Mitarbeiterbesteuerung: Fallstricke bei Umstrukturierungen im internationalen Kontext

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veröffentlicht am 3. Juli 2019 | Lesedauer ca. 4 Minuten



Fokus Unternehmensbesteuerung

Verschiedene Gründe können dafür sprechen, die rechtlichen und steuerrechtlichen Strukturen im Zuge der Unternehmensentwicklung weiterzuentwickeln und anzupassen:
  • Eine Vielzahl von In- und Auslandsgesellschaften unterschiedlichster Größe und funktionaler Ausrichtung sollen neu geordnet werden.
  • Die Mutter-Tochter-Verhältnisse in der Unternehmensgruppe bilden nicht die tatsächlichen bzw. wünschenswerten Betriebsabläufe ab, d.h. Ineffizienzen sind gleichsam institutionalisiert.
  • Wegen einer unsauberen Corporate Governance in der Unternehmenshistorie werden rechtliche und steuerliche Haftungsrisiken mitgeschleppt.
  • Unterschiedliche Geschäftsfelder eines Unternehmens sollen getrennt werden, weil sie bspw. isoliert vom Rest des Unternehmens im Wege eines sog. Carve-out verkauft werden oder beim bisherigen Inhaber verbleiben sollen.

 

Das Umwandlungsgesetz hält mit der Verschmelzung, der Spaltung und dem Formwechsel Möglichkeiten parat, die zu einer Gesamtrechtsnachfolge durch die jeweiligen aufnehmenden Rechtsträger führt. Mit Hilfe des Gesetzes können die Umstrukturierungen in vielen Fällen auch steuerneutral umgesetzt werden. Das Umwandlungsrecht ist weitreichend europäisch harmonisiert, weshalb grenzüber­schreitende Umstruktu­rierungen im Geltungsbereich der EU/der EWR u.U. mit nur geringer Steuerbelastung auf Unternehmens­ebene möglich sind. Es kommt in den Fällen zwar nicht zu einem endgültigen Verzicht auf die Besteuerung. Die Besteuerung erfolgt aber erst beim späteren Verkauf.

 

Außerhalb der im Umwandlungsrecht vorgesehenen Möglichkeiten kann eine Gesamtrechtsnachfolge bspw. auch durch sog. Anwachsungsmodelle erreicht werden. Daneben kann auch der Weg der Einzelrechts­nachfolge gewählt werden – typischerweise durch Kaufvertrag und Eigentumsübertragung von Geschäftsanteilen oder (Teil-)Betrieben.

 

Alternative Umstrukturierungsvarianten (insbesondere bei grenzüberschreitendem Bezug, d.h. wenn ausländische Tochtergesellschaften oder Gesellschafter betroffen sind) und Umstrukturierungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge (wenn keine Betriebe oder Teilbetriebe übertragen werden) lösen meist Steuerbelastungen auf Unternehmensebene aus.


Stiefkind Mitarbeiterbesteuerung

Das Hauptaugenmerk bei Umstrukturierung liegt regelmäßig auf der Vermeidung ungewollter Steuerbe­lastungen auf Unternehmensebene. Hintergrund ist, dass i.d.R. vorausgesetzt wird, dass die Umstrukturierung auf Unternehmensebene keine Konsequenzen für die Mitarbeiter, insbesondere im Hinblick auf ihre Steuersituation hat. Das muss aber nicht immer der Fall sein. 

 

Niederlassungen

Zur Verschlankung von Konzernstrukturen werden in der Praxis auch grenzüberschreitende Verschmel­zungen oder Übertragungen von Betriebsteilen erwogen, in deren Konsequenz im Staat des übertragenden Unternehmens eine steuerliche Betriebsstätte zurückbleibt. Die Mitarbeiter des übertragenden, vormalig selbstständigen Unternehmens gehen folglich auf das aufnehmende Unternehmen über. I.d.R. ändern sie aber weder ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt noch ihren Tätigkeitsbereich. Wenn also nur eine gesellschaftsrechtliche oder organisatorische Umstrukturierung beabsichtigt ist, sind die Mitarbeiter durch den Vorgang zunächst nur mittelbar betroffen. Sie gehen regelmäßig im Rahmen eines Betriebsübergangs auf den neuen Arbeitgeber über, während sich die Konditionen für ihre Beschäftigung nicht ändern sollen.

 

Beim grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatz in Betriebsstättenstrukturen kommt aber regelmäßig die sog. 183-Tage-Regelung nicht mehr zum Einsatz. Üblicherweise unterliegen Mitarbeiter im Tätigkeitsstaat nur dann der Besteuerung, wenn
  • sie sich insgesamt länger als 183 Tagen innerhalb eines Kalender- oder Steuerjahres im Tätigkeitsstaat aufgehalten oder
  • sich der Arbeitgeber, der die Vergütung zahlt oder für den die Vergütung gezahlt wird, im Tätigkeitsstaat ansässig ist oder
  • der Arbeitslohn nicht von einer Betriebsstätte, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat, getragen wird.


Da eine steuerliche Betriebsstätte nach internationalen Grundsätzen i.d.R. nicht Arbeitgeber sein kann, werden „Mitarbeiter der Betriebsstätte” ab ihrem ersten Tätigkeitstag im Staat des Stammhauses steuerpflichtig. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, dass „Mitarbeiter des Stammhauses” im Betriebsstättenstaat tätig werden; auch sie sind ab dem ersten Tätigkeitstag ungeachtet der sog. 183-Tage-Regelung im Betriebsstättenstaat steuerpflichtig. Da der Arbeitgeber für die zutreffende Abführung der Lohnsteuer haftet, bestehen in den Fällen nicht unerhebliche Steuer- und Abgabenrisiken sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Unternehmen. In der Praxis werden etwaige Mehrsteuern aufgrund des grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatzes regelmäßig vom Arbeitgeber durch einen Nachteilsausgleichs übernommen. Die damit verbundenen erhöhten Compliance-Aufwendungen sollten im Vorfeld berücksichtigt werden.


Dienstleistungs- und Vertreterbetriebsstätten

Die Geschäftstätigkeit setzt nicht zwingend eine lokale Niederlassung voraus. Wird nach einer grenzüber­schreitenden Umstrukturierung im Staat des übertragenden Unternehmens keine feste Geschäftsein­richtung mehr unterhalten, weil es sich bspw. um Geschäftstätigkeiten handelt, für deren Ausübung es keiner immobilen Produktionsfaktoren bedarf, verbleiben im Staat des übertragenden Unternehmens ggfs. nur noch lokal tätige Mitarbeiter. Aber auch ohne feste Geschäftseinrichtung können Unternehmen bereits aufgrund ihrer Tätigkeit im Ausland eine Betriebsstätte begründen.


Das kann zum einen bei Bau- und Montageprojekten der Fall sein, die eine gewisse Dauer überschreiten. Zum anderen können sog. abhängige Vertreter im Ausland für das deutsche Unternehmen eine steuerliche Betriebsstätte begründen. International besteht weitgehend Konsens, dass der Betriebsstättenbegriff den heutigen Geschäftsmodellen nicht stets gerecht wird. Denn in vielen Fällen kann eine Besteuerung mangels physischer Präsenz im Quellenstaat vermieden werden, obwohl ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung dort stattfindet. Vor dem Hintergrund hat die OECD 2015 u.a. eine Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs vorgeschlagen. So soll es bspw. künftig für die steuerliche Betriebsstättenbegründung ausreichen, wenn Vertreter mit faktischer Abschlussvollmacht handeln oder Personen eine wesentliche Rolle beim Abschluss von Verträgen spielen.


Deutschland übt noch Zurückhaltung hinsichtlich der Umsetzung dieses neuen Begriffsverständnisses im deutschen Recht und in den deutschen DBA. International besteht aber eine deutliche Tendenz, zunehmend an die lokale Präsenz, die auch bereits durch einzelne Mitarbeiter aufgrund ihrer Geschäfts­tätigkeit vor Ort gegeben sein kann, eine Steuerpflicht bspw. bei Dienstleistungsbetriebsstätten zu knüpfen.


Das bedeutet für grenzüberschreitend eingesetzte Mitarbeiter, dass ihre Tätigkeit u.U. eine steuerliche Betriebsstätte für den Arbeitgeber begründet. Verbunden damit ist automatisch auch die lokale Steuerpflicht des Mitarbeiters. Letztere kann nur durch entsprechende Beantragung im Vorfeld der grenzüberschreitenden Tätigkeit vermieden werden.


Fazit

Umstrukturierungen auf Unternehmensebene können aus verschiedenen gesellschaftsrechtlichen und organisatorischen Erwägungen sinnvoll sein. In den meisten Fällen bewirken sie einen Betriebsübergang, in dessen Rahmen die Mitarbeiter auf einen neuen Arbeitgeber übergehen, ohne dass es grundsätzlich zu einer Änderung der bestehenden Anstellungsverhältnisse kommt. Sind die Mitarbeiter grenzüberschreitend tätig, können bereits bei kurzfristigem Einsatz Steuer- und Abgabenpflichten im In- und Ausland ausgelöst werden. Da der Arbeitgeber für die Erfüllung dieser Pflichten haftet und in der Praxis etwaige Mehrbe­lastungen regelmäßig über einen Nachteilsausgleich vom Arbeitgeber getragen werden, sollten damit verbundene Compliance Aufwendungen im Vorfeld berücksichtigt werden.

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