Ein erfolgreiches Jahr Wärmezielscheibe

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​​​veröffentlicht am 25. August 2020


Im Mai 2019 veröffentlichte Rödl & Partner das Konzeptpapier „Die Wärmezielscheibe” und gab damit einen Weg vor, wie die Wärmewende in Deutschland erfolgreich und effizient angegangen werden kann. Vom Status quo über die vorhandenen Technologien und deren Verteilung auf dem Wärmemarkt bis hin zu den möglichen Entwicklungspfaden des Wärmemarktes bis ins Jahr 2050 reichte die Untersuchung.

Ein Großteil der Wärme in Deutschland wird bislang in dezentralen Erzeugungsanlagen mit fossilen Brennstoffen erzeugt. Wärmenetze haben allerdings bislang nur einen kleinen Anteil – müssen aber in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. In einer weitergehenden Analyse wurde der wärmespezifische Urbanitätsgrad vorgestellt, der den Wärmebedarf mit der Siedlungsgröße ins Verhältnis bringt. Im Ergebnis stand fest, dass 30 Prozent des Wärmebedarfs auf nur 5 Prozent der Fläche – den dicht besiedelten Gebieten – anfallen (siehe Abbildung 1). Besonders diese Gebiete werden aufgrund von soziodemografischen Effekten in Zukunft eine prominente Rolle bei der Transformation des Wärmemarktes einnehmen. Der Wärmebedarf wird dort durch Effizienzmaßnahmen nur wenig abnehmen, daher werden hier flächen- und energieeffiziente Technologien für Erzeugung und Versorgung benötigt. 


Grafik Flächen, 2020: 840 TWh 

 


Die politisch Verantwortlichen sollten sich entsprechend zunächst auf die Dekarbonisierung der dicht besiedelten Gebiete konzentrieren. Hier kann mit verhältnismäßig geringem Aufwand ein großes CO2-Einsparpotenzial gehoben werden.

Seit der ersten Veröffentlichung ist nun ein Jahr vergangen und es stellt sich die Frage, was in der Zwischenzeit passiert ist und ob sich vor dem Hintergrund der Veränderungen an den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen heute ein verändertes Bild auf dem deutschen Wärmemarkt ergibt.

 

Wir stellen dazu zunächst die Entwicklungen in Deutschland vor und zeigen einen ersten Überblick. Eine ausführliche Version des Artikels mit zusätzlichem Blick auf die europäischen Entwicklungen finden Sie unter diesem Link.

 

Entwicklungen in Deutschland

  1. Klimaschutzprogramm 2030
    Ein nationaler Beitrag zur Energie- und Wärmewende stellt das Klimaschutzprogramm 2030 dar. Das übergeordnete Ziel ist eine Reduzierung des Treibhausgasausstoßes gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent bis 2030. Darüber hinaus beinhaltet das Klimaschutzprogramm 2030 weitere Maßnahmen zum Vorantreiben der Wärmewende. Bei dezentralen Anlagen wird der Austausch von Ölheizungen bereits seit 01. Januar 2020 mit einer Förderquote von 40 Prozent gefördert. Zusätzlich soll ab 2026 ein Verbot für den Einbau von Ölheizungen in Kraft treten. Für den Bereich der zentralen Wärmeversorgung durch Fernwärme ist im Klimaschutzprogramm festgehalten, dass Wärmenetze zunehmend auf erneuerbare Energien und unvermeidbare Abwärme umgestellt werden sollen.
  2. Einführung des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG)
    Am 12.12.2019 legte die Regierungskoalition den Grundstein für die Einführung weiterer Maßnahmen zum Klimaschutz in Deutschland. Das Gesetz regelt die Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990. Zur Zielerreichung werden erstmals CO2-Emissionsbudgets für verschiedene Wirtschaftssektoren bis 2030 vergeben. Ab 2030 sollen die zulässigen Emissionswerte per Rechtverordnung festgelegt werden. Zusätzlich ist festgehalten, was passiert, wenn ein Sektor seine Emissionsziele nicht erreicht. In diesem Fall muss das zuständige Bundesministerium der Bundesregierung innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen, welches Maßnahmen zur zukünftigen Einhaltung der Emissionsgrenzen vorschlägt. Die Bundesregierung verpflichtet sich ebenfalls regelmäßig Klimaschutzpläne und Klimaschutzprogramme fortzuschreiben und zu aktualisieren.
  3. Verabschiedung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG)
    Eine der wichtigsten politischen Entwicklungen für den Energiesektor stellt der Beschluss zur Einführung eines nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) dar. Startdatum des BEHG ist der 01.01.2021. Ab diesem Zeitpunkt muss für jede (potenziell) in Umlauf gebrachte Tonne CO2 ein Emissionszertifikat erworben werden. Das BEHG besteht aus zwei Phasen. Die erste Phase (2021 bis 2025) sieht ein Festpreissystem vor, bei welchem die Kosten pro Tonne CO2 jährlich angehoben werden. In der zweiten Phase (ab 2026) soll ein Emissionshandelssystem (EHS) eingeführt werden, bei dem die Preise nach Marktprinzipien bestimmt werden. Für das Startjahr der zweiten Phase, 2026, ist dabei zunächst ein Preiskorridor vorgesehen. Im Jahr der Einführung, 2021, beträgt der Preis 25 €/t, steigt in den beiden Folgejahren um jeweils 5 €/t auf 35 €/t in 2023. Anschließend erfolgen Preiserhöhungen in Höhe von jährlich 10 €/t bis schließlich in 2025 55 €/t erreicht werden. Die Regelungen des BEHG betreffen zunächst alle, die fossile Brennstoffe in Verkehr bringen. Im Bereich der Energieversorgung sind damit nun auch Anlagen betroffen, die noch nicht vom europäischen Emissionshandel betroffen sind. Weitere Informationen zu den Auswirkungen des BEHG finden Sie hier.
  4. Kohleausstiegsgesetz
    Am 3.07.2020 hat der Bundestag das Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze (Kohleausstiegsgesetz) und das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen in Anlehnung an die Ergebnisse der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung” nach intensiver Diskussion auch mit den Ländern beschlossen. Am 14. August 2020 ist das Gesetz nach Verkündigung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten. Auch wenn das Gesetz auf den ersten Blick hauptsächlich die Verstromung von Kohle betrifft, hat dies auch Einfluss auf die Wärmeversorgung. So sind viele Kohlekraftwerke gleichzeitig Wärmelieferanten für lokale Versorger. Weiterhin sind auch kleinere Kraftwerke oder Heizwerke vor Ort betroffen, da sie mit Brennstoffen aus dem Kohleabbau (z. B. Braunkohlestaub) versorgt werden. Die Politik möchte Anreize schaffen, dass die Betreiber ihre Kohlekraftwerke frühzeitig abschalten. In Artikel 1 des Kohleausstiegsgesetztes werden Ausschreibungen zur frühzeitigen Abschaltung von Kohlekraftwerken eingeführt und Erstattungszahlungen geregelt. Die Ausschreibungen sollen bis 2027 laufen. Weiterhin werden im Kohleausstiegsgesetz Änderungen am KWKG vorgenommen, die nachfolgend zusammengefasst werden.
  5. Änderungen am KWKG
    In Artikel 7 Kohleausstieggesetz werden verschiedene Änderungen am KWKG vorgenommen. Unter § 7a KWKG wird der Bonus für innovative erneuerbare Wärme erhöht. In Bezug zum Kohleausstieg wird weiterhin in § 7c KWKG ein Kohleersatzbonus eingeführt bzw. insofern geändert, sodass dieser nunmehr als Einmalzahlung ausgezahlt wird. Die festgelegten Umrüstungsboni liegen für Kohlekraftwerke mit einem Alter von maximal 25 Jahre bei 390 Euro pro substituierter Kilowatt elektrischer Leistung. Der Höchstsatz wird bei einer Umrüstung bis Ende 2022 ausgezahlt und nimmt in den Folgejahren jährlich um jeweils 25 €/kW ab. Kraftwerke mit einem Alter zwischen 25 und 35 Jahren erhalten einen Höchstsatz von 225 €/kW, der ebenfalls jährlich um 25 €/kW abschmilzt. Diese Regelungen wurden ebenfalls am 03.07.2020 endgültig vom Bundestag angenommen und sind am 14.08.2020 in Kraft getreten. Außerdem wurde in § 7d ein „Südbonus” beschlossen, der eine zusätzliche Förderung für KWK-Anlagen darstellt, die nach dem 31.12.2019 und vor dem 31.12.2026 in Dauerbetrieb gehen und in der Südregion angesiedelt sind. Weiterhin wurde der Förderzeitraum des KWKG bis zum 31.12.2029 verlängert. Zukünftig ändern sich auch die geförderten Vollbenutzungsstunden pro Kalenderjahr. In 2021 und 2022 werden maximal 5.000 Stunden, in 2023 und 2024 4.000 Stunden und ab 2025 maximal 3.500 Stunden gefördert.  Auch die bestehende Förderung von Wärmenetzen gemäß § 18 KWKG und § 19 KWKG wird neu geregelt. Das neue oder ausgebaute Wärmenetz muss bis zum 31. Dezember 2029 in Betrieb gehen und der Anteil von Wärme aus KWK oder Erneuerbaren Energien von bisher 50 Prozent auf 75 Prozent erhöht. Gleichzeitig wird der KWK-Anteil in Fällen der Kombination mehrerer Wärmeerzeuger von 35 Prozent auf 10 Prozent reduziert. Der Fördergegenstand und die Förderhöhen in Form von KWK-Zuschlägen bleiben unverändert. Weitere Informationen finden Sie hier.
  6. Einführung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG)
    Am 23.10.2019 wurde vom Bundeskabinett ein Regierungsentwurf des Gebäude-Energie-Gesetzes (GEG) verabschiedet.6 Für den Wärmemarkt von Bedeutung ist der Beschluss, dass das bereits im Klimapaket 2030 beschlossene Verbot von Ölheizungen ab 2026 aufgenommen wurde. Am 18.06.2020 wurde im Bundestag ein Gesetzesentwurf „zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude” angenommen und somit das GEG überarbeitet.7 Der Entwurf steigert den Bedarf und die Bedeutung Erneuerbarer Energieträger und stellt eine wegweisende Änderung dar. Auch im GEG wird die effiziente Fernwärme gefördert und als Ersatztechnologie zugelassen.
  7. Novellierung des Förderprogramms „Wärmenetze 4.0”
    Im Dezember 2019 erfolgte eine Überarbeitung und Umbenennung des Förderprogrammes in „Wärmenetze 4.0 – Bundesförderung effiziente Wärmenetze” (wir berichteten). Die Förderung beinhaltet Wärmeversorgungssysteme, die hocheffizient, multivalent und transparent sind. Diese Netze sollen eine innovative Bereitstellung von Wärme und Kälte auf Basis verschiedener möglichst umweltschonender Energien garantieren; Solarthermie, Tiefengeothermie und Biomasse sollen zusammen mit gewerblicher Abwärme bzw. Abwärme aus Abfallverwertung mindestens zur Hälfte der Wärmeeinspeisung beitragen. Das nachzuweisende Kosteneffizienzkriterium des Wärmepreises von maximal 12 ct/kWh wurde bei der Novellierung abgeschafft. Die Grundförderung in Modul II, der Realisierungsphase, wurde von 20 Prozent auf 30 Prozent erhöht sowie das Kumulierungsverbot mit KWKG-Zuschlägen aufgehoben. Daraus entstehen neue Einsatzmöglichkeiten sowie bessere Unterstützung für innovative und nachhaltige Wärmeprojekte.
  8. Bundesförderung für effiziente Wärmenetze
    Aktuell arbeitet das Wirtschaftsministerium an der konkreten Ausgestaltung eines neuen Förderprogramms. Die politischen Vorgaben gehen dabei auf die im Mai 2015 durch das BMWi veröffentlichte „Förderstrategie Energieeffizienz und Wärme aus Erneuerbaren Energien” zurück. Im Kern wird es in dem Programm darum gehen, dass die Investitionen in den Ausbau der Fernwärmeinfrastruktur gefördert werden. Neben reinen Investitionszuschüssen ist dabei auch eine Unterstützung bei laufenden Kosten und die Beseitigung von Hemmnisse im Bereich der Abwärmenutzung und der Nutzung von Tiefengeothermie im Gespräch. Das Programm soll noch im Jahr 2020 veröffentlicht werden.

