Rahmenwerke der Nachhaltigkeitsberichterstattung neu definiert: ESRS und ISSB-Standards im Vergleich

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 13. September 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Mit der Verabschiedung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den damit verbundenen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) hat die Europäische Union die Gesetzgebung zur unternehmerischen Nachhaltigkeits­be­richt­er­stattung grundlegend reformiert. Gleichzeitig widmet sich aktuell das International Sustainability Standards Board (ISSB) intensiv der Entwicklung global gültiger Mindeststandards für die Berichterstattung zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten. Doch inwiefern ergeben sich inhaltliche Übereinstimmungen zwischen den beiden Rahmenwerken? Wo liegen zentrale Unterschiede? Diese Fragen beantworten wir Ihnen im nachstehenden Artikel.



Die Wirtschaftswelt steht vor einem tiefgreifenden Wandel, in dem die Integration ökologischer, sozialer und unternehmenspolitischer Aspekte in Geschäftsprozesse und -praktiken zunehmend an Bedeutung gewinnt. In diesem Kontext hat sich die unternehmerische Nachhaltigkeitsberichterstattung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Belangen längst im ganzheitlichen Reporting etabliert. Mit der am 5. Januar 2023 in Kraft getre­tenen europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die die bislang geltenden Non-Financial Reporting Directive (NFRD) ab dem kommenden Geschäftsjahr 2024 sukzessive ersetzen wird, finden die gestiegenen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung nun auch gesetzliche Verankerung und erlangen dieselbe Bedeutung wie die Finanzberichterstattung.


Die europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung: ESRS

Wurde bislang überwiegend auf bekannte Rahmenwerke wie den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) oder die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) zurückgegriffen, so müssen künftig rund 15.000 Unter­neh­men in Deutschland ihren Nachhaltigkeitsbericht im Einklang mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) erstellen. Mit dem Erlass des finalen delegierten Rechtsakts zum ersten Set der ESRS am 31. Juli 2023 hat die Europäische Union nach der Verabschiedung der CSRD einen weiteren entscheidenden Meilenstein in der Harmonisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung erreicht. Der Anwendungsbeginn der ESRS wird durch die CSRD festgelegt und richtet sich nach der Größe und Kapitalmarktorientierung eines Unternehmens:

  • 1. Januar 2024 (erstmalige Anwendung der Standards in der Berichterstattung 2025): große Unternehmen, die bereits der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) bzw. dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) unterliegen  
  • 1. Januar 2025 (erstmalige Anwendung der Standards in der Berichterstattung 2026): alle anderen große Unternehmen, die nicht unter die NFRD bzw. das CSR-RUG fallen  
  • 1. Januar 2026 (erstmalige Anwendung der Standards in der Berichterstattung 2027): kapitalmarktorientierte KMU (Möglichkeit eines freiwilligen Aufschubs bis zum Geschäftsjahr 2028)


Die ersten Unternehmen müssen demnach bereits ab dem kommenden Geschäftsjahr 2024 nach den neuen Standards berichten und umfangreiche Informationen zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG) offenlegen. Zusätzlich werden noch sektorspezifische Standards entwickelt.


Internationale Entwicklungen: Standards des ISSB

Auch auf internationaler Ebene werden die Weichen für eine verbesserte Nachhaltigkeitsberichterstattung gestellt: Das eigens von der IFRS Foundation eingerichtete International Sustainability Standards Board (ISSB) steckt mitten in der Entwicklung der ISSB Sustainability Disclosure Standards (ISSB SDS), die künftig als globaler Mindeststandard („Global Baseline") für die Nachhaltigkeitsberichterstattung etabliert werden sollen. Als Basis dienen hierbei neben den investororientierten Standards des US-amerikanischen Sustainability Accounting Standards Board (SASB) auch die Empfehlungen der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) und der Anwendungsleitfaden des Climate Disclosure Standards Boards (CDSB). Im Juni 2023 hat das ISSB zunächst die beiden Standards IFRS S1 („General Requirements for Disclosure of Sustaina­bility-related Financial Information“) und IFRS S2 („Climate-related Disclosure”) veröffentlicht. Künftig sollen weitere Standards dazukommen, um ähnlich wie die ESRS eine größere Bandbreite an Nachhaltigkeits­themen abzudecken. Als Grundlage hierfür sollen die 77 Branchenstandards des SASB dienen, deren geplante Inter­nationalisierung in den vergangenen Monaten in einer öffentlichen Konsultation kommentiert werden konnte. Parallel mit den ESRS treten auch die Standards des ISSB am 1. Januar 2024 erstmals in Kraft.


Inwiefern überschneiden sich ESRS und ISSB-Standards?

Um eine angemessene Vergleichbarkeit zu gewährleisten und die Komplexität insbesondere für Unternehmen, die künftig eine doppelte Anwendung beider Rahmenwerke anstreben, zu reduzieren, wurde sowohl vonseiten der Europäischen Union als auch des ISSB ausdrücklich das Ziel eines größtmöglichen Grads an Interopera­bilität zwischen den jeweiligen Standards vorgegeben. Die beteiligten Organisationen – EU-Kommission, EFRAG und ISSB – standen daher während des Entwicklungsprozesses laut eigenen Angaben in ständigem Austausch. Das Ergebnis dieser engen Zusammenarbeit ist unter anderem der strukturelle Ansatz, der beiden Rahmenwerken zugrunde liegt. An dieser Stelle wurde jeweils auf die vier Berichtssäulen der TCFD-Empfeh­lungen zurückgegriffen: Governance, Strategie, Risikomanagement sowie Kennzahlen und Ziele. Zudem wurde darauf geachtet, diejenigen klimabezogenen Datenpunkte, die von beiden Rahmenwerken gefordert werden, hinsichtlich ihrer Definitionen und Anforderungen zu harmonisieren. Gleiches gilt für konzeptionelle Grund­lagen und allgemeine Anforderungen, die sowohl in ESRS 1 als auch in IFRS S1 adressiert werden. Das Bestreben nach möglichst vielen inhaltlichen Übereinstimmungen äußert sich darüber hinaus in der Tatsache, dass IFRS S1 explizit auf die ESRS als geeignete Quelle zur Identifikation von denje­nigen Chancen, Risiken und Angabepflichten verweist, die bislang noch nicht von den ISSB SDS abgedeckt werden. Obwohl sich die ESRS und ISSB SDS hinsichtlich ihrer Wesentlichkeitsdefinition grundlegend unterscheiden – die ESRS setzen auf das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit (finanzielle Wesentlichkeit und Wesentlichkeit der Auswirkungen), während das ISSB basierend auf den SASB-Standards lediglich den Ansatz der finanziellen Wesentlichkeit verfolgt – wurde die Definition der finanziellen Wesentlichkeit in den ESRS an die der ISSB SDS angeglichen. Insgesamt betonen sowohl die EFRAG als auch das ISSB, dass Unternehmen, die zur Berichterstattung gemäß den ESRS verpflichtet sind, größtenteils dieselben Informationen angeben werden müssen wie diejenigen Unternehmen, die die ISSB-Standards anwenden.


Wo liegen die zentralen Unterschiede?

Anders als die ESRS erfolgt die Anwendung der beiden ISSB SDS auf freiwilliger Basis, es sei denn, sie werden durch den jeweiligen Gesetzgeber als verpflichtendes Rahmenwerk vorgeschrieben. Es fehlt den internatio­nalen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards somit im Gegensatz zu den ESRS, die als Bestandteil einer offiziellen EU-Richtlinie erlassen wurden, zunächst an regulatorischer Durchsetzungskraft. Es bleibt daher abzuwarten, wie schnell sich die Standards auf internationaler Ebene etablieren und von wie vielen und wel­chen Gesetzgebern sie adaptiert werden.

Wie erwähnt, liegt ein weiterer zentraler Unterschied zwischen den beiden Rahmenwerken in der Wesent­lich­keits­de­finition. Zwar überschneiden sich die Wesentlichkeitskonzepte der ESRS und des ISSB in Teilen, jedoch geht das Wesentlichkeitsverständnis der ESRS insgesamt weit über die Definition der ISSB SDS hinaus, da neben den Auswirkungen der Nachhaltigkeitsaspekte auf die finanzielle Lage oder Leistung des Unternehmens (finanzielle Wesentlichkeit) auch die Auswirkungen des Unternehmens auf Nachhaltigkeits­aspekte (Wesent­lichkeit der Auswirkungen) betrachtet werden müssen. Hieraus ergibt sich zwangsläufig ein vergleichsweise höherer Umsetzungsaufwand für die Wesentlichkeitsanalyse nach ESRS. Andererseits bringt eine Analyse nach doppelter Wesentlichkeit grundsätzlich auch die Chance mit sich, die Perspektiven aller relevanten Stakeholder besser kennenzulernen, zu verstehen und darauf basierend zielgerichtete Maßnahmen zur Steigerung der ESG-Performance auf den Weg zu bringen.

