Präventiver Restrukturierungsrahmen: Frühzeitiges Handeln ist entscheidend

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​​​​ veröffentlicht am 22. Juli 2020 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Am 26. Juni 2019 wurde die Restrukturierungsrichtlinie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und ist in Kraft getreten. Die Richtlinie soll die Insolvenzregime in Europa vereinheitlichen und wett­bewerbs­fähiger machen. Dadurch soll dem Insolvenz­tourismus Einhalt geboten werden. Die Restrukturierungsrichtlinie soll bis zum 17. Juli 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Dazu hat das IDW ein Positionspapier veröffentlicht und Empfehlungen zur Umsetzung abgegeben.

 

 

Ziel des präventiven Re­struk­turierungs­rahmens ist es das Unternehmen zu sanieren und Arbeitsplätze zu sichern. Die Insolvenzordnung dagegen legt den Fokus auf eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung. Dementsprechend schlägt das IDW vor, bei der Umsetzung der Richtlinie ein möglichst unabhängiges Regime zu schaffen, das nicht zu sehr an die Insolvenzordnung anlehnt. Der präventive Restrukturierungsrahmen und seine Instrumente sollen deutlich früher greifen als ein gerichtliches Insolvenzverfahren und möglichst still, also unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ablaufen. Dadurch soll der Sanierungsstandort Deutschland gegenüber anderen EU-Staaten mit beträchtlich niedrigeren Anforderungen an eine gerichtliche oder außer­gerichtliche Sanierung aufgewertet und wettbewerbsfähiger werden.

Liegt bei einem Unternehmen eine Insolvenzwahrscheinlichkeit („likelihood of insolvency”) vor und ist es gleich­wohl bestandsfähig („viability test”), so kann dem Unternehmen künftig ein vier- bis max. zwölfmonatiges Moratorium gewährt werden. Wie der Zugang zum präventiven Restrukturierungsrahmen aussehen könnte, zeigt das folgende Schaubild:

 

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Frühes Handeln vergrößert den Handlungsspielraum und die Erfolgschancen

Wie im Schaubild zu sehen ist, schlägt das IDW zwei zentrale Zugangswege vor:

  • ohne Moratorium vs.
  • mit Moratorium.

 

Je früher die Sanierung eines Unternehmens eingeleitet wird, desto besser sind auch die Aussichten auf einen Sanierungs­erfolg und es bestehen mehr Handlungs­alternativen. Eine erfolgreiche präventive Restrukturierung wirkt sich ebenso für die Gläubiger positiv aus, da i.d.R. höhere Realisierungsquoten der Forderungen entstehen als bei einem gerichtlichen Insolvenz­verfahren. In einem frühen Stadium wird ein Moratorium häufig nicht nötig sein, da alle Parteien zunächst eine außergerichtliche Sanierung anstreben. Demzufolge könnte das Sanierungs­konzept ohne Beteiligung eines Gerichts umgesetzt werden. Falls eine Mehrheit, jedoch nicht alle Gläubiger, dem Sanierungskonzept zustimmen, kommt der präventive Re­­struk­­turie­rungs­­rahmen zum Einsatz. Alleine die Option des Verfahrens sollte bei opponierenden Gläubigern einen Anreiz zur Kommunikation und ggf. Kooperation geben. Falls unter den Gläubigern kein Konsens entsteht, reicht das Unternehmen sein Sanierungs­­konzept mit den Abstimmungsergebnissen beim Gericht ein, das die Voraus­setzungen für die Über­stim­mung der opponierenden Gläubiger (ggfs. auch cross-class cram-down) prüft und den Plan in Kraft setzen kann.

Die Insolvenz­­wahr­­schein­­lichkeit, als Zugangs­­voraussetzung, ist in dem Fall anzunehmen, weil sonst die Mehrheit der Gläubiger einem Sanierungskonzept nicht zustimmen würde. Es dürfen jedoch keine Insolvenz­­antrags­gründe vorliegen. Damit das Gericht den Plan bestätigen kann, ist ihm lediglich die qualifizierte Mehrheit, die Gleichbehandlung der betroffenen Gläubiger (vgl. IDW S 2) und die Erfüllung der Anforderungen an Sanierungskonzepte (vgl. IDW S 6) durch den Plan darzulegen.


Ein Restrukturierungsbeauftragter ist nicht notwendig. Ein „viability test” ist ebenfalls nicht notwendig, da im Restrukturierungsplan ohnehin begründet werden muss, dass ausreichende Aussichten auf Abwendung der Insolvenz sowie Wiederherstellung der Rentabilität bestehen. Die Einbindung des Gerichts erfolgt daher nur punktuell und der Zugang zum präventiven Restrukturierungsrahmen würde sich aufgrund der geringen Hürden als unkompliziert und kostengünstig erweisen.

Die Anforderungen an das Konzept und entsprechende Nachweise für die Sanierungsaussichten steigen mit fortschreitender Krise des Unternehmens. Das Gericht ist dementsprechend stärker einzubinden und häufig muss in fortgeschrittenen Krisenstadien ein Restrukturierungsbeauftragter eingesetzt werden. Folglich sind auch die Empfehlungen des IDW in solchen Fällen wesentlich näher an der Insolvenzordnung und den entsprechenden IDW Standards, da der Gläubigerschutz bei höherem Sanierungsrisiko naturgemäß immer weiter in den Vordergrund rückt.


Unternehmensplanung als Frühwarnsystem

Daher ist es sowohl für Schuldner als auch Gläubiger im Regelfall von Vorteil, wenn eine Sanierungsinitiative so früh wie möglich nach Bekanntwerden der Krise eingeleitet wird. Im Kontext der Insolvenzordnung reagieren Unternehmer und Unternehmen jedoch häufig erst sehr spät auf die Krise. Mit dem präventiven Restruktu­rierungs­­rahmen soll also ein Umfeld für proaktives Handeln geschaffen werden. Dabei sieht das IDW v.a. die regelmäßige Unternehmensplanung als geeignetes Frühwarnsystem. Da sich die Pflicht zur Erstellung einer Unternehmens­planung jedoch nur implizit aus verschiedenen Normen ableitet, fordert das IDW eine explizite Pflicht zur Unternehmens­planung, unabhängig von Rechtsform oder Größe des Unter­nehmens. Anhand der Unternehmensplanung kann dargelegt werden, dass sich das Unternehmen in der Krise befindet. Eine Krise im Sinne einer Insolvenz­gefährdung liegt laut BGH vor, „wenn das Unternehmen in der Vergangenheit keine Gewinne erwirtschaftet hat, nicht leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und eine bilanzielle Überschuldung droht oder sogar schon eingetreten ist” (vgl. BGH Urt. vom 26. Oktober 2017 IX ZR 285/14, Rn. 28).

Gerade in volatilen Märkten (z.B. Gefahr durch Disruptionen oder Handelskriegen) und globalen Krisen (wie z.B. Corona) wird eine fundierte Unternehmensplanung immer unerlässlicher und erweist sich als Schweizer Taschenmesser. Ob für das interne Rechnungswesen bzw. das Management als Planungs- und Kontroll­instru­ment oder für Nachweispflichten aufgrund von normativen Vorschriften (z.B. Darstellung der Unterneh­mens­entwicklung im Lagebericht nach § 289 Abs. 1 S.  4 HGB oder (laufende Beobachtung des Unternehmens im Zusammenhang mit Insolvenzeröffnungsgründen nach § 15a InsO) – die Unternehmensplanung gewinnt weiter an Relevanz.

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