 

Einfluss auf die Wärmezielscheibe

Besonders die Einführung eines nationalen Emissionshandels wird ab 2021 Veränderungen hin zu einer Abkehr von fossilen Energien im Wärmebereich hervorrufen. Die Aktualisierung des GEG führt zu einer positiven Entwicklung der Neubauten. Der Kohleausstieg und die geschaffenen Anreize zur frühzeitigen Umstellung der Kohlenutzung auf emissionsärmere Energieträger wird die Gesamtemissionen reduzieren und Raum für die Einbindung von Erneuerbaren Energien schaffen. Allgemein sind die Entwicklungen der letzten 12 Monate positiv zu bewerten. Im nächsten Schritt müssen die konkreten Vorgaben für die Versorgungswirtschaft für die dicht besiedelten Gebiete folgen. So besteht bis heute Nachholbedarf bei der Bewältigung von spezifischen Herausforderungen von Wärmeprojekten auf Basis von Tiefengeothermie und der Einbindung von unvermeidbarer industrieller Abwärme.

Insgesamt zeigen die Entwicklungen einen positiven Trend. Die Wärmewende wird, auch in der Berichterstattung und der Öffentlichkeit, zu einem prominenteren Thema. Überlegungen aus Politik und Wissenschaft zentrieren sich vermehrt um das Thema und die Bedeutung von Wärmenetzen für eine dekarbonisierte Zukunft.

Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der Wärmezielscheibe haben weiterhin Bestand - mehr erfahren Sie auch in unserem Rückblick auf das erste Jahr des Konzeptpapiers. Die Transformation der dicht besiedelten Gebieten ist an die erste Stelle gerückt. Im nächsten Schritt benötigt die Versorgungswirtschaft klare wirtschaftliche Anreizsysteme, um die heraufordernden Projekte stemmen zu können – das Förderregime des Breitbandausbaus zeigt eine vielversprechende Richtung. Wir werden die weitere Entwicklung beobachten und berichten.  

 

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