Aus den abweichenden Wesentlichkeitsdefinitionen lässt sich sogleich schlussfolgern, dass sich die Berichtver­stattung nach ESRS bzw. ISSB-Standards an unterschiedliche Zielgruppen richtet. Das Konzept der rein finanziellen Wesentlichkeit wurde vom ISSB von den SASB-Standards adaptiert, die sich maßgeblich an Investoren richten. Die Wesentlichkeit einer Information wird folglich danach beurteilt, ob davon auszugehen ist, dass das Weglassen, die falsche Darstellung oder die Verschleierung einer Information die Entscheidungen der Nutzer von Finanzberichten beeinflussen könnte. Die ESRS hingegen forcieren eine erhöhte Transparenz in Bezug auf ESG-Aspekte für eine größere Gruppe an Stakeholdern, beispielsweise eigene Beschäftigte, Kund­innen und Kunden, lokale Gemeinschaften oder Geschäftspartnerinnen und -partner.


Dass die Interessen und Belange all dieser Stakeholdergruppen in der Berichterstattung berücksichtigt und adressiert werden müssen, dürfte auch der Grund dafür sein, dass die Anforderungen der ESRS in ihrem Umfang zumindest zum heutigen Stand deutlich über die ISSB SDS hinausgehen. Das äußert sich in den beiden Standards zum Klimawandel ESRS E1 und IFRS S2 allein an der Anzahl der Datenpunkte. ESRS E1 fordert hierbei grundsätzlich detailliertere Informationen zu allen vier Berichtssäulen (Governance; Strategie; Auswirkungen, Risiken und Chancen; Kennzahlen und Ziele), wobei alle Anforderungen des IFRS S2 auch im ESRS E1 zu finden sind. Umgekehrt ist das nicht der Fall, die ESRS fordern beispielsweise detailliertere Angaben zu Treibhausgasemissionen. Anders sieht es mit Empfehlungen für bestimmte Sektoren aus, die vom ISSB im Klimawandelstandard IFRS S2 bereits ausgearbeitet wurden, sich für die ESRS derzeit jedoch noch in Entwicklung befinden.


Fazit

Die Entwicklung und Einführung von Rahmenwerken zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wie den ESRS und den ISSB SDS stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung eines umfassenden und kohärenten Ansatzes für einheitliches und transparentes Reporting von ESG-Aspekten dar. Während die ESRS durch die europäische CSRD gesetzlich verankert sind und auf einen doppelten Wesentlichkeitsansatz setzen, verfolgen die ISSB-Standards das Ziel, einen globalen Mindeststandard mit einer finanziellen Wesentlichkeitsdefinition zu eta­blieren. Trotz dieser Unterschiede wurde intensiv an der Interoperabilität zwischen den beiden Standards gearbeitet, um Unternehmen die Umsetzung zu erleichtern und größtmögliche Vergleichbarkeit zu gewähr­leis­ten. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie die beiden Standards in der Praxis von Unternehmen und Rezipierenden der Nachhaltigkeitsberichterstattung angenommen werden und wie sie zur weiteren Integration von Nach­hal­tig­­keits­as­pe­kten in Geschäftsstrategien und Entscheidungsprozesse beitragen. Unternehmen sollten sich auf die Anforderungen vorbereiten und sicherstellen, dass ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung den Standards gerecht wird, um Transparenz, Vergleichbarkeit und Verantwortlichkeit zu fördern und letztendlich eine nachhaltigere Unternehmensführung zu unterstützen.

Kontakt

Contact Person Picture

Dr. Christian Maier

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, CPA (U.S.)

Partner

+49 711 7819 147 73

Anfrage senden

Contact Person Picture

Anna Wilhelm

Consultant, Sustainability Auditor IDW

Associate Partner

+49 89 928780 216

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Unternehmer­briefing

Kein Themen­special verpas­sen mit unserem Newsletter!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu