Verrechnungspreise in Estland

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Aufgrund der Besonderheiten im estnischen Einkommensteuersystem legen die estnischen Steuer- und Zollbehörden ihren Fokus bisher weniger auf die Prüfung von Verrechnungspreisen. Durch die schnell wachsende Wirtschaft und aktuellen Gesetzesänderungen ist jedoch künftig zu erwarten, dass auch Verrechnungspreise Relevanz in Betriebsprüfungen gewinnen.

 

Verrechnungspreisregelungen

Die in Estland geltenden Verrechnungspreisregelungen (Verordnung Nr. 53 des Finanzministers „Methoden zur Ermittlung des Wertes der Transaktionen zwischen nahestehenden Personen” vom 10. November 2006) sind am 1. Januar 2007 in Kraft getreten und basieren im Wesentlichen auf den Empfehlungen der OECD-Verrechnungspreisleitlinien. Die Verrechnungspreisregelungen gelten in Estland für alle Gesellschaften mit Transaktionen zu nahestehenden Personen. Die Verrechnungspreisregelungen umfassen ebenfalls alle inländischen Transaktionen mit nahestehenden Personen.
 

Im Detail sind die Regelungen zu Verrechnungspreisen in Estland für Geschäftsbeziehungen einschlägig, die:
  • zwischen einer inländischen juristischen Person und einer ihr nahestehenden Person durchgeführt werden;
  • zwischen einem Selbständigen und einer ihm nahestehenden Person durchgeführt werden;
  • durch eine in inländische feste Niederlassung einer ausländischen juristischen Person oder auf deren Rechnung mit einer derselben ausländischen juristischen nahestehenden Person durchgeführt werden.

Verrechnungspreise finden nicht nur für Transaktionen Anwendung, die zwischen einer ausländischen juristischen Person und ihrer inländischen festen Niederlassung getätigt werden. Die estnischen Verrechnungspreisgrundsätze gelten auch für Transaktionen zwischen einer inländischen juristischen Person und ihrer festen Niederlassung im Ausland.
 

Unterscheidet sich der Wert der Transaktion zwischen den nahestehenden Personen von dem Wert ähnlicher Transaktionen, die zwischen fremden Dritten unter vergleichbaren Umständen getätigt werden, kann die Finanzverwaltung bei der Berechnung der Einkommensteuer diese Transaktionswerte als Fremdvergleichswerte heranziehen (Fremdvergleichsgrundsatz).
 

Die Differenz zwischen dem verwendeten (fremdunüblichen) Verrechnungspreis und dem fremdüblichen Preis wird mit der Einkommensteuer besteuert. Hier ist die Besonderheit hervorzuheben, dass sofern Verrechnungspreise nicht fremdüblich vereinbart sind, jedoch seitens des estnischen Steuerpflichtigen weder entgangene Gewinne noch unangemessene Kosten zu erkennen sind, keine zusätzliche Steuerpflicht entsteht.

