffassung und urteilte, dass eine fehlende Sicherheitengewährung nicht fremdüblich ist.
Sofern zwischen zwei Staaten ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geschlossen wurde, enthält es regelmäßig eine Vorschrift, die an Art. 9 OECD-MA angelehnt ist und sich mit der Abgrenzung von Gewinnen zwischen verbundenen Unternehmen beschäftigt. Das ist auch bei den Doppelbesteuerungsabkommen der Fall, die Deutschland abgeschlossen hat. Die Regelung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gestattet einem Vertragsstaat eine Gewinnkorrektur vorzunehmen, wenn miteinander verbundene Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden. Die DBA sichern die Berichtigungsmöglichkeiten des nationalen Steuerrechts ab und legen den Grundsatz des „dealing at arm‘s length” als Berichtigungsmaßstab fest. Insofern schränkt Art. 9 Abs. 1 OECD-MA solche nationalen Korrekturvorschriften ein, die nicht dem Grundsatz des Fremdvergleichs entsprechen (sog. Sperrwirkung). Hintergrund für die Sperrwirkung ist, dass Art. 9 OECD-MA eine korrespondiere Korrektur in beiden Vertragsstaaten gewährleisten soll, sodass nach Anpassung eine Doppelbesteuerung vermieden wird. Möglich ist eine solche einheitliche Korrektur jedoch nur, wenn sich die beteiligten Finanzverwaltungen auf ein identisches Prinzip zur Durchführung des Fremdvergleichsgrundsatzes verständigen und den Grundsatz auch korrespondierend interpretieren.
Bis ins Jahr 2019 vertrat der BFH in mehreren Urteilen (BFH vom 24.6.2015, I R 29/14 und vom 17. Dezember 2014, I R 23/13) grundsätzlich die Auffassung, dass Art. 9 Abs. 1 OCED-MA eine Sperrwirkung zukommen kann. Er hat die Berichtigung einer Teilwertabschreibung auf grenzüberschreitende, unbesicherte Konzerndarlehen nach § 1 Abs. 1 AStG als nicht mit Art. 9 OECD-MA inhaltlich entsprechenden DBA-Artikeln vereinbar angesehen. Der BFH vertrat die Auffassung, dass Art. 9 OECD-MA lediglich einen Vergleich der finanziellen und geschäftlichen Bedingungen der Höhe nach erlaube, nicht aber dem Grunde nach. Laut BFH soll eine Gewinnkorrektur dem Grunde nach dem Fremdvergleich i.S.d. Art. 9 Abs. 1 OECD-MA fremd sein und insofern eine Sperrwirkung gegenüber § 1 Abs. 1 AStG entfalten. Das hatte nach bisheriger Rechtsprechung des BFH zur Folge, dass gewinnmindernde Abschreibungen auf nicht werthaltige, grenzüberschreitende Konzerndarlehen nicht außerbilanziell nach § 1 Abs. 1 AStG zu neutralisieren waren, da die Sicherheitenbestellung primär keine Vertragsbedingung der Höhe nach betrifft. Die Finanzverwaltung teilte die Auffassung dagegen nicht und erließ entsprechende Nichtanwendungserlasse. Die Finanzverwaltung wendet eine zweistufige Fremdvergleichsprüfung an. Dabei sind auf einer ersten Stufe die einem Konzerndarlehen zugrundeliegenden Vertragsbedingungen auf ihre Fremdüblichkeit dem Grunde nach zu überprüfen. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Prüfung, ob der vereinbarte Preis unter Einbeziehung aller Parameter einem Fremdvergleich standhält, d.h. der Höhe nach fremdüblich ist. Die Finanzverwaltung vertritt somit u.a. die Auffassung, dass § 1 Abs. 1 AStG ein Vorrang vor entsprechenden Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen einzuräumen ist.
