Reform des Abfallrechts: Vorkehrungen gegen Littering, Food Waste, Einwegplastik und Plastiktüten

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veröffentlicht am 11. November 2020 | Lesedauer ca. 11 Minuten


Littering nimmt stetig zu. Wer soll dafür verantwortlich sein und muss die Kosten für die Beseitigung tragen? Das aktuelle Thema wurde vom Gesetzgeber aufgegriffen und eine Änderung des Kreis­lauf­wirtschafts­gesetzes auf den Weg gebracht. Der Artikel befasst sich mit den neuen erweiterten Herstellerpflichten, die neben dem Thema Littering, auch in direktem Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion um Food Waste und Plastikverpackungen stehen.



Was ist Littering? Wer soll dafür verantwortlich sein und insbesondere die Kosten tragen?

Auffällig ist, dass in den letzten Jahren unsere Umwelt zunehmend vermüllt wird. Weggeworfene Einwegbecher, Verpackungen und aktuell Einwegmasken sind überall auf Plätzen, entlang von Straßen und Wegen sowie in der Natur, wie in Parks oder am Strand, zu finden. Dort muss er extra aufgesammelt werden. Gerade auch Konsumgüter wie Lebensmittel, Kosmetika, Arzneimittel und Medizinprodukte tragen insbesondere durch ihre Verpackungen zu dem Problem bei. Der englische Begriff „Littering” bezeichnet genau solches ungeordnetes Wegwerfen von Verpackungen ohne vorheriges Sortieren bzw. das Wegwerfen von Müll in die Umgebung. Sollen die Kommunen bzw. die öffentlichen Entsorgungsträger und letztendlich über die Gebühren die Gebührenzahler die Kosten des Litterings tragen oder sollen die Hersteller von Produkten und deren Ver­packungen die gesamten Kosten bis zur Entsorgung bzw. dem Recycling übernehmen? Betroffen wären damit insbesondere auch die Chemikalien-, Kunststoff-, Lebensmittel-, Arzneimittel- und Konsumgüterhersteller.

Über Stadtreinigungs- und Müll­entsorgungs­gebühren werden aktuell die Kosten dem Gebührenzahler auferlegt. Allerdings können unsere bestehenden Systeme das Aufsammeln und Entsorgen nicht vollständig erfassen. Letztendlich landet der Müll auf Flächen, für die keine Stadtreinigung zuständig ist, sowie in Flüssen und Meeren. Deshalb sind wir alle als Verbraucher in der Pflicht, ordnungsgemäß mit Produkten und deren Verpackungen umzugehen. Fraglich ist jedoch, ob der Endverbraucher als Gebührenzahler tatsächlich europarechtskonform zu den Kosten herangezogen werden darf oder welche Alternativen es dazu gibt. Letzt­endlich hat der Hersteller das Produkt, inklusive Verpackung, auf den Markt gebracht. Dessen stoffliche Zusammensetzung bestimmt und beeinflusst damit auch maßgeblich die späteren Entsorgungsmöglichkeiten, wenn das Produkt zu Abfall wird. Über Appelle an jeden einzelnen, mit den Produkten ordnungsgemäß umzugehen und sie einer fachgerechten Entsorgung zuzuführen, ist das Thema abschließend nicht lösbar.


Rechtliche Grundlagen

Bereits im Jahr 2008 wurde auf europäischer Ebene die Abfallrahmen-Richtlinie (Richtlinie 2008/98/EG, AbfRRL) verabschiedet, die eine Abfallhierarchie festlegt:

  • Prävention,
  • Wiederverwertung,
  • Recycling,
  • Verwertung für andere Zecke, z.B. zur Energieerzeugung, sowie
  • Entsorgung.


Insbesondere muss der Abfallerzeuger die Kosten der Abfallbewirtschaftung tragen (Verursacherprinzip). Mit der am 4. Juli 2018 in Kraft getretenen Änderungsrichtlinie (EU) 2018/851 wurden entscheidende Neuerungen eingeführt, wie bspw.

  • das Konzept der erweiterten Herstellerverantwortung sowie
  • die Verbesserungen beim Verfahren zum Ende der Abfalleigenschaft,
  • die Festlegung von Mindestanforderungen an das Regime der erweiterten Herstellerverantwortung (d.h. Implementierung von z.B. finanziellen und organisatorischen Verantwortlichkeiten der Verpflichteten), wenn ein Regime der erweiterten Herstellerverantwortung eingerichtet werden,
  • neue Regelungen zur Verwertung (z.B. zur Getrenntsammlung) und zur Vorbereitung, zur Wiederverwendung und zum Recycling (ebenfalls u.a. mit neuen Regeln zur Getrenntsammlung sowie zu neuen Quoten­festlegungen bis 2035, mit neu eingeführten Berechnungsvorschriften).


Darüber hinaus wurden spezifische Maßnahmen zur Vermeidung der Lebensmittelverschwendung, auch bekannt unter dem Wort „Food Waste” implementiert.

Da Richtlinien der EU in den Mitgliedstaaten nicht unmittelbar anwendbar sind, müssen die Ziele und Maßnahmen in nationales Recht umgesetzt werden. Die Frist für die Umsetzung lief bereits am 5. Juli 2020 ab. Der Bundestag hat am 17. September 2020 die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, kurzKrWG, (Gesetz zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union) verabschiedet. Das Gesetz wurde am 28. Oktober 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am Tag nach der Verkündung, also am 29. Oktober 2020, in Kraft treten. Damit setzt Deutschland nun die Vorgaben der neuen EU-Abfallrahmenrichtlinie um. Zugleich werden einzelne Verordnungsermächtigungen geschaffen, die der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/904 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt dienen (sog. Einweg-Plastik-Richtlinie). Wir werden an späterer Stelle noch genauer darauf eingehen. Die klare Zielsetzung der Reform des Abfallrechts ist es, die Vermeidung von Abfällen zu stärken. Vorbereitungen zur Wieder­verwertung und des Recyclings sollen nachhaltig gefördert werden. Zentrales Instrument ist die auch im bisherigen KrWG etablierte und bewährte Produktverantwortung, die weiter ausgebaut und insbesondere auf die bessere Sensibilisierung der Verbraucher, die verursachergerechte Beteiligung an Kosten für die Reinigung der Umwelt sowie einen verstärk­ten Einsatz von Rezyklaten ausgerichtet wird.


Erweiterte Herstellerverantwortung (extended producer responsibility, EPR)

Die Produktverantwortung ist als zentrales Element des Verursacherprinzips des  Kreislaufwirtschaftsrechts in den §§ 23 ff. KrWG geregelt. Die Verantwortung entspricht der erweiterten Herstellerverantwortung der AbfRRL. Mit ihr werden wesentliche Grundlagen für die Vermeidung und die hochwertige, ressourceneffiziente Verwertung von Abfällen festgelegt. Es soll bereits dem Entstehen von Abfällen bei der Produktion vorgebeugt werden. Abfallströme umweltverträglich zu steuern, setzt zu spät an.

Einzelne Inhalte der Produktverantwortung werden in § 23 Abs. 2 KrWG n.F. konkret aufgeführt, wobei es sich um eine nicht abschließende Aufzählung handelt. Die erweiterte Herstellerverantwortung ist insbesondere auch für im Life Science-Bereich tätige Unternehmen relevant. Hervorzuheben ist, dass die Entwicklung, die Herstellung und das Inverkehrbringen von Erzeugnissen ressourceneffizient sein muss. Produkte sollen technisch langlebig und auch reparierbar sein. Rezyklate, d.h. Produkte aus Recycling-Prozessen, sollen vorrangig zum Einsatz kommen. Kritische Rohstoffe sind sparsam einzusetzen sowie zu kennzeichnen, um eine Rückgewinnung zu ermöglichen. Der Gehalt an gefährlichen Stoffen ist zu senken. Insofern trifft die Produkt­verantwortlichen eine Obhutspflicht für die von ihnen hergestellten und vertriebenen Erzeugnisse. Die konkrete Problematik der Lebensmittelverschwendung sowie die Neuerungen rund um Plastikverpackungen sind in dem Zusammenhang für die Life Science-Branche in besonderem Maße von Interesse.