Nahestehende Personen

Personen sind einander nahestehend, wenn sie ein gemeinsames wirtschaftliches Interesse haben oder wenn die eine Person einen beherrschenden Einfluss auf die andere Person ausüben kann. Die im Einkommenssteuergesetz aufgeführte Liste ist nicht abschließend und hat nur einen informativen Charakter. Allerdings sieht das Einkommenssteuergesetz vor, dass nahestehende Personen zwingend Folgende sind:
  • Ehepartner, Lebensgefährten oder Verwandtschaft in gerader Linie und in der Seitenlinie;
  • Gesellschaften einer Gruppe im Sinne des § 6 des Handelsgesetzbuches;
  • Eine juristische Person und eine natürliche Person, wenn die natürliche Person mindestens 10% des Aktien- oder Stammkapitals, der Gesamtstimmenzahl oder des Gewinnanspruchs dieser juristischen Person besitzen;
  • Eine Person besitzt gemeinsam mit anderen ihr nahestehenden Personen insgesamt mehr als 50 Prozent des Aktien- oder Stammkapitals, der Gesamtstimmenzahl oder des Gewinnanspruchs der juristischen Person;
  • Juristische Personen, von deren Aktien- oder Stammkapital, deren Gesamtstimmenzahl oder Gewinnanspruch mehr als 50 Prozent ein und derselben Person oder nahestehenden Personen gehören;
  • Personen, denen mehr als 25 Prozent des Aktien- oder Stammkapitals, der Gesamtstimmenzahl oder des Gewinnanspruchs ein und derselben juristischen Person gehören;
  • Juristische Personen, bei denen sämtliche Mitglieder des Vorstands oder des den Vorstand ersetzenden Organs ein und dieselben Person sind;
  • Der Arbeitgeber und sein Arbeitnehmer, Ehepartner/in der Arbeitnehmerin / des Arbeitnehmers, Lebensgefährte/Lebensgefährtin oder Verwandte/r in gerader Linie;
  • Die Person ist Mitglied des Leitungs- oder Kontrollorgans der juristischen Person, Ehepartner/in oder Verwandte/r in gerader Linie des Mitglieds des Leitungs- oder Kontrollorgans.
Gemeinsames wirtschaftliches Interesse ist ein immer noch unbestimmter Rechtsbegriff. Das Finanzministerium hat diesen Begriff in der Begründung zur Änderung des Einkommenssteuergesetzes wie folgt definiert: Bei einem gemeinsamen wirtschaftlichen Interesse verfolgen Personen ein gemeinsames Interesse, zum Beispiel tragen beide zur Ausarbeitung, Herstellung oder Vermarktung eines Erzeugnisses oder einer Dienstleistung bei.

Feste Niederlassung (Betriebsstätte)

Mit dem Änderungsgesetz des Einkommenssteuergesetzes wurden ab dem 1. Januar 2007 die Bestimmungen über die Ermittlung des Wertes der Transaktionen zwischen nahestehenden Personen auch auf Transaktionen ausgeweitet, die durch eine feste Niederlassung oder auf Rechnung der festen Niederlassung einer ausländischen juristischen Person getätigt werden. Nach dem Einkommenssteuergesetz werden die Einkünfte eines Nichtansässigen, die er durch eine in Estland ansässige feste Niederlassung erzielt, als Einkünfte berücksichtigt, die diese feste Niederlassung als eigenständiges Unternehmen unter Fremdvergleichsgesichtspunkten hätte erzielen können (Selbständigkeitsfiktion).

Verrechnungspreismethoden in Estland

Ein Verrechnungspreis ist als angemessen zu erachten, wenn er sich innerhalb einer ermittelten fremdüblichen Preisspanne befindet. Liegt der Verrechnungspreis außerhalb der fremdüblichen Preisspanne, ist die Finanzverwaltung berechtigt, den Verrechnungspreis insoweit zu korrigieren, dass das Ergebnis innerhalb der Preisspanne liegt. Wenn die ermittelte fremdübliche Preisspanne sehr breit ist, wird die Analyse unter Verwendung spezifischerer Daten oder anderer Methoden wiederholt. Der Marktwert des Verrechnungspreises wird hierbei grundsätzlich für jede einzelne Transaktion separat ermittelt.
 

Zur Ermittlung fremdüblicher Verrechnungspreise wird eine oder werden mehrere der folgenden Methoden angewendet:
  • Preisvergleichsmethode
  • Wiederverkaufspreismethode
  • Kostenaufschlagsmethode
  • Gewinnaufteilungsmethode
  • Transaktionsbezogene Nettomargenmethode
Ausgehend u.a. von den Besonderheiten der geprüften Transaktion, der Zuverlässigkeit bzw. der Vergleichbarkeit von zur Verfügung stehenden Fremdvergleichsdaten und der Belastbarkeit von Prognosen ist die Methode zu wählen, die zu einem angemessenen Ergebnis führt. Ist es aufgrund der mit einer Transaktion verbundenen Umstände nicht möglich, eine der vorgenannten Methoden zu verwenden, kann zur Ermittlung des Fremdvergleichspreises auch eine andere Methode angewandt werden. Die Anwendung einer anderen Methode muss bei Vorlage des Berichts der estnischen Steuer- und Zollbehörde begründet werden. Die Finanzverwaltung ist berechtigt, vom Steuerpflichtigen eine Erklärung zu den Gründen für die Wahl der angewandten Methode zu verlangen. Ist die vom Steuerpflichtigen ausgewählte Methode nicht geeignet, kann die Finanzverwaltung zur Ermittlung eines fremdüblichen Verrechnungspreises eine andere Methode heranziehen. Die Finanzverwaltung ist ebenfalls verpflichtet ihre Methodenwahl zu begründen.

Estnische Dokumentationspflichten – Masterfile-Ansatz

In Estland besteht eine Pflicht zur Verrechnungspreisdokumentation:
  • für ein gebietsansässiges Kreditinstitut, ein Versicherungsunternehmen und eine börsennotierte Gesellschaft;
  • falls eine Transaktionspartei in einem Niedrigsteuerland ansässig ist;
  • für eine inländische Gesellschaft, die 250 oder mehr Mitarbeiter hat oder deren Umsatz im Geschäftsjahr vor der Transaktion mit nahestehenden Personen 50 Mio. Euro oder mehr umfasste oder deren konsolidierte Bilanzsumme 43 Mio. Euro oder mehr betrug;
  • für einen Nichtansässigen, der in Estland durch eine feste Niederlassung tätig ist und 250 oder mehr Mitarbeiter hat oder deren Umsatz im Geschäftsjahr vor der Transaktion mit nahestehenden Personen 50 Mio. Euro oder mehr umfasste oder deren konsolidierte Bilanzsumme 43 Mio. Euro oder mehr umfasste.
Die Verrechnungspreisdokumentation hat der Finanzverwaltung die Möglichkeit zu geben, die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes für Transaktionen mit nahestehenden Personen zu prüfen. Die der Finanzverwaltung vorzulegenden Dokumente haben zu umfassen:
  • Masterfile - Stammdokumentation;
  • Local file - länderspezifische Dokumentation der in Estland ansässigen juristischen Person oder festen Niederlassung in Estland
Das Masterfile (Stammdokumentation) sollte die folgenden Elemente enthalten und kann für jede Unternehmenssparte separat erstellt werden:
  • eine allgemeine Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Konzerns sowie etwaige Änderungen der Geschäftsstrategie;
  • eine Übersicht der Konzernstruktur, eine allgemeine Beschreibung der Tätigkeit der Konzernunternehmen sowie Darstellung und Beschreibung etwaiger Änderungen der Konzernstruktur und der Tätigkeiten der Konzernmitglieder;
  • allgemeine Informationen zu Transaktionen zwischen nahestehenden Personen, Art und Umfang der Geschäftsbeziehungen;
  • eine Beschreibung ausgeübter Funktionen und übernommener Risiken sowie etwaige Änderungen;
  • eine allgemeine Darstellung der immateriellen Vermögenswerte im Konzern;
  • eine Beschreibung der Verrechnungspreispolitik zur Ermittlung fremdüblicher Verrechnungspreise;
  • eine Übersicht zu Kostenumlageverträgen sowie eine Liste von Advance Pricing Agreements („APA”).
Die landesspezifische Dokumentation („Local file”) ergänzt das Masterfile und hat grundsätzlich folgende Inhalte zu umfassen:
  • eine Beschreibung der Tätigkeit des Steuerpflichtigen, in der auch Änderungen der Geschäftsstrategie im Vergleich zum vorangegangenen Geschäftsjahr ausgewiesen werden;
  • eine Beschreibung von Art und Umfang der Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen sowie Darstellung von Änderungen der konzerninternen Vertragsbedingungen bzw. Vereinbarungen;
  • eine Analyse der kontrollierten und vergleichbaren Transaktionen – Beschreibung der Vermögenswerte und Leistungen, Tätigkeitsanalyse, Handelsbedingungen, wirtschaftliche Bedingungen, Geschäftsstrategien, Korrektur von Daten der vergleichbaren Transaktion;
  • Begründung der Geeignetheit der gewählten Verrechnungspreismethode;
  • gegebenenfalls einschlägige interne und externe Vergleichsdaten sowie Hinweise auf Quellen vergleichbarer Transaktionen.

Insbesondere bei der Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation ist es generell empfehlenswert, die Verrechnungspreisleitlinien der OECD heranzuziehen, sofern die Grundsätze der OECD der in Estland geltenden entsprechenden Verordnung nicht entgegenstehen.
 

Wird die Dokumentation nicht fristgemäß eingereicht, kann nach einem Bußgeldverfahren mit einer Geldbuße von bis zu 3.200 Euro geahndet werden. Ausnahmsweise ist es möglich, für Falschangaben in Erklärungen auch strafrechtlich vorzugehen (Geldbuße von bis zu 16 Mio. Euro).

Beseitigung der Doppelbesteuerung

Die Korrektur von Verrechnungspreisen im Rahmen von Betriebsprüfungen kann unvermeidlich zu einer Doppelbesteuerung bei Unternehmen führen. Die Doppelbesteuerung kann, je nachdem in welchem Staat die an der Geschäftsbeziehung beteiligte verbundene Person ansässig ist, entweder national oder aufgrund internationaler Vereinbarungen international beseitigt werden. Folgende Möglichkeiten bestehen aus estnischer Perspektive:

National – aufgrund des Steuerverwaltungsgesetzes

Sind die Transaktionsparteien estnische Steuerpflichtige und ist der Gewinn der einen Partei korrigiert worden, ist die Korrektur auch bei der Besteuerung der anderen Transaktionspartei zu berücksichtigen. Die andere Transaktionspartei hat im Fall des Wegfalls der Umstände, die zur Besteuerung führen, die Möglichkeit, aufgrund  § 33 des Steuerverwaltungsgesetzes einen Antrag auf Rückerstattung oder Verrechnung der Einkommenssteuer einzureichen. Die zu viel gezahlte Einkommenssteuer wird auf Basis der Entscheidung der Finanzverwaltung, die aufgrund des Antrags des Steuerpflichtigen ergeht, zurückerstattet.

Innerhalb der EU-Mitgliedstaaten – mithilfe des Schiedsübereinkommens

Zwischen Mitgliedstaaten ist das Übereinkommen 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung (Schiedsübereinkommen) abgeschlossen worden. Mit dem Schiedsübereinkommen sind klare Verfahrensvorschriften bestimmt worden, wie eine Doppelbesteuerung zu beseitigen ist, die durch eine Verrechnungspreiskorrektur entstanden ist. Gemäß dem Übereinkommen hat der inländische Steuerpflichtige die estnische Finanzverwaltung zu benachrichtigen, sofern die Verrechnungspreiskorrektur bei der Besteuerung der estnischen Partei die Steuerpflicht der anderen Partei, die im anderen Mitgliedstaat der EU ansässig ist, beeinflussen könnte.

Ausserhalb der EU – beim Vorliegen eines Doppelbesteuerabkommens

Doppelbesteuerungsabkommen regeln die Vermeidung der Doppelbesteuerung in Artikel 9 Absatz 2 OECD-Musterabkommen (2010), sofern aufgrund fremdunüblichen Verhaltens Gewinne eines Unternehmens in einem Staat zugerechnet werden. Erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige die Initiative ergreift und den Antrag auf Rückzahlung einer zu viel gezahlten Steuer im Ansässigkeitsstaat einreicht. Auf Basis dessen kann die Steuerverwaltung die zuständige Behörde des anderen Staates konsultieren.


In allen 3 Fällen sind die Informationen über die Umstände, die zur Doppelbesteuerung führen, der Finanzverwaltung innerhalb von 3 Jahren ab Auftreten der Umstände der Doppelbesteuerung zu übermitteln.

 

zuletzt aktualisiert am 22. September 2016

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