Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf M&A-Verträge

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veröffentlicht am 22. November 2023 | Lesedauer ca. 3 Minuten

 

Die Frage der Anwendbarkeit des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen („AGB-Recht”) auf Verträge über den Erwerb oder die Veräußerung  von Unternehmensanteilen oder über Umwandlungen („M&A-Verträge”) wird intensiv diskutiert und bleibt somit unklar. Dennoch hat sie große praktische Bedeutung, da sie erhebliche Auswirkungen auf die Beurteilung der Frage der Wirksamkeit einzelner in diesen Verträgen getroffener Vereinbarungen und auf den Rechtsschutz der Beteiligten hat.

Diese Rechtsunsicherheit kann Vertragsgestalter dazu veranlassen, im Zweifel äußerst vorsichtig zu gestalten, um dem Risiko der Unwirksamkeit einzelner Klauseln zu begegnen. Dies führt nicht selten dazu, dass eine gewollte Regelung nicht zustande kommt. Dass damit ein Verlust an Privatautonomie verbunden ist, liegt auf der Hand. M&A-Verträge würden dem AGB-Recht unterliegen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Die Vereinbarungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und werden von einer Partei der anderen Partei gestellt. Schließlich dürfen sie nicht im Einzelnen ausgehandelt worden sein. 

1. Vorformuliert 

In der Regel basieren M&A-Verträge in einem nicht unerheblichen Umfang auf Vertragsmustern. Daher ist grundsätzlich anzunehmen, dass die Vereinbarungen für eine Vielzahl von Verträgen bereits vorformuliert sind. 

2. Stellen von Vertragsbedingungen

Nach gängiger Auffassung sind geringe Anforderungen an das Merkmal des „Stellens” von Vertragsbedingungen zu stellen. Dieses Merkmal soll bereits dann vorliegen, wenn eine Partei die vorformulierte Klausel in die Verhandlung einführt und ihre Einbeziehung verlangt. Bei der Prüfung muss beachtet werden, ob der Vertragsentwurf mit dem Willen zur einseitigen Durchsetzung übersandt wird, was dem Sinn und Zweck des AGB-Rechts entspricht. Dies ist bei M&A-Transaktionen nicht der Fall, da in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass die empfangene Partei – die zumeist ebenfalls von erfahrenen Rechtsanwaltskanzleien vertreten wird – ihre Interessen angemessen wahrnimmt. M&A-Transaktionen sind durch Verhandlungen und Kompromisse geprägt, wodurch keine Partei die Vorstellung hat, einseitig ihren Vertragsentwurf durchsetzen zu können. Etwas anderes könnte gelten, insbesondere wenn der Vertragsentwurf erst kurz vor Abschluss übermittelt wird und dadurch eine gewisse Unterlegenheit entsteht. In solchen Situationen gebietet der Sinn & Zweck die Anwendung des AGB-Rechts. 

3. Kein Aushandeln

Wenn die Vertragsbedingungen ausgehandelt wurden und somit von einer Individualvereinbarung auszugehen ist, findet das AGB-Recht keine Anwendung. Eine Individualvereinbarung ist dann anzunehmen, wenn der Verwender bereit ist, über den Vertragsinhalt zu verhandeln und es tatsächlich zu einem Aushandeln kommt. Dabei bedeutet Aushandeln jedoch mehr als bloßes Verhandeln. Eine Klausel gilt laut Bundesgerichtshof nicht als ausgehandelt, wenn ihre nachteiligen Wirkungen für den Verhandlungspartner lediglich abgeschwächt wurden, der gesetzwidrige Kern der Klausel jedoch nicht ernsthaft zur Diskussion gestellt wurde. Die andere Verhandlungspartei muss die Möglichkeit erhalten, den Inhalt zu beeinflussen. Durch die vorgenommenen Änderungen im Vertragsentwurf wird deutlich, dass ein Aushandeln stattgefunden hat. Die unveränderte Verwendung einer Klausel kann darauf hindeuten, dass ein Aushandeln ausgeblieben ist. Allerdings kann eine unverändert übernommene Vertragsbedingung trotzdem nach ausführlicher Diskussion und Zustimmung ausgehandelt worden sein. Es ist zu beachten, dass das Aushandeln einzelner Vertragsbedingungen grundsätzlich keine Auswirkungen darauf hat, dass die übrigen Vertragsbedingungen noch immer als AGB gelten. Insbesondere bei M&A-Transaktionen werden nach Erhalt des ersten Vertragsentwurfs zunächst mehrere Klauseln abgelehnt und Änderungen vorgeschlagen, welche letztlich nur teilweise in der endgültigen Fassung akzeptiert werden. Der Verhandlungspartner kommt jedoch in anderen Punkten entgegen, um eine „Paketlösung” zu erzielen. Nach richtiger Auffassung sind dabei nicht nur die Klauseln, die Änderungen unterzogen wurden, nicht als AGB anzusehen, sondern auch die Klauseln, die unverändert geblieben sind, da deren Bestimmungen ebenfalls Bestandteil des ausgehandelten Pakets sind. Diese Auslegung ergibt sich aus der im unternehmerischen Verkehr notwendigen Berücksichtigung der geltenden Gewohnheiten und Gebräuche im Handelsverkehr. 

4. Fazit

Die Frage, ob M&A-Verträge der AGB-Kontrolle durch Gerichte unterworfen werden, lässt sich im Ergebnis nicht eindeutig beantworten. Dies liegt insbesondere daran, dass immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Eine Vermeidung der hierdurch entstehenden Unsicherheit könnte durch eine Liberalisierung des AGB-Rechts im unternehmerischen Bereich seitens des Gesetzgebers erreicht werden. Eine gesetzliche Intervention ist jedoch nicht zwingend, wenn Gerichte der im unternehmerischen Verkehr gesetzlich verankerten notwendigen Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche stärker Rechnung tragen würden. Selbst wenn man die Anwendung des AGB-Rechts befürwortet, müssen die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten jedenfalls im Rahmen der Inhaltskontrolle Berücksichtigung finden. Daher kann auch die Vereinbarung einer Schiedsklausel in Betracht gezogen werden, da Schiedsgerichte zwar an das Gesetz gebunden sind, jedoch nicht an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

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