M&A Vocabulary – Experten verstehen: „Fair Disclosure”

PrintMailRate-it

veröffentlicht am 20. Oktober 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

In dieser Fortsetzungsreihe stellen Ihnen wechselnde M&A-Experten der weltweiten Niederlassungen von Rödl & Partner jeweils einen wichtigen Begriff aus der englischen Fachsprache des Transaktionsgeschäfts vor, verbunden mit Anmerkungen zur Verwendung. Hierbei geht es nicht um wissenschaftlich-juristische Exaktheit, linguistische Feinheiten oder erschöpfende Darstellung, sondern darum, das Grundverständnis eines Terminus zu vermitteln bzw. aufzufrischen und einige nützliche Hinweise aus der Beratungspraxis zu geben.

Was ist eine Offenlegung (engl. „disclosure”)?

Um Offenlegungen zu verstehen muss man zunächst die Bedeutung von Garantien in Verträgen verstehen.

Garantien (engl. „warranties”) sind vertragliche Tatsachenfeststellungen oder Zusicherungen des Verkäufers/der Verkäufer, die im Kaufvertrag in Bezug auf unterschiedliche Tatsachen gemacht werden, die die Zielgesellschaft oder den zu erwerbenden Vermögenswert betreffen. Falls sich Garantien als unwahr erweisen kann der Käufer, den Verkäufer wegen Vertragsbruchs in Anspruch zu nehmen.  Die Verkäufer wiederum können sich schützen, indem sie diese Garantien einschränken (engl. „qualify”) –  in der Weise, dass sie Informationen offenlegen, die mit der entsprechenden Garantie in Widerspruch stehen, und die, wenn sie nicht offenbart würden, eine Garantieverletzung herbeiführen würden.

Weitere Informationen zu „Offenlegungen”, wie sie funktionieren und warum sie im M&A-Prozess von Bedeutung sind, hat unser Kollege Tobias Kohler in einem Artikel dargestellt, den Sie unter folgendem Link lesen können: M&A Vocabulary – Explained by the experts: Disclosures.

Die Offenlegungen im Rahmen eines englischen M&A können allgemeiner Art sein (engl. „general”) oder bestimmte Tatsachen betreffen (engl. „specific”) und werden in einem den Kaufvertrag begleitenden Offenlegungsschreiben (engl. „disclosure letter”) abgegeben.

Allgemeine Offenlegungen enthalten hauptsächlich Umstände, die in öffentlichen Urkunden zugänglich sind oder von denen der Käufer auf der Grundlage von vorvertraglichen Nachforschungen zum Target (z. B. Due Diligence) Kenntnis haben sollte. Offenlegungen bestimmter Tatsachen wiederum legen bestimmte Informationen offen und nehmen auf einzelne Garantien Bezug.


Was sind „Angemessene Offenlegungen“ (engl. „fair disclosures”)?

Im Kaufvertrag wird der Begriff der „Offenlegung” definiert und Wörter wie „vollständig” (engl. „full”), „angemessen“ (engl. „fair”), „genau” (engl. „accurate”) oder „gesamt” (engl. „complete”) werden oft verwendet, um den Standard der Offenlegung im Gesamtzusammenhang der Transaktion festzulegen.  Die Definition (und der sich daraus ergebende Offenlegungsstandard) wird zwischen den Parteien ausgehandelt und hängt von den Umständen der betreffenden Transaktion ab, sowie von allen Informationen, die die Parteien für für so wesentlich halten, dass sie offengelegt werden müssen. 

Ein Beispiel für die Definition einer Offenlegung können daher Umstände sein, die „im Offenlegungsschreiben angemessen, vollständig und genau offengelegt werden (und dabei ausreichend detailliert, um den Charakter und Umfang des offengelegten Umstands zu identifizieren)”.

Grundsätzlich ist eine Offenlegung „angemessen”, wenn sie Tatsachen nicht nur inhaltlich, sondern auch an zutreffender Stelle, also in Bezug auf eine relevante Garantie, so aufführt, dass der Käufer sie verstehen kann.  Die Definition dessen, was „eine „angemessene Offenlegung” ist, ist jedoch umstritten und wurde von englischen Gerichten bei vielen Gelegenheiten erörtert. Auf ein paar dieser Fälle gehen wir nachstehend ein.

In der Rechtssache Daniel Reeds Ltd v EM ESS Chemicals garantierte der Verkäufer, dass die Zielgesellschaft über alle notwendigen Lizenzen verfügte, um ihrer Geschäftstätigkeit nachgehen zu können, obwohl eine der wesentlichen Lizenzen des Herstellers im Begriff war, kurz nach dem Abschluss zu erlöschen. Der Verkäufer hatte im Rahmen der Offenlegungen alle Lizenzen der Zielgesellschaft bis auf die fragliche Lizenz aufgelistet.  Der Verkäufer argumentierte, dass der Käufer die Liste der Lizenzen hätte durchsehen und daraus den Schluss ziehen sollen, dass die betreffende Lizenz fehlte. Dies wiesen die Gerichte zurück und entschieden, dass „eine angemessene Offenlegung die aktive Erwähnung der korrekten Position erfordert” und dass das Auslassen wesentlicher Informationen (in diesem Fall das Fehlen einer wesentlichen Produktlizenz) die Offenlegung nichtig macht, womit die Forderung des Käufers wegen Garantieverletzung erfolgreich war.

In der Rechtssache New Hearts v Cosmopolitan Investments betonte das Gericht die Notwendigkeit, den Käufer aktiv und ausdrücklich auf jeden Umstand, der offengelegt wird, aufmerksam zu machen, da die einfache Bezugnahme auf eine Informationsquelle, die komplex ist, aber in der ein gewissenhafter Prüfer die relevanten Informationen finden könnte, nicht ausreiche, um die Anforderungen an eine angemessene Offenlegung zu erfüllen.

Infiniteland Ltd and John Stewart Aviss v Artisan Contracting Ltd ist ein bahnbrechender Fall zu diesem Thema, der mehr Klarheit dazu bringt, was die Gerichte unter einer „angemessenen Offenlegung” verstehen, insbesondere in Bezug auf (a) den Offenlegungsstandard, der unterschiedlich ist, je nach der Sprache, die in der betreffenden Klausel des Kaufvertrags verwendet wird, und (b) den Leser der Offenbarungen und ob Experten als Berater beteiligt sind oder nicht.    

Der Garantieanspruch in diesem Fall bezog sich darauf, ob die Buchhaltungsunterlagen„ein korrektes und angemessenes" („true and fair”) Bild von Gewinn und Verlust der betreffenden Gesellschaft” vermittelten.  

Das Gericht entschied, dass bei dem Verfassen des Offenlegungsschreibens die Tatsache berücksichtigt worden war, dass die Dokumente und anderen schriftlichen Unterlagen den Buchhaltern des Käufers zur Verfügung gestellt worden waren, damit sie im Vorfeld des vorgeschlagenen Kaufs eine Due Diligence durchführen konnten. Der Käufer konnte die allgemeine Offenlegung zurückweisen und auf der Offenlegung bestimmter Tatsachen im Hinblick auf die einzelnen Garantien bestehen. Er hat sich jedoch dagegen entschieden und sich mit dem Vertrauen in seine Buchhalter darauf begnügt, dass diese die Umstände ermitteln würden, von welchen der Käufer aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen notwendigerweise Kenntnis erlangen sollte.  In diesem Fall wurde entschieden, dass die Buchhalter des Käufers davon wussten, dass die offengelegten Buchhaltungsunterlagen irreführend waren. 

Folglich berief sich der Verkäufer gegenüber dem Garantieanspruch auf dieses Wissen, da die „tatsächliche Kenntnis” der Buchhalter gemäß den Bedingungen des Kaufvertrags dem Käufer zuzurechnen war.  Deshalb entschied das Gericht, dass die Offenlegungsanforderung („true and fair”) in Bezug auf solche Umstände erfüllt worden war, von denen redlicherweise erwartet werden konnte, dass die den Bericht erstellenden Buchhalter diese im Rahmen der Due Diligence der zur Verfügung gestellten Unterlagen zur Kenntnis nehmen würden.
 

„Angemessene” Offenlegungen in unterschiedlichen Rechtsordnungen

Angesichts der Komplexität der Offenlegungen und der oft fehlenden Konkretheit dessen, was eine „angemessene” Offenlegung ausmacht, ist es unerlässlich, bei der Verfassung von Kaufverträgen und Offenlegungsschreiben Experten zu Rate zu ziehen (die den Standard der Offenlegungen festlegen und deren geschickte Formulierung gewährleisten). Bei grenzüberschreitenden Erwerbsgeschäften ist es besonders geboten, die Bedeutung von „angemessenen” Offenlegungen nach dem einschlägigen Recht zu bewerten und das Verfahren der Offenlegung vollumfänglich einzuhalten.

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Jan Eberhardt

Rechtsanwalt, Solicitor (England und Wales)

Partner

+44 121 2278 963

Anfrage senden

Experten erklären

 

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu