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veröffentlicht am 26. Juli 2017
Das potenzielle Risiko steuerstrafrechtlicher Ermittlungen bzw. Ermittlungen wegen Steuerordnungswidrigkeiten gegen Unternehmen und ihre Organe sowie leitende Mitarbeiter ist in den letzten 10 Jahren kontinuierlich gestiegen. Bei objektiv unrichtigen Steuererklärungen stellen die Finanz- und Ermittlungsbehörden schnell auf ein Organisationsverschulden bzw. eine Aufsichtspflichtverletzung des Betriebsinhabers oder des Geschäftsführers ab. Nicht selten wird in nicht immer rechtlich zutreffender Weise in dem Zusammenhang dahingehend argumentiert, dass ein Verstoß gegen steuerliche Pflichten auch auf unzureichende Aufsichtsmaßnahmen schließen lasse. Es drohen teils empfindliche straf- und bußgeldrechtliche Sanktionen für den Unternehmer und das Unternehmen.
Weisen die objektiven Umstände nicht auf ernsthafte Bemühungen zur Einhaltung der steuerlichen Pflichten und auf dementsprechende Kontrollmaßnahmen zu deren Einhaltung hin, liegt seitens der Finanzverwaltung der Schluss, dass bei deren Fehlen die Verletzung von steuerlichen Pflichten durch die verantwortlich handelnden Personen mindestens billigend in Kauf genommen wird, nicht all zu fern. Als besonders risikoanfällig sind hier v.a. Sachverhalte im Zusammenhang mit Umsatzsteuer und Lohnsteuer zu bewerten, da sie nicht nur die Zusammenarbeit mehrerer Abteilungen erfordern, sondern auch vielfach automatisiert ablaufen. Sollte sich hier ein Fehler oder eine versehentliche Unkorrektheit eingeschlichen haben, setzt sich das leider häufig unbemerkt fort.
Das reicht für die Ahndung eines Aufsichts- und Kontrollpflichtverstoßes und der Verhängung eines Bußgeldes grundsätzlich aus, denn es bedarf keines Vorsatzes, es reicht bereits leichtfertiges Handeln aus.
In einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 9. Mai 2017 wurde ausgeführt, dass bei der Bemessung der Geldbuße immer die Schuld aller an der Anknüpfungstat beteiligten Leitungspersonen bußgelderhöhend einzubeziehen sei.
Darüber hinaus seien auch Aspekte zu berücksichtigen, nach denen die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil übersteigen soll, der aus der Ordnungswidrigkeit gezogen worden ist. In dem Zusammenhang weist der BGH erstmals darauf hin, dass ein effizientes Compliance-Management-System, das auf die Vermeidung von Rechtsverstößen ausgelegt sein muss, bußgeldmindernd berücksichtigt werden kann
Zur Vermeidung von Bußgeldern und anderen Sanktionen hat im vergangenen Jahr das Bundesfinanzministerium mit einer Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO Tz. 2.6 zu § 153 AO) an dem Punkt für die Steuerpflichtigen eine erfreuliche Brücke gebaut.
Danach kann es ggf. als Indiz gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit gewertet werden, wenn der für das Unternehmen verantwortlich Handelnde ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet hat, „das der Erfüllung steuerlicher Pflichten dient”.
Ein derartiges Kontrollsystem ist in der Praxis oftmals ein Teil des sog. Tax Compliance-Management-Systems (Tax CMS).
Konkret bedeutet das: Wer ein hinreichendes Tax CMS im Unternehmen implementiert und damit zum Ausdruck bringt, die steuerlichen Pflichten in Übereinstimmung mit Recht und Gesetz erfüllen zu wollen, kann damit gleichzeitig das straf- und bußgeldrechtliche Risiko für die verantwortlich handelnden Personen als auch das Unternehmen selbst reduzieren.
Häufig lassen sich anhand automatischer Abläufe bereits typische Fehlerquellen eliminieren, die in der Vergangenheit stets zu Sachverhalten geführt haben, die mittels Selbstanzeige oder Berichtigung dem
Finanzbehörden offengelegt werden mussten.
Unternehmer sollten Tax Compliance daher nicht als zusätzlichen bürokratischen Aufwand, sondern als Chance verstehen, den zunehmenden steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Risiken zu begegnen.
Eine Vielzahl an Geschäftsleitern ist sich nicht bewusst, in welchem Ausmaß sie persönlich bei steuerrechtlichen Verfehlungen im Unternehmen auch (steuer-)strafrechtlich haftbar gemacht werden können. Das gilt unabhängig davon, ob sie von den Verfehlungen wussten bzw. daran beteiligt waren.
Gerade deshalb ist die Implementierung eines Tax CMS mit entsprechenden Prozessen und Steuerungsmechanismen ein Meilenstein bei der Reduzierung der Haftung. Einem Unternehmen, das über ein funktionierendes Tax CMS verfügt, wird stets eine gute Absicht zu unterstellen sein. Den Nachweis, dass das Tax CMS im Unternehmen auch gelebt und angewandt wird, hat jedoch der Geschäftsführer zu erbringen.
Ulrike Grube
Wirtschaftsjuristin (Univ. Bayreuth), Rechtsanwältin
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Dr. Christine Varga-Zschau
Rechtsanwältin, Geldwäschebeauftragte
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