Die Grundpflicht der Produktverantwortung als Obhutspflicht im KrWG

Mit Blick auf das immer drängendere Problem der Wegwerfgesellschaft und der damit einhergehenden Ressourcenvernichtung sowie dem Vermüllen der Umwelt wird im KrWG die Grundpflicht der Produktverant­wortung zu einer Obhutspflicht der Produktverantwortlichen für die von ihnen hergestellten und vertriebenen Erzeugnisse erweitert. Erzeugnisse sind möglichst so zu gestalten, dass bei ihrer Herstellung und ihrem Gebrauch das Entstehen von Abfällen vermindert wird und sichergestellt ist, dass die nach ihrem Gebrauch entstandenen Abfälle umweltverträglich verwertet oder beseitigt werden. Beim Vertrieb der Erzeugnisse ist dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse erhalten bleibt und sie nicht zu Abfall werden (Obhutspflicht für vertriebene Erzeugnisse). Hervorzuheben ist, dass Erzeugnisse nicht allein durch eine Willensentscheidung der Vertreiber zu Abfall deklariert werden sollen. Das Gebot soll insbesondere Online­händler erfassen, die in der Vergangenheit mit der Vernichtung retournierter Artikel in die Schlagzeilen geraten sind. Erfasst wird auch der Umgang mit Warenüberhängen. Die Obhutspflicht bezieht sich nicht nur auf das eigene Verhalten, sondern auch das der mit dem Vertrieb beauftragten Dritten, z.B. Lagerhalter oder Personal der Verkaufsstelle.

Das Produkt soll gebrauchstauglich erhalten werden. Dafür müssen Vorkehrungen getroffen werden. Konzepte und Vorgehensweisen sind durch die betroffenen Produkt­verantwortlichen festzulegen, um den Anforderungen zu entsprechen. Dazu gehören insbesondere folgende Fragen, die betrieblich und organisatorisch zu bewältigen sind: Wie ist mit dem Produkt umzugehen? Wie ist es zu transportieren und aufzubewahren? Kommt ein ermäßigter Verkauf in Betracht? Wie wird der organisiert? Werden Artikel, die nicht mehr veräußert werden, gespendet?

Eine Erfolgsgarantie ist mit der Obhutspflicht nicht verbunden, wohl aber dauerhafte Vorsorge- und Sorgfaltspflichten. Aus der Obhutspflicht als Grundpflicht allein ergeben sich noch keine durchsetzbaren Pflichten der Produktverantwortlichen. Erforderlich ist, dass die Obhutspflicht in Rechtsverordnungen der Bundesregierung umgesetzt werden oder spezielle Gesetze erlassen werden, wie das z.B. mit dem Verpackungsgesetz, dem Batteriegesetz und dem Elektro- und Elektronikaltgerätegesetz bereits erfolgt ist.

Beim Kreislaufwirtschaftsgesetz regelt künftig die Bunderegierung als Verordnungsgeber, welche konkreten Erzeugnisse der Obhutspflicht unterliegen sollen und welche Maßnahmen zur Erhaltung der Gebrauch­stauglichkeit (z.B. Schutz vor Zerstörung von Konsumgütern, vergünstigter Abverkauf von Lagerware, Spende von Lebensmitteln an Tafeln) zu ergreifen sind. Je nach betroffener Produktgruppe bzw. betroffenem Industriezweig können sich unterschiedliche Anforderungen bezüglich des Inhalts sowie der Art und Weise der Wahrnehmung der Produktverantwortung ergeben. Insbesondere gehören dazu die Anforderungen an Rücknahme- und Rückgabepflichten, die Wiederverwendung, die Verwertung und die Beseitigung der nach Gebrauch der Erzeugnisse entstandenen Abfälle sowie weitere Regelungen zur freiwilligen Rücknahme. Berichtspflichten können für bestimmte Produkte definiert werden, um die Verwendung der Erzeugnisse, insbesondere Art, Menge, deren Verbleib und die Entsorgung sowie die geplanten und getroffenen Maßnahmen zur Erfüllung der Obhutspflicht zu belegen (Transparenzbericht). Aktuelle Tendenzen führen wohl zu einer Beschränkung der Verpflichtung auf Unternehmen, die eine bestimmte Umsatzschwelle erreichen und zu einer Fokussierung auf bestimmte Warengruppen, wie Lebensmittel und Bekleidung.


Der Spezialfall „Food Waste”

Aktuell wird gerade in Bezug auf Lebensmittel immer wieder das Thema „Food Waste”, sprich Lebensmittelver­schwendung bzw. -vergeudung diskutiert. Viele Händler vernichten Lebensmittel nach Ablauf des Mindest­haltbarkeitsdatums. Eine entsprechende Vorgehensweise wird künftig nicht mehr ohne weiteres zulässig sein. Denn die überarbeitete EU-Abfallgesetzgebung (Änderungsrichtlinie (EU) 2018/851) fordert die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung auf jeder Stufe der Lebensmittel­versorgungs­kette zu ergreifen, die Lebensmittelabfälle zu überwachen und über die erzielten Fortschritte Bericht zu erstatten. Der deutsche Gesetzgeber kommt mit der Novellierung des KrWG der Aufforderung nach, indem er die Vorgaben der EU-Abfallgesetzgebung in § 33 Abs. 3 Nr. 2 lit. g) und h) KrWG n.F. umsetzt.

Erforderlich sind zudem Konzepte, mit deren Umsetzung gerade das Entstehen von Abfall, inklusive Lebensmittelabfälle, vermieden werden kann. Erst als letztes Mittel kommt eine Entsorgung als Abfall in Betracht. Das Bundeskabinett hat daher Anfang 2019 die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung verabschiedet. Ziel ist es u.a., die Prozesse in der Wirtschaft zu optimieren und dadurch nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherzustellen. An der Stelle sind in erster Linie die Lebensmittelunternehmer gefragt, denn nur bei einer verantwortungsvollen Unternehmensführung kann langfristig das Ziel der Reduzierung von Lebensmittelabfällen erreicht werden. Um Kosten einzusparen und Ressourcen zu schonen, sollten Unternehmer der Branche Produktionsprozesse analysieren, um festzustellen, wo Lebensmittelabfälle entstehen. Geschäftsprozesse sollten regelmäßig kontrolliert und angepasst werden. Neue Unternehmensroutinen sollten geschaffen werden. Innovative Prozesse, insbesondere auch hinsichtlich Logistiksystemen, sind zu überprüfen und – wenn nötig – zu fördern. Um ein hohes Maß an Transparenz in der Lebensmittelversorgungskette zu erreichen, ist die Mitwirkung der Unternehmer in Form der Bereitstellung von Daten zur Erfassung von Lebensmittelabfällen gefragt. Nicht zuletzt sollten Unternehmer zudem Marketing- und Werbekonzepte hinsichtlich der Auswirkungen auf die Wertschätzung von Lebensmitteln überprüfen.

Eine wichtige Rolle spielt bei der Reduzierung von Lebensmittelabfällen auch die sog. Lebensmittelumver­teilung von unbedenklichen, essbaren Lebensmitteln in Form von Lebensmittelspenden für Bedürftige, gerade von Herstellern und Händlern. Interessant ist, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Herangehensweisen an diese Thematik verfolgen. Während das Spenden überschüssiger Lebensmittel unter bestimmten Voraussetzungen in manchen Mitgliedstaaten (z.B. Frankreich und Tschechien) für Lebensmittelunternehmer Pflicht ist, beschränken sich andere nationale Rechtsordnungen darauf, Anreize für das Spenden von Lebensmitteln zu schaffen (z.B. Italien).

In jedem Fall ergeben sich aber EU-weit für alle Betroffenen der Lebensmittelumverteilung eine Vielzahl von rechtlichen Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit der Haftung, da auch bei solchen Lebensmittel­spenden freilich deren Unbedenklichkeit i.S.v. Art. 14 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (BasisVO) sicherzustellen ist. Bereits 2017 hat die Europäische Kommission auf Basis ihres Aktionsplans zur Förderung der Kreislauf­wirtschaft EU-Leitlinien für Lebens­mittel­spenden veröffentlicht. Damit verfolgt sie den Zweck, die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften des EU-Rechtsrahmens, z.B. zur Lebensmittel­sicherheit, Lebensmittel­hygiene, Rückverfolgbar­keit und Haftung, für Bereitsteller überschüssiger Lebensmittel zu erleichtern und eine einheitliche Auslegung der EU-Vorschriften zur Lebensmittel­umverteilung zu fördern. An der Umverteilung sind zahlreiche Akteure beteiligt. Unternehmer der Lebensmittelbranche werden üblicherweise auf Spenderseite zu finden sein. Denn sowohl Primärerzeuger als auch Lebensmittel verarbeitende und herstellende Unternehmen, Einzelhandelsunternehmen und Unternehmen, die andere Vertriebswege nutzen, sowie Unternehmen der Lebensmittelversorgungsbranche und des Hotel- und Gaststättengewerbes, d.h. Lebensmittelunternehmer auf jeder Stufe der Lebensmittelversorgungskette, können sich an der Umverteilung beteiligen. Sie sind allerdings auch Hauptverantwortliche für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften (vgl. Art. 17 Abs. 1 BasisVO). Das Umverteilen von Lebensmitteln stellt ein „Inverkehrbringen” von Lebensmitteln i.S.d. Lebens­mittelrechts dar (BasisVO). Dadurch werden auch Umverteilungs- und Wohltätigkeitsorganisationen, die überschüssige Lebensmittel verteilen, zu Lebensmittelunternehmern i.S.d. Lebensmittelrechts. Aus Art. 21 BasisVO i.V.m. der Richtlinie 85/374/EWG ergibt sich deren Haftung für Schäden die durch fehlerhafte Lebensmittelerzeugnisse entstehen. Im Schadensfall (z.B. Lebensmittelvergiftung) wird zur Feststellung der Haftung geprüft, an welcher Stelle im Einzelfall der Lebensmittelversorgungskette ein Fehler aufgetreten ist. Die Feststellung, aufgrund welcher Tatsachen und Umstände ein Unternehmer ordnungswidrigkeitsrechtlich oder strafrechtlich belangt werden kann bzw. zivilrechtliche Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden können, ist im nationalen Recht der Mitgliedstaaten festgelegt. Die Regelungen können dabei stark voneinander abweichen, was mit erheblichen Unsicherheiten für Lebensmittelunternehmer verbunden ist. Die rechtliche Verantwortung, die mit der Lebensmittelumverteilung verbunden ist, kann bei Lebensmittel­unternehmen zu rechtlichen Bedenken führen, was durchaus ein Hindernis für die erfolgreiche Umverteilung von Lebensmitteln sein kann. Denn die o.g. Pflichten gelten unabhängig davon, ob ein Lebensmittel verkauft oder gespendet wird. Der Beratungsbedarf in der Lebensmittelindustrie steigt daher gerade auch durch die Neuerungen im Abfallrecht.

Darüber hinaus bedarf auch das umsatzsteuerrechtliche Folgethema von Sachspenden noch einer Lösung. Denn auch die Umsatzsteuer kann je nach nationaler Umsetzung der Mehrwertsteuer-Richtlinie 2006/112/EG u.U. ein Hindernis für die Lebensmittelumverteilung bedeuten. Fest steht aber, dass Steuerabzüge oder Steuerermäßigungen für Unternehmen, die sich an der Umverteilung beteiligen, einen wirtschaftlichen Anreiz zum Spenden von Lebensmitteln schaffen können und so das Ziel der Abfallvermeidung gefördert wird.


Einschränkungen und Verbote für Einweg-Plastik sowie Plastiktüten

Hinsichtlich Verpackungen wurde bereits im Jahre 1991 mit der Verpackungsverordnung (VerpackV) eine Trendwende hin zu weniger Müll angestrebt. Für Verpackungen gelten bereits heute schon Rücknahmever­pflichtungen für Hersteller und Händler. Das Bundeskabinett hat zudem am 7. November 2019 ein Verbot von Plastiktüten auf den Weg gebracht. Die Regelung soll zugleich der Umsetzung der Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle dienen. Danach müssen die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, um eine dauerhafte Verringerung des Verbrauchs an leichten Kunststofftragetaschen in ihrem Hoheitsgebiet zu erreichen. Zwecks Senkung des Verbrauchs von überflüssigen Verpackungen sollen Anreize dafür geschaffen werden, auf wiederverwendbare Verpackungen umzusteigen. Ziel ist auch dabei der zunehmenden „Vermüllung”, sprich dem „Littering”, Grenzen zu setzen. Deutschland ging zunächst den Weg einer freiwilligen Selbstverpflichtung des Handels, bei der  sich viele Einzelhändler dazu verpflichteten, Plastiktragetaschen nicht mehr gratis abzugeben. Geplant ist nun, durch eine Ergänzung des § 5 VerpackG, das Inverkehrbringen der Plastiktüten mit einer Wandstärke unter 50 Mikrometer ganz zu verbieten. Nicht umfasst sind die sog. „Hemdchenbeutel”, sprich sehr dünne kleine Plastikbeutel mit einer Wandstärke von weniger als 15 Mikro­meter, die v.a. zum Einpacken von Obst, Gemüse oder Fleischwaren verwendet werden. Für letztere sieht die genannte EU-Richtlinie Ausnahmen vor, die dem hygienischen Umgang mit gekauftem Obst oder Gemüse dienen und der Verschwendung von Lebensmitteln vorbeugen. In solchen Fällen kann außerdem kaum auf umweltfreundliche Alternativen zurückgegriffen werden. Im Gegenteil, es sollte unbedingt vermieden werden, Hersteller durch ein Verbot der spezifischen Tüten zu animieren, ihre Produkte standardmäßig in Plastik zu verpacken.

Ebenfalls im Kontext des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft der EU steht die Richtlinie (EU) Nr. 2019/904 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (Einweg-Plastik-Richtlinie). In ihr werden zahlreiche Maßnahmen vorgegeben, um den Verbrauch von bestimmten Einweg­kunststoffprodukten zu reduzieren, das achtlose Wegwerfen deer Produkte in die Umwelt, sprich das „Littering” zu begrenzen und die Ressource Kunststoff besser zu bewirtschaften. Betroffen sind Einweg-Gegenständen aus Kunststoffen, die reduziert werden sollen. Dabei sollen ab Juli 2021 Wegwerfartikel aus Kunststoff, die aus fossilen Rohstoffen wie Rohöl hergestellt werden, vollständig verboten sein, ebenso wie Wegwerfteller oder -becher aus biobasierten oder biologisch abbaubaren Kunststoffen. Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen und Luftballonstäbe aus Kunststoff sowie To-go-Getränkebecher, Fast-Food-Verpackungen und Wegwerf-Essenbehälter aus Styropor sind künftig nicht mehr erlaubt. Gerade die Lebensmittelbrache ist davon betroffen. Jeder Mitgliedstaat, also auch Deutschland, muss den Plan umsetzen. Das Bundeskabinett hat daher am 24. Juni 2020 die Einwegkunststoffverbotsverordnung (EWKVerbotsV) beschlossen, mit der die oben genannten Verbote umgesetzt werden; Verstöße sind bußgeldbewehrt. Der Bundestag muss der Verordnung zustimmen, der Abschluss des Verfahrens ist bis Ende 2020 geplant. Die Verordnung soll am 3. Juli 2021 in Kraft treten.

Darüber hinaus sieht die Einweg-Plastik-Richtlinie weitere Maßnahmen vor, die in das deutsche Recht umgesetzt werden müssen. Insbesondere die Neuregelungen zu Getränkebehältern und deren Verschlüsse und Deckel dürfte v.a. für Lebensmittelunternehmer von großer Bedeutung sein. So müssen die Mitgliedstaaten bspw. künftig dafür Sorge tragen, dass Getränkebehälter, deren Verschlüsse und Deckel aus Kunststoff bestehen, nur in Verkehr gebracht werden, wenn die Verschlüsse und Deckel während der für das Produkt vorgesehenen Verwendungsdauer an den Behältern befestigt bleiben (Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Teil C des Anhangs der Richtlinie (EU) Nr. 2019/904). Damit werden in Zukunft neue Anforderungen an das Produktdesign von Getränkebehältern gestellt, denen gerade betroffene Unternehmer in der Lebensmittelbranche nachkommen sollten. Zu rechnen ist i.Ü. damit, dass Hersteller die Kosten zu tragen haben, die mit dem Inverkehrbringen von Getränkebehältern verbunden sind, denn auch dabei gilt das Regime der erweiterten Herstellerverantwortung (vgl. Art. 8 Abs. 1 und 2, Teil E Ziff. I. 3. des Anhangs der Richtlinie (EU) Nr. 2019/904 i .V. m. der AbfRRL und der Richtlinie Nr. 94/62/EG).


Ausblick

Unabhängig von produkt- und verpackungsbezogenen rechtlichen Verpflichtungen wird es für die Vermarktung von Erzeugnissen und zwar gerade auch für Produkte der Life-Science-Branche, zunehmend wichtiger, Umweltaspekte zu berücksichtigen und soziale Verantwortung zu übernehmen. Im neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, den die Europäische Kommission im März 2020 auf der Grundlage des europäischen Grünen Deals angenommen hat, kündigt sie umfassende Maßnahmen an. Der Schwerpunkt liegt hierbei darauf, die Entstehung von Abfall ganz zu vermeiden und ihn in hochwertige Sekundärressourcen umzuwandeln. So sollen in der EU vermarktete Produkte über eine längere Lebensdauer verfügen, leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können. Zudem sollen neue verbindliche Anforderungen an den Rezyklatanteil von Kunststoffen und auch für Verpackungen in der EU eingeführt werden. Geplant ist schließlich eine neue Gesetzes­initiative, um der Lebens­mittel­verschwendung entgegenzuwirken. Diesbezüglich hat die Kommission in der im Mai 2020 veröffentlichten Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ bereits angekündigt, die Lebens­mittel­abfälle pro Kopf auf Ebene des Einzelhandels und der Verbraucher bis 2030 halbieren zu wollen.

 

Was davon tatsächlich umgesetzt werden wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass von Unternehmen zunehmend erwartet wird, dass sie die Verantwortung für die (globalen) Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit übernehmen und damit zur Erreichung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung beitragen. Daher sollten die Betroffene nicht erst sanktionsbewährte rechtliche Verpflichtungen abwarten, sondern die Anforderungen in ggf. bereits bestehende Systeme integrieren oder z.B. mit Bestandsaufnahmen aktiv Lösungen vorbereiten. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung Regelungen zur finanziellen Herstellerverantwortung treffen kann und damit Hersteller und Vertreiber von Produkten an den Kosten für die Reinigung der Umwelt und die umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung von, bspw. Einweg­kunst­stoffartikeln und Zigaretten beteiligt werden. In jedem Fall traten die Änderungen des KrWG am 29. Oktober 2020, d.h. einen Tag nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, in Kraft. Die Details sind durch Rechts­verordnungen der Bundesregierung zu regeln. Dementsprechend sind Hersteller und Vertreiber von Produkten gehalten, die Gesetzgebungs- und Verordnungstätigkeit zu verfolgen. Dies gilt insbesondere auch für die Chemie-, Kunststoff- und Konsumgüterhersteller. Ob mit entsprechenden Lösungen das Ziel der Vermeidung von Abfall erreicht und insbesondere das Littering zurückgedrängt werden kann, bleibt abzuwarten. Jedenfalls kann jeder Einzelne bereits heute etwas gegen das zunehmende Vermüllen der Umwelt tun. Die Hersteller und Vertreiber werden zukünftig verstärkt in der Verantwortung sein.

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