Abwärme als zentraler Baustein der Effizienzsteigerung

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​​​ veröffentlicht am 18. März 2020 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Bei der Bereitstellung von Wärme und Kälte in Deutschland entstehen mehr als die Hälfte der bundesweiten CO2-Emissionen. Um die zur Reduzierung des Klimawandels notwendigen Einspareffekte zu erzielen, müssen daher v.a. in diesem Bereich die verfügbaren CO2-freien Energiequellen genutzt werden. In Industrie und Gewerbe fallen aktuell großen Mengen Abwärme an, die ohne Nutzung an die Umwelt abge­geben werden. Für intelligente Nutzungsmöglichkeiten gibt es Fördermittel, denn sie erhöhen die Energieeffizienz der Produktionsprozesse, reduzieren die CO2-Emissionen und sparen bares Geld. Schätzungsweise sind zusätzlich zum Umwelteffekt allein in Deutschland Einspa­rungen in Höhe von 5 Mrd. Euro jährlich möglich!



Abwärme: schlafender Gigant der Effizienzsteigerung

Regulatorische Vorgaben zur Effizienzsteigerung, steigende Brennstoffkosten, öffentliches Interesse an Klima­schutz und die bevorstehende Einführung der CO2-Steuer erhöhen stetig den Druck auf die Unternehmen. Ein teils sehr hoher Anteil der bei Produktionsprozessen eingesetzten Energie wird nicht aktiv verwendet und als Verlust an die Umwelt abgegeben. Schätzungen zufolge können bis zu 30 Prozent des gesamten Energieein­satzes im Industriesektor als Abwärme wiederverwendet werden. In Deutschland trug der Industriesektor 2016 einen Anteil von 28 Prozent des gesamten Endenergiebedarfs und zeigte einen jährlichen Verbrauch von 717 TWh. Somit konnte Energie in Höhe von 215 TWh weiterverwendet werden. Das im letzten Jahr erschienene Konzeptpapier „Die Wärmezielscheibe” identifiziert die Nutzung industrieller Abwärme als eine der Schlüsseltechnologien für eine erfolgreiche Wärmewende und die Dekarbonisierung des Wärmemarktes.

Die Nutzung prozessbedingter Abwärme ist generell auf zwei Arten möglich: durch prozessinterne Nutzung mittels Wärmerückgewinnung oder durch eine externe Nutzung mittels Auskopplung. Bei der Wärmerückge­winnung wird die während eines Prozesses freiwerdende thermische Energie dem Prozess wieder zugeführt und kann somit zu (Kosten-)Einsparungen beim prozessbedingten Wärmebedarf führen. Bei der externen Nutzung wird die entstehende Abwärme gebündelt und mittels eines Wärmetauschers auf ein Wärmeträgermedium übertragen und so nutzbar gemacht.

Beide Nutzungsarten weisen Vor- und Nachteile auf. Bei der internen Nutzung muss lediglich das eigene System betrachtet werden, z.B. um den internen Wärme- oder Strombedarf zu decken. In einer Zeit, in der die Energie- sowie CO2-Kosten immer bedeutendere Produktionsfaktoren werden, kann schon durch die interne Optimierung eine Kostensenkung erreicht werden.

Externe Nutzungsmöglichkeiten bedeuten i.d.R. die Lieferung der Wärme an ein Fernwärmenetz im engeren Umkreis. Damit sind sie deutlich weitreichender, allerdings sind Verhandlungen mit Dritten zu führen und möglicherweise Kooperationen einzugehen. Die so generierten zusätzlichen Erlöse steigern dabei insgesamt die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, helfen bei regulatorischen Vorgaben zur Effizienzsteigerung (im Sinne von § 3 Spitzenausgleich-Effizienzsystemverordnung) und verbessern das Image.


Strategien zur wirtschaftlichen externen Abwärmenutzung

Trotz des Potenzials und den wirtschaftlichen Erfolgsaussichten scheitern Abwärmeprojekte aktuell oftmals bereits bevor technische Maßnahmen durchgeführt werden. V.a. die unterschiedlichen Erwartungen und Interessen der möglichen Vertragspartner an die Wirtschaftlichkeit, die Haftung und die Laufzeit der Zusammenarbeit erscheinen oft als unüberwindbare Hürden. Gerade deshalb sind die Projektvorbereitung und die gemeinsame Diskussion essenziell.

Wir haben drei Ebenen identifiziert, die bei einer Zusammenarbeit oder einer Kooperation von beiden Vertrags­partner zu beachten sind (siehe Abbildung 1): die externe, die marktgebundene und die ressourcen­gebundene Ebene. Nur, wenn die Einflussfaktoren auf allen Ebenen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, kann eine erfolgreiche externe Abwärmenutzung realisiert werden.



Die ressourcengebundene Ebene beinhaltet die internen Einflussfaktoren. Neben den klassischen Produktions­faktoren, wie Lohn- oder Materialkosten, werden Energie- und Emissionskosten zunehmend wichtiger. Ebenso ist der Standort – also lokal-strukturelle Einflüsse – nicht zu vernachlässigen. Der Partner auf der Seite der Wärmequelle möchte außerdem keine Abhängigkeit bzw. Verpflichtung der Wärmebereitstellung eingehen, da der zugrundeliegende Prozess nicht gestört oder beeinflusst werden soll.

Auch die Unternehmen, die die Wärme abnehmen möchten (Wärmesenke), sind von den steigenden Energiepreisen betroffen und deshalb auf der Suche nach Erzeugungsalternativen. Weiterhin müssen bei der Einbindung industrieller Abwärme Faktoren wie die Entfernung von Wärmequelle und Wärmesenke, die Wärmemenge sowie die zeitliche Verfügbarkeit beurteilt werden.

Auf Marktgebundener Ebene steht besonders der nationale und internationale Wettbewerbsdruck im Vordergrund, der die Unternehmen dazu zwingt, Kosten zu minimieren, um nicht von Konkurrenten vom Markt verdrängt zu werden. Das hängt eng mit den lokalen Gegebenheiten zusammen. Vereint werden diese Punkte in der Unternehmensstrategie. Nur, wenn das Abwärmeprojekt mit der Unternehmensstrategie beider Unternehmen vereinbar ist, kann es umgesetzt werden.

Neben den Faktoren, die die Unternehmen selbst beeinflussen können, bilden Einflüsse aus Politik und Gesellschaft eine externe Ebene. Ein Beispiel für den Einfluss der Politik stellt die Spitzenausgleich-Effizienzsystemverordnung dar, die Industrieunternehmen zusätzliche zur Energieeffizienz verpflichtet. Derzeit stellt die Forderung nach Klimaschutz und Nachhaltigkeit sozialen Druck dar, der auch die Ausrichtung von Unternehmen langfristig prägen kann. Die Nutzung CO2-neutraler Abwärme kann der Außendarstellung beider Partner dienen.

Nachdem die Analyse der drei Ebenen von beiden Partner durchgeführt und ein gemeinsames Interesse festgestellt wurde, können im nächsten Schritt die technisch-wirtschaftlichen Untersuchungen angestellt werden. Ein wichtiger Faktor sind dabei die verfügbaren Fördermittel: So sind bis zu 40 Prozent der Maßnahmen bei der Nutzung industrieller Abwärme förderfähig. Beispielhaft sind das KfW-Programm 295 oder das Programm Wärmenetze 4.0 näher zu betrachten. Zudem muss festgelegt werden, wie die Anfangsinvestitionen und der laufende Betrieb geregelt werden.

Erfolgreiche Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass die Kooperation und Zusammenarbeit bei der externen Nutzung industrieller Abwärme Früchte trägt und positive Auswirkungen auf beide Vertragspartner hat.

Die Georgsmarienhütte GmbH nutzt bereits seit Jahren die Abwärme eines Lichtbogenofens werksintern. Zusätzlich ist die GmbH eine Kooperation mit dem ortsansässigen Stadtwerk eingegangen und stellt überschüssige Abwärme für das Fernwärmenetz bereit, das wiederum zahlreiche Wärmekunden mit Wärme versorgt. Durch das Projekt können jährlich über 17.000 MWh Gas und Strom eingespart werden.

Die Stadtwerke Hennigsdorf GmbH haben im Zusammenhang mit ihrem Projekt der Wärmedrehscheibe die Abwärme aus dem Hubbalkenofen des lokalen Elektrostahlwerkes in ihr Fernwärmenetz integriert. So stehen den Hennigsdorfer Bürgern ca. 30.000 MWh CO2-neutrale Wärme zur Verfügung.

Die Gunvor Raffinerie Ingolstadt baute eine 5 km lange Leitung und richtete eine Verbindung mit dem örtlichen Fernwärmenetz ein. Insgesamt stellt die Raffinerie 130.000 MWh Wärme pro Jahr zur Verfügung, was zu einer Reduzierung von 28.000 Tonnen CO2 pro Jahr führt.

Solche Beispiele zeigen, dass die Zusammenarbeit von Industrie und Stadtwerken ein erfolgsversprechender Weg ist. Industrielle Abwärmequellen weisen aufgrund des hohen Temperaturniveaus, der Kontinuität und der Nähe zu urbanen Räumen oftmals eine einfache Integration in bestehende Fernwärmenetze auf. Die Partnerschaft mit Stadtwerken spart dem Unternehmen technische und personelle Ressourcen und erhöht gleichzeitig die eigene Effizienz sowie Wertschöpfung. Stadtwerke hingegen finden eine verlässliche und kostengünstige Wärmequelle und können sich durch Eintritt in das neue Geschäftsfeld am Markt diver­sifizieren. Wichtig ist es ebenfalls, die Vorteile der Wärmekunden zu betrachten, die mit umwelt­schonender und effizienter Wärme versorgt werden, die kaum Brennstoffpreisschwankungen unterliegt.


Fazit

Insgesamt zeigt sich: Ein Blick auf die Nutzung anfallender Abwärme lohnt sich. Es kann nicht nur die Effizienz verbessert, sondern gleichzeitig monetäre Vorteile geschaffen werden. Das Potenzial in Deutschland ist immer noch enorm. Der Abschlussbericht „NENIA – netzgebundene Nutzung industrieller Abwärme” kommt zu dem Ergebnis, dass 63 TWh Wärme technisch und wirtschaftlich in Nah- und Fernwärmenetze einzubinden sind. Nun liegt es an den Unternehmen aktiv zu werden und sich frühzeitig Wettbewerbsvorteile und Innovations­vorsprung zu sichern.

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