Änderungen im Zivilgesetzbuch der Republik Belarus 2024: Acht wichtige Neuerungen für Unternehmen

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 6. Dezember 2024 | Lesedauer ca. 6 Minuten


Am 19. November 2024 traten umfassende und längst überfällige Änderungen des Zivilgesetzbuches der Republik Belarus (im Folgenden: „Zivilgesetzbuch“) in Kraft. Die entsprechenden Anpassungen wurden durch​​ das Gesetz der Republik Belarus Nr. 312-Z vom 13. November 2023 „Über Änderungen der Gesetzbücher“ eingeführt. In diesem Artikel geben wir einen kurzen Überblick über die Änderungen des Zivilgesetzbuches, die neue Möglichkeiten für Unternehmer eröffnen.​


  

Einleitung​

Die belarussische Gesetzgebung hat durch die Einführung von Rechtsinstrumenten, die von ausländischen Investoren in verschiedenen Ländern häufig genutzt werden, einen wichtigen Schritt in Richtung internationaler Geschäftstätigkeit getan. Durch die Änderungen wurde das Zivilgesetzbuch um anglo-amerikanische Rechtskonstruktionen ergänzt, von denen einige besonders erwähnt werden sollen:
  • Treuhandkontovertrag (escrow)
  • Entschädigung für Vermögensschäden (indemnity)
  • Zusicherungen und Garantien (representations & warranties)
  • Verzicht auf die Ausübung von Rechten aus dem Vertrag (waiver)
       

​Vertrag über ein Treuhandkonto

Eine neue Art von Bankkonto, das Treuhandkonto (escrow), wurde in das System der Bankkonten eingeführt. 
Die Einführung des Treuhandkontos in die Gesetzgebung trägt dazu bei, das Problem des Misstrauens zwischen den Parteien einer Transaktion zu lösen, wenn beide aufgrund finanzieller oder persönlicher Risiken zögern, den ersten Schritt zu tun.
   
Ein Treuhandkontovertrag ist ein dreiseitiger Vertrag, bei dem:
  • der Treuhänder (Bank) sich verpflichtet, für den Treugeber (Einleger) ein Sonderkonto (Treuhandkonto) zu eröffnen
  • die vom Einleger auf das Treuhandkonto eingezahlten Gelder vom Treuhänder gesperrt werden
  • ein Dritter (Begünstigter) die Bedingungen des Treuhandkontovertrags erfüllt; und erst danach
  • ​überweist der Treuhänder die Gelder an den Begünstigten
      
Der Abschluss eines Treuhandkontovertrages gewährleistet somit eine sichere Abwicklung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages. 
  
Darüber hinaus ist zu beachten, dass die hinterlegten Gelder vor der Zwangsvollstreckung für andere Verbindlichkeiten einer der Parteien geschützt sind. Und zwar, gemäß Art. 210-4 des Bankengesetzbuches der Republik Belarus unterliegen die Verpflichtungen des Einlegers gegenüber Dritten und die Verpflichtungen des Begünstigten nicht:
  • der Aussetzung der Operationen auf dem Treuhandkonto
  • der Pfändung und Zwangsvollstreckung von Geldern auf dem Treuhandkonto
      

​Optionsvereinbarung

​Eine weitere Neuerung, die sich sicherlich positiv auf die Strukturierung von Unternehmenstransaktionen auswirken wird, ist die Einführung einer gesetzlichen Regelung für Optionsvereinbarungen.​Options­verein­barungen sind für Unternehmen nützlich, da sie ihnen die Möglichkeit geben, Risiken zu begrenzen und die Bedingungen der Zusammenarbeit im Voraus festzulegen. Die Erfüllung einer Optionsvereinbarung ist zeitlich aufgeschoben und hängt nur vom Willen einer Partei ab. Verlangt diese Partei die Vornahme der in der Vereinbarung vorgesehenen Handlungen, so ist die andere Partei unter Androhung gerichtlichen Zwangs zu deren Vornahme verpflichtet.
  
Die Optionsvereinbarung kann unter anderem für folgende Zwecke verwendet werden:
  • schrittweiser Ein-/Ausstieg des Investors aus dem Unternehmensprojekt
  • ​Anreize für die Unternehmensbeteiligten, bestimmte Ergebnisse zu erzielen (z.B. Kauf eines Anteils durch einen Investor, sofern ein bestimmtes finanzielles Ergebnis erreicht wird)
   

​Wanderdarlehen

​Das Wandeldarlehen wurde ebenfalls im Zivilgesetzbuch verankert. Im Rahmen eines Wandeldarlehensvertrags: 
  1. eine Partei (der Darlehensgeber) überträgt Geld in den Besitz der anderen Partei (des Darlehensnehmers); und 
  2. der Darlehensnehmer bei Eintritt eines im Vertrag genannten Umstandes oder bei Vornahme von im Vertrag genannten Handlungen durch den Darlehensnehmer oder Dritte:
  • dem Darlehensgeber Aktien, einen Anteil (einen Teil eines Anteils) am genehmigten Kapital des Darlehensnehmers, die dem Darlehensnehmer gehören / in der Bilanz des Darlehensnehmers stehen überträgt, oder 
  • das genehmigte Kapital um den Betrag des Wandeldarlehens durch die Übertragung von Aktien, deren Emittent der Darlehensnehmer ist, oder eines Anteils (eines Teils eines Anteils) am genehmigten Kapital des Darlehensnehmers an den Darlehensgeber erhöht
 
Das bedeutet, dass durch die Ausgabe eines Wandeldarlehens Schulden in Eigenkapital umgewandelt werden können. Der Einsatz dieses Instruments ermöglicht eine Risikominderung in den ersten Finanzierungs- und/oder Investitionsphasen des Unternehmens.​
   

​Entschädigung

​Durch die Verwendung der Entschädigung haben die Parteien das Recht, in der Vereinbarung die Verpflichtung einer Partei festzulegen, die Vermögensverluste der anderen Partei zu ersetzen, die ihr entstehen (indemnity), wenn: 
  • Umstände eintreten, die im Vertrag definiert sind, und 
  • nicht im Zusammenhang mit der Verletzung einer Verpflichtung durch eine Partei stehen
       
​Zu diesen Umständen gehören insbesondere Schäden, die durch die Unmöglichkeit der Erfüllung der Verpflichtung verursacht werden, Ansprüche Dritter oder staatlicher Stellen gegen die Partei oder den in der Vereinbarung genannten Dritten. Die Höhe der Entschädigung für solche Verluste oder das Verfahren zu ihrer Bestimmung wird von den Parteien in der Vereinbarung festgelegt.
   

Rückforderung von Zinsen​

Der Ansatz für die Rückforderung von Zinsen für die Verwendung fremder Mittel gemäß Artikel 366 des Zivilgesetzbuches wurde geändert. Damit wird die „doppelte“ Haftung eines Schuldners ausgeschlossen, bei der sowohl Strafzinsen als auch Zinsen wegen Nichterfüllung oder nicht ordnungsgemäßer Erfüllung einer Geldverbindlichkeit geltend gemacht werden können.
  
Diese Neuerung zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
  • Wird eine Geldbuße wegen eines Verstoßes verhängt, der nicht in der Nichterfüllung oder nicht ordnungsgemäßen Erfüllung einer Geldverbindlichkeit besteht, so ist die Einziehung von Zinsen wegen der Verwendung fremder Geldmittel zulässig.
  • Die Möglichkeit der gleichzeitigen Einziehung einer Geldbuße und von Zinsen für die Verwendung fremder Geldmittel kann durch Rechtsakt festgelegt werden.
          

​Zusicherungen und Garantien​

Um den guten Glauben der Parteien zu fördern, wurde in das Zivilgesetz die Norm der Zusicherungen und Garantien (representations & warranties) aufgenommen. Danach hat die andere Partei das Recht, wenn eine Partei unzuverlässige Zusicherungen über Umstände macht, die für den Abschluss, die Durchführung oder die Beendigung des Vertrages von Bedeutung sind:
  • tatsächlichen Schadensersatz und Vertragsstrafen zu verlangen;
  • vom Vertrag zurückzutreten, wenn die Umstände für sie wesentlich waren. 
      
Umstände von wesentlicher Bedeutung sind u.a.: 
  • der Vertragsgegenstand
  • die Befugnis zum Abschluss des Vertrages
  • die Vereinbarkeit des Vertrages mit dem auf ihn anzuwendenden Recht
  • die finanziellen Verhältnisse des Vertragspartners
  • das Vorliegen besonderer Genehmigungen (Lizenzen)
  • das Bestehen von Rechten an materiellen oder immateriellen Gütern
   

​Verzicht auf die Ausübung von Rechten aus dem Vertrag 

Für eine Vertragspartei, die eine unternehmerische Tätigkeit ausübt, ist die Möglichkeit eines Verzichts (waiver) vorgesehen. Ferner ist zu beachten, dass eine Partei, die auf die Ausübung eines Rechts aus dem Vertrag verzichtet hat, dieses Recht später aus denselben Gründen nicht mehr ausüben kann. Eine Ausnahme gilt, wenn ähnliche Umstände erneut eintreten.
  
Außerdem wird eine Regel eingeführt, nach der in den im Vertrag oder im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen davon ausgegangen wird, dass eine Partei, die ihr Recht aus dem Vertrag nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist ausübt, auf ihr Recht aus dem Vertrag verzichtet hat.
  

​Filialen

Ausländische Unternehmen dürfen in Belarus Filialen eröffnen, um Geschäfte zu tätigen. Zuvor waren ausländ​​ische Organisationen nur berechtigt, Repräsentanzen zu eröffnen, ohne das Recht, Geschäftstätigkeiten auszuüben, und Tochtergesellschaften zu gründen. Das Arbeitsgesetzbuch der Republik Belarus wurde ebenfalls geändert, um den Status einer Filiale einer ausländischen juristischen Person als unabhängiger Arbeitgeber in Arbeitsbeziehungen festzulegen. 
 

Wichtig

Ausländische juristische Personen, die in Belarus über Betriebsstätten unternehmerisch tätig sind, müssen, um diese Tätigkeit fortsetzen zu können, bis spätestens 19. Mai 2025:

– eine Filiale eröffnen, oder 

– eine juristische Person gründen, oder 

–​ ​sich an eine Organisation auf dem Territorium der Republik Belarus anschließen.​​​

  

​Weitere Schritte

​Unternehmen, die in Belarus tätig werden wollen oder bereits tätig sind, sollten ihre Geschäftsprozesse im Hinblick auf die Änderungen des Zivilgesetzbuches überprüfen und optimieren. Ausländischen Unternehmen, die in Belarus tätig werden wollen, wird empfohlen, die Möglichkeit der Eröffnung einer Filiale zu prüfen.
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