Side Letter und Arbeitsrecht in Polen

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veröffentlicht am 20. November 2019 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Beim Abschluss von Verträgen mit den wichtigsten Arbeitnehmern im Unternehmen werden häufig Nebenabreden (engl. Side Letter) getroffen, die die Bedingungen für die Gewährung von Prämien (Boni) oder sonstigen Leistungen nach Erfüllung der darin festgelegten Bedingungen regeln. Diese Form der Gewährung von Zusatzleistungen bedeutet, dass der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers Standardbestimmungen enthält und alle anderen Bestimmungen in eine separate Vereinbarung aufgenommen werden. Von Bedeutung sind daher die Gültigkeit und Durchsetzbarkeit einer solchen Vereinbarung.


Arbeitsvertrag vs. Side Letter

Gemäß dem polnischen Arbeitsgesetzbuch sind im Arbeitsvertrag die Vertragsparteien, die Art des Vertrags, das Datum des Vertragsschlusses sowie die Arbeits- und Vergütungsbedingungen zu bestimmen. Insbesondere legt der Vertrag die Art der Arbeit, den Ort ihrer Ausübung, die Arbeitsvergütung unter Angabe der Vergütungs­bestandteile, die Arbeitszeitregelung und den Beginn der Arbeitsaufnahme fest. In der Praxis enthält der Arbeitsvertrag auch eine Beschreibung der anderen Pflichten des Arbeitnehmers, z.B. Wettbewerbsverbot sowie Regelungen in Zusammenhang mit der Überlassung von Eigentum, dem geistigen Eigentum oder der Abwesenheit von der Arbeit.

I.d.R. sind die zusätzlichen Pflichten für alle Arbeitnehmer einer gegebenen Ebene gleich. Die Ziele für die einzelnen Arbeitnehmer und die mit ihrer Erreichung verbundenen Leistungen/Boni können sich dagegen unterscheiden. Diese Fragen werden meistens in separaten Vereinbarungen geregelt, die jährlich aktualisiert werden. Zusätzliche Vereinbarungen können die Form eines Nachtrags zum Vertrag haben oder einfach als separate Dokumente erstellt werden, die bspw. während der Jahresgespräche ausgehandelt werden. Es kommt auch vor, dass solche Vereinbarungen vor Abschluss des Arbeitsvertrags in einer Absichtserklärung (engl. Letter of Intent) getroffen werden. Die Parteien des künftigen Arbeitsvertrags definieren die wichtigsten Elemente und Ziele, die erreicht werden sollen. Dann ist eine Absichtserklärung die Grundlage für die Erstellung eines Arbeitsvertrags.


Rechtliche Qualifizierung

Das Arbeitsrecht lässt den Abschluss von Arbeitsverträgen auch in mündlicher Form zu. Ein solcher Vertrag muss dann schriftlich bestätigt werden, zumindest in Bezug auf die wichtigsten Bestimmungen über die Parteien, die Art und die Bedingungen des Vertrags. Nebenabreden mit Arbeitnehmern, die in Form eines Side Letters geschlossen werden, werden daher als Anlagen oder Nachträge zum Arbeitsvertrag eingestuft und können einen gültigen Vertrag zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags darstellen.

Werden diese Vereinbarungen vor dem Eingehen eines Arbeitsverhältnisses geschlossen, handelt es sich meistens um eine Absichtserklärung. Enthält die Vereinbarung der Parteien wesentliche Bestimmungen des Hauptvertrags, einschließlich des Datums des Vertragsschlusses, so kann diese Vereinbarung als Vorvertrag qualifiziert werden.


Rechtliche Folgen

Bei zusätzlichen Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern ist zu beachten, dass sie nicht ungünstiger sein dürfen als die sich aus dem Arbeitsgesetzbuch oder sonstigen Gesetzen bzw. betrieblichen Regelungen ergebenden Grundsätze. In solchen Fällen werden die einschlägigen gesetzlichen oder innerbetrieblichen Vorschriften angewandt. Die Vorschriften des Arbeitsrechts gelten nämlich als „ius semidispositivum”, womit die Arbeitsbedingungen nur zum Vorteil des Arbeitnehmers individuell geändert werden können.

Zu beachten ist auch immer der Grundsatz der Gleichbehandlung in der Beschäftigung. Wird er verletzt, so sind die Bestimmungen nichtig – sie werden durch allgemein geltende Vorschriften ersetzt, die die jeweilige Frage regeln. Das ist wichtig für Arbeitnehmer, die die gleiche Arbeit in derselben Vergütungsgruppe leisten.

Die Einhaltung der vorstehenden Bedingungen bedeutet, dass die Nebenabreden gültig und uneingeschränkt durchsetzbar sind. Eine Ausnahme davon bildet eine Absichtserklärung, deren Bestimmungen für die Parteien nicht verbindlich sind. Die Haftung der Gegenpartei ist bei einem negativen Vertragsinteresse möglich, wenn sie bspw. Verhandlungen geführt hat, ohne die Absicht, den Vertrag wirklich abzuschließen. In dem Fall ist es viel sicherer, Arbeitsvorverträge abzuschließen, wenn die Parteien sich zusätzlich für den Fall schützen wollen, dass eine der Parteien sich weigert, den Hauptvertrag abzuschließen. Eine solche Vereinbarung kann die Haftung der Parteien regeln – und zwar einschließlich des Umfangs einer etwaigen Entschädigung. Leider kann der künftige Arbeitgeber auch in dem Fall den Abschluss eines solchen Vertrags nicht gegen den Willen der Gegenpartei vor Gericht einklagen – nur der Arbeitnehmer ist dazu berechtigt. Der Arbeitgeber kann jedoch die Zahlung einer Entschädigung verlangen.


Fazit

In Anbetracht des Vorstehenden ist darauf hinzuweisen, dass zusätzliche Vereinbarungen mit Arbeitnehmern in Form eines Side Letters grundsätzlich gültig und durchsetzsetzbar sind. Ausnahmen sind Absichts­er­klä­rungen und Vorverträge, deren Unterzeichnung dem künftigen Arbeitgeber nicht garantiert, dass der Haupt­vertrag auch wirklich abgeschlossen wird. Die Bestimmung zusätzlicher Pflichten bzw. Rechte sollte in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Arbeitsrechts, den innerbetrieblichen Akten und dem Grundsatz der Gleichbehandlung in der Beschäftigung erfolgen.

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