Mit der Entscheidung vom 27. Februar 2019 (I R 73/16) (wiederum zu einem Fall mit einem grenzüberschreitenden, unbesicherten Konzerndarlehen) änderte der BFH seine bisherige Rechtsprechung. Er schließt sich zum einen nunmehr der Auffassung der Finanzverwaltung zur zweistufigen Fremdvergleichsprüfung an. Nach seiner Auffassung sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AStG erfüllt, da das Darlehensverhältnis eine Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 AStG darstellt, zu deren Bedingungen neben der Höhe des Zinssatzes auch die Nichtbesicherung der Darlehensansprüche gehört. Der Konzernrückhalt stellt zwar eine wirtschaftlich übliche Bedingung dar, aber keine fremdübliche Bedingung. Ein fremder Gläubiger hätte die Darlehensgewährung von der Gewährung werthaltiger Sicherheiten abhängig gemacht. Zum anderen stellte der BFH in seinem Urteil fest, dass der im Urteilsfall einschlägige Art. 9 DBA-Belgien keine Sperrwirkung gegenüber der Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG entfaltet. Bei der fehlenden Besicherung handelt es sich um „vereinbarte Bedingungen” i.S.d. Art. 9 DBA-Belgien innerhalb des Konzerns, die von fremdüblichen Vereinbarungen abweichen. Die o.g. Leitentscheidung des BFH wurde in der Zwischenzeit mit drei weiteren Urteilen des BFH vom 19. Juni 2019 (I R 32/17, I R 54/17 und I R 5/17) bestätigt. Des Weiteren ist gegen die Leitentscheidung eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig (2 BvR 1161/19).
Mit Datum vom 10. Dezember 2019 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium (BMF) einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz). Mit einem neuen § 1a AStG-E soll eine Regelung zur Bestimmung von Verrechnungspreisen bei Finanztransaktionen geschaffen werden. Die Regelung des § 1a Abs. 1 AStG-E soll zu einer Korrektur von (Zins-)Aufwendungen aus grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen (z.B. Darlehensgewährung, Nutzung oder Bereitstellung von Fremdkapital oder fremdkapitalähnlichen Instrumenten) führen und ungeachtet eines DBA gelten. Das bedeutet, dass Art. 9 Abs. 1 OECD-MA nachgebildete Vorschriften keine Sperrwirkung entfalten. Nach der geplanten Neuregelung hat der Steuerpflichtige bei grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen darzulegen, ob es sich dem Grunde nach überhaupt um Fremdkapital handelt. Der Steuerpflichtige muss nach § 1a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG-E glaubhaft machen, dass er
Ferner kann sich eine Verrechnungspreiskorrektur auch ergeben, wenn der zu entrichtende Zinssatz den Zinssatz übersteigt, zu dem sich die multinationale Unternehmensgruppe gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte (§ 1a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AStG-E). Nach der Gesetzesbegründung sollen die Besonderheiten einer Unternehmensgruppe, wie bspw. Informationstransparenz oder Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe, bei einer ökonomisch begründeten Würdigung zu berücksichtigen sein und nicht zu Lasten des deutschen Steueraufkommens willkürlich unbeachtet gelassen werden. Unklar ist, ob damit der Rückhalt im Konzern noch Berücksichtigung findet. Es wäre wünschenswert, wenn im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens hier noch Klarheit geschaffen wird.
Durch die Neujustierung der steuerrechtlichen Anerkennung von grenzüberschreitenden Darlehen zu fremdüblichen Bedingungen und der Aufgabe seiner bisherigen Sichtweise zur Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-MA, steht Art. 9 Abs. 1 OECD-MA der Korrektur einer Teilwertabschreibung nach § 1 Abs. 1 AStG nicht mehr entgegen. Beim Fremdvergleich nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA sind nach der neuen Sichtweise des BFH nicht nur die Höhe der vereinbarten Zinsen, sondern auch weitere Vertragsbedingungen, wie die Gewährung von Sicherheiten zu berücksichtigen. Der Rückhalt im Konzern wird nicht mehr als Sicherungsmittel anerkennt. Bei der Vereinbarung von grenzüberschreitenden Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen sind daher die neuen Rechtsprechungsgrundsätze zu beachten, auch wenn das an der Wirklichkeit im Konzernleben vorbeigeht. Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum ATAD-Umsetzungsgesetz mit der Rechtsprechung umgehen wird. Nach dem aktuellen Referentenentwurf vom 10. Dezember 2019 ist unklar, ob der Rückhalt im Konzern bei der Vereinbarung von grenzüberschreitenden Darlehensbeziehungen in der geplanten Neuregelung nach § 1a Abs. 1 AStG-E Berücksichtigung findet. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch nachjustieren wird.
Daniel Galleguillos Pacheco
Steuerassistent
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