Early Tax Birds 14/2025: Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD steht - Was dürfen wir steuerlich erwarten?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 14/2025 (7. – 13. April 2025)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 14. April 2025 | Lesedauer ca. 6 Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,​

nach langem Ringen ist sie nun da: die Einigung zum ​​Koalitionsvertrag. Die politischen Partner haben sich unter einer politischen Selbstverständlichkeit als Überschrift ("Verantwortung für Deutschland") auf "kompakten" 145 Seiten auf zentrale Maßnahmen verständigt, die auch für das Steuerrecht nicht folgenlos bleiben werden. Der große steuerpolitische Wurf - die hier und andernorts geforderte große Unternehmensteuerreform - bleibt zwar erneut aus, doch die Richtung ist erkennbar: Investitionsanreize, Digitalisierung und steuerliche Vereinfachungen stehen groß auf der Agenda – zumindest auf dem Papier.

Für uns Beraterinnen und Berater heißt das: genau hinschauen. Denn wie so oft werden die steuerlichen Auswirkungen weniger in den Zeilen des Koalitionsvertrags als im Kleingedruckten der konkreten Gesetzestexte stecken. Daher sind wir schon sehr gespannt, welche konkreten steuerlichen Vorhaben wir Ihnen in den kommenden Monaten und Jahren hier vorstellen dürfen. So oder so lohnt es sich, die geplanten Änderungen frühzeitig zu begleiten, um das Potenzial bestmöglich auszuschöpfen. 

Wer darüber hinaus - quasi ad hoc - den schnellen fachlichen Austausch sucht, dem sei unsere diesjährige Rödl & Partner Steuerkonferenz wärmstens empfohlen. Auch in diesem Jahr erwarten Sie praxisnahe Vorträge, spannende Diskussionen und ein kollegiales Miteinander. Einige wenige Plätze sind noch verfügbar – wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!​

Im Übrigen gilt wie immer: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, abonnieren Sie ihn und em​pfehlen​​ Sie ihn weiter. Wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Wir freuen uns über jede Kritik, Anregung und natürlich auch über Lob an earlytaxbirds@roedl.com.

Beste Grüße

Philip Nürnberg und das Redaktionsteam​​

  
 
Aktu​elle Gesetzgebung​​
  

Koalitionsvertrag ​der CDU/CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode​

In unserer Ausgabe 12/2025​ hatten wir Sie über die Papiere der Arbeitsgruppen aus den Koalitionsverhandlungen informiert. Vor zwei Wochen waren noch viele Punkte in den Verhandlungen unklar. Am 9. April 2025 wurde nun nach langen Diskussionen zwischen den politischen Parteien der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode​ veröffentlicht. Die Kurzfassung des Koalitionsvertrags finden Sie hier​. Im Folgenden haben wir Ihnen die Ergebnisse zusammengefa​sst, welche Sie in der kommenden Legislaturperiode steuerlich erwarten können:
  • Einführung einer stark degressiven Abschreibung ("Turbo-AfA") von 30% auf Ausrüstungsinvestitionen für die Jahre 2025 bis 2027
  • Senkung der Körperschaftsteuer in 5 Schritten um jeweils 1% jährlich; beginnend ab dem 1. Januar 2028 
  • Verbesserung des Optionsmodells nach § 1a KStG und der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG zur rechtsformneutralen Besteuerung
  • Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen
  • Verringerung der Schere der Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge und des Kindergelds durch gesetzliche Kopplung
  • Anhebung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags
  • Sicherstellung der Anhebung des Kindergelds bei einer Erhöhung der Kinderfreibeträge
  • Keine Veränderung beim Solidaritätszuschlag
  • Bekämpfung von Scheinsitzverlegungen in Gewerbesteuer-Oasen
  • Erhöhung des Gewerbesteuer-Mindesthebesatzes von 200% auf 280%
  • Festhalten an der globalen Mindeststeuer für große Konzerne 
  • Einsatz für eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer in der EU
  • Anpassung des steuerlichen Rechtsrahmens für den Querverbund, um kommunale Daseinsvorsorge zu sichern
  • Steuerfreiheit für Überstundenzuschläge, die über tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgeht
  • Bei freiwilliger Weiterarbeit im Rentenalter soll das Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei bleiben
  • Steuerliche Begünstigung einer gezahlten Prämie durch den Arbeitgeber zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeit auf Vollzeit
  • Erhöhung der Pendlerpauschale auf 0,38 Euro ab dem ersten Kilometer ab dem 1. Januar 2026
  • Anhebung der Übungsleiterpauschale auf 3.300 Euro und Anhebung der Ehrenamtspauschale auf 960 Euro
  • Erhöhung der Freigrenze aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb für gemeinnützige Vereine auf 50.000 Euro
  • Reformierung des Gemeinnützigkeitsrechts (kein Erfordernis einer zeitnahen Mittelverwendung für gemeinnützige Organisationen mit Einnahmen bis 100.000 Euro und keine Sphärenaufteilung bei gemeinnützigen Körperschaften aus wirtschaftlichen Tätigkeiten und weniger als 50.000 Euro Einnahmen im Jahr)
  • Unterstützung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene
  • Dauerhafte Reduzierung der Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie auf 7% ab dem 1. Januar 2026
  • Senkung der Energiesteuern für Entlastungen um mindestens 0,05 Euro/kWh auf EU-Mindestmaß
  • Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge
  • Kfz-Steuerbefreiung für E-Autos bis 2035
  • Förderung von Plug-in-Hybriden
  • Wiedereinführung der Agrardiesel-Rückvergütung
  • Befreiung alternativer Kraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft von der Energiesteuer
  • Anhebung des Fördersatzes und der Bemessungsgrundlage für die steuerliche Forschungszulage sowie Vereinfachung des Verfahrens
  • Steuerliche Maßnahmen zur Wohneigentumsbildung für Familien ("Starthilfe Wohneigentumsbildung")
  • Steuerliche Absetzbarkeit von Kosten für energetische Sanierungen geerbter Immobilien
  • Bekämpfung von Defiziten bei den Registrierkassenpflichten, konsequente Aufnahme unkooperativer Steuerhoheitsgebiete auf die „Schwarze Liste“ der EU, Erweiterung der Möglichkeiten der Telefonüberwachung in besonderen Fällen
  • Vollständige Beweislastumkehr beim Einziehen von Vermögen unklarer Herkunft zur Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Clankriminalität
  • Vermeidung etwaiger unberechtigter Vergünstigungen bei der Dividendenbesteuerung 
  • Stärkung der Finanzkontrolle der Schwarzarbeit
  • Reduzierung der Steuerbürokratie (stärkere Digitalisierung, Nutzung von KI, Vereinfachung der Besteuerung von Rentnern, Ausbau der vorausgefüllten Steuererklärungen und der verpflichtenden digitalen Abgabe)
  • Prüfung einer Arbeitstagepauschale als neue Werbungskostenregelung
  • Reformierung und Überführung der Riester-Rente in ein neues Versorgungsprodukt mit Verzicht auf zwingende Garantien und reduzierten Kosten
  • Einführung der Frühstart-Rente zum 1. Januar 2026: Monatliche Einzahlung von 10 Euro pro Kind vom Alter von 6 bis 18 Jahren in ein individuelles, kapitalgedecktes Altersvorsorgedepot mit steuerfreien Erträgen bis zum Renteneintritt
  • Verbesserung bei der Geldwäschebekämpfung  (Verbesserung der Kommunikation zwischen den Behörden)
  • Modernisierung des Rechts der Genossenschaften - Einführung einer neuen Rechtsform (Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV) bei unabänderlichen Vermögensbindung und mit Teilhabe nach mitgliedschaftlicher Logik ohne steuerliche Privilegierung oder Diskriminierung
​Der Koalitionsvertrag sendet ein erstes positives Signal an die Wirtschaft, da zentrale Forderungen der Wirtschaft aufgegriffen werden und daraus konkrete steuerliche Entlastungen geplant werden. Die angekündigten Entlastungen im Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD sind somit ein richtiger erster Schritt - dennoch ist zu beachten, dass alle Vorhaben des Koalitionsvertrags unter dem Finanzierungsvorbehalt stehen. Zudem müssen die geplanten Entlastungen nun schnellstmöglich umgesetzt werden, damit ihr gewünschter Effekt die Wirtschaft schnell entlastet. Es bleibt in diesem Kontext zu hoffen, dass ein voraussichtlich von der SPD geführtes Finanzministerium nicht erneut die nationale Meldepflicht für Steuergestaltungen wieder aufgreift.
  
    
​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

  
Anwendung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln im Rahmen der Bewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Diese Woche befassen sich die Early Tax Birds mit den drei inhaltsgleichen Entscheidungen des BFH vom 10. November 2024 (II R 38/22, II R 41/22 und II R 42/22). Grund dafür ist, dass sich der BFH in allen drei Urteilen mit der Rechtsfrage befasst hat, ob die Anwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer im Rahmen von § 14 Abs. 1 BewG gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verstößt. In den Streitfällen hatten die Kläger jeweils im Jahr 2014 notarielle Verträge zur vorweggenommenen Erbfolge mit ihrem Vater geschlossen. Im Rahmen dieser Verträge übertrug der Vater ihnen unentgeltlich Anteile an einer GmbH. Gleichzeitig behielt er sich den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch an den Anteilen vor und verpflichtete sich, während dieses Nießbrauchs sämtliche damit verbundenen Lasten zu tragen. Bei der Festsetzung der Schenkungsteuer zog das Finanzamt vom Wert der übertragenen Anteile den Kapitalwert des Nießbrauchsrechts des Vaters ab, da der Nießbrauch die Bereicherung als Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer minderte. Der Kapitalwert wurde ermittelt, indem der Jahreswert des Nießbrauchs mit einem Vervielfältiger multipliziert wurde, der sich aus der voraussichtlichen Lebenserwartung des Vaters ergab. Die entsprechenden Vervielfältiger werden auf Basis der aktuellen Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes berechnet und vom BMF regelmäßig veröffentlicht. In den veröffentlichten Tabellen wird zwischen der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen unterschieden, da die Lebenserwartung von Frauen statistisch in jeder Altersstufe höher ist als die bei Männern. Die Kläger sahen in der unterschiedlichen Behandlung von Männern und Frauen bei der Bewertung einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 GG. Es läge darin eine nicht sachlich begründete Ungleichbehandlung vor, sodass sie zur Bewertung stattdessen eine geschlechtsneutrale Sterbetafel beantragten. Ihre Klagen vor dem FG Köln vom 18. August 2022 (7 K 1799/217 K 1800/21​ und 7 K 1929/21​​) blieb erfolglos. 


Der BFH wies die Revision mit seinen Entscheidungen vom 20. November 2024 als unbegründet zurück. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verwendung geschlechterdifferenzierender Sterbetafeln, da sich die Ungleichbehandlung durch einen sachlichen Grund rechtfertigen lässt. Die Anwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln bei der Bewertung lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer im Rahmen von § 14 Abs. 1 BewG verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Ziel sei es, die Kapitalwerte lebenslänglicher Nutzungen und Leistungen möglichst realitätsnah zu bestimmen und eine Besteuerung entsprechend der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zu ermöglichen. Da Männer und Frauen statistisch nachweislich laut amtlicher Sterbetafeln unterschiedliche Lebenserwartungen haben, führe die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Vervielfältiger nach den Tabellen zu präziseren Ergebnissen für den tatsächlich zutreffenden Wert der Bereicherung als eine geschlechtsneutrale Bewertung. Zudem könne sich die Anwendung solcher Vervielfältiger je nach Einzelfall sowohl vorteilhaft als auch nachteilig für die Steuerpflichtigen auswirken und bedeute nicht zwangsläufig eine Benachteiligung aufgrund des eigenen Geschlechts. Im konkreten Fall wurde der Wert des Nießbrauchs allein auf Basis des Geschlechts und Alters des Vaters als Nießbrauchsberechtigten berechnet und nicht nach dem Geschlecht der Kläger. Es sei zudem nicht Aufgabe der Gerichte den Bewertungsmaßstab zu korrigieren, wenn der Gesetzgeber sich für ein sachlich nachvollziehbares Modell entschieden hat.


Die Urteile des BFH ergingen zur Rechtslage im Jahr 2014. Der BFH hatte nicht darüber zu entscheiden, welche Folgen sich aus dem zum 1. November 2024 in Kraft getretenen Gesetz zur Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag für die Bewertung lebenslanger Nutzungen und Leistungen ergeben. Die Frage, welche Tabellen bei einem rechtlich zulässigen Geschlechterwechsel anzusetzen sind, bleibt daher offen. Zudem bleibt abzuwarten, wie lange die Unterscheidung zwischen den Lebenserwartungen zwischen Männer und Frauen noch bestehen bleibt und ob die verschiedenen Tabellen fortgeführt werden. Die Lebenserwartungen gleichen sich aufgrund ähnlicher Verhaltensmuster von Männern und Frauen immer weiter an. In anderen EU-Mitgliedsstaaten gibt es daher seit einigen Jahren bereits sog. Unisex-Tabellen für die Vervielfältiger zur Berechnung des Werts der lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen.​


 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
II R 38/21​
​20. November 2024
Zur Anwendung des Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union auf die Schenkungsteuer
VII R 31/21


​15. Oktober 2024
Steuerbefreiung für Strom zur Stromerzeugung und für Strom, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, Strom zu erzeugen, entnommen worden ist
X B 21/25 (AdV)
21. März 2025
​Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge ab dem durch den russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 ausgelösten Anstieg der Marktzinsen
IV R 5/22​
3. Dezember 2024
​Keine gewerbesteuerrechtliche Hebeberechtigung eines Bundeslandes für Betriebsstätte im deutschen Küstenmeer
VIII R 11/24
28. März 2025
Erledigung der Hauptsache wegen nachträglicher Aufhebung der